Hand am Drücker

Iran/USA Die Straße von Hormus bietet Anschauungsunterricht in asymmetrischer Kriegsführung
Der britische Tanker „Stena Impera“ wird von iranischen Schnellbooten eskortiert
Der britische Tanker „Stena Impera“ wird von iranischen Schnellbooten eskortiert

Foto: Hasan Shirvani / AFP - Getty Images

Es soll schon vorgekommen sein, dass die Schwachen sich gegenüber den Starken behaupten, auch dass Starres dem Geschmeidigen unterliegt. Wird diese Erfahrung bemüht, könnte das eine Anspielung auf das Verhalten iranischer Militärs im Persischen Golf, besonders in der Straße von Hormus, sein. Wäre da nicht die Annahme, dass die dortige Interventionsmacht der Islamischen Republik womöglich gar nicht so schwach ist.

Als geschmeidig – im Sinne von flexibel und agil – erweisen sich dessen Revolutionsgardisten freilich allemal, darauf bedacht – wenn kein Droh- – so doch Druckpotenzial aufzubauen. Denn je länger der Ölhandel auf dem Schifffahrtsweg durch Kontrolle und Konfiszierung von Tankern wie der britischen Schiffes Stena Impero beeinflusst wird, desto mehr wird sich das auf den internationalen Ölmarkt auswirken, auf Absatz, Preise und Liefergarantien.

Nichts zu gewinnen, aber ...

Damit stellt sich die Frage, stehen wir auf der Schwelle zu einem asymmetrischen Wirtschaftskrieg, ausgelöst von den USA und ihrer Sanktionswut? Geführt jetzt auch vom Iran, der keine andere Wahl hat, als mit den Mitteln einzusteigen und zu kämpfen, die ihm noch geblieben sind? Die Regierung von Präsident Rohani dürfte von der realistischen Einsicht ausgehen, dass man in einem Sanktionskrieg dieses Zuschnitts nicht viel gewinnen, aber den Gegner durchaus zermürben, wenn nicht gar zum vorübergehenden, partiellen, spürbaren Rückzug zwingen kann.

Ein solches Kalkül schließt diplomatische Optionen nicht aus, die stets mit Angeboten zur Entspannung verbunden sind. So hat Irans Außenminister Sarif in Aussicht gestellt, das Zusatzprotokoll zum Kernwaffensperrvertrag zu ratifizieren und so der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) mehr Kontrollrechte einzuräumen. In der Konsequenz könnten deren Inspektoren jederzeit verifizieren, dass mit dem iranischen Atomprogramm allein friedlich Zwecke verfolgt werden, und man bei der Anreicherung von Uran nicht auf waffenfähiges Plutonium bedacht ist.

Seit Tagen kursiert zudem die lancierte, dann wieder dementierte, dann erneut offerierte Botschaft, mit den USA über das eigene Raketenprogramm zu verhandeln, sofern Saudi-Arabien nicht weiter ausgiebig mit amerikanischen Waffen versorgt wird.

Dabei profitiert das gut entwickelte taktische Geschick des Iran von den taktischen Fehlern des US-Präsidenten, zu denen es kommt, solange ihm die innenpolitische Effekte seines Handelns wichtig sein müssen – 15 Monate vor der nächsten Wahl, die eine Wiederwahl sein soll. Als Trump Mitte Juni nach dem mutmaßlichen Abschuss einer US-Drohne durch den Iran erst zu einer Vergeltungsaktion ausholte, um sie dann angeblich zehn Minuten vor dem Vollzug stornieren zu lassen, sollte das den Amerikanern wohl suggerieren, wie friedliebend und verantwortungsvoll ihr Staatsoberhaupt gestrickt ist. Für den Iran hieß das schlichtweg, dass sich Trump der politischen Risiken einer militärischen Eskalation sehr wohl bewusst ist und sie deshalb scheut.

Muster Nordkorea

Wer mit dem Rücken zur Wand steht wie die iranischen Autoritäten, wäre schlecht beraten, daraus nicht Kapital zu schlagen. Warum nicht in der Straße von Hormus eine Situation heraufbeschwören, die den US-Präsidenten mit der Aussicht auf ein Eingeständnis konfrontiert, das einem Offenbarungseid gleichkäme? Nämlich den Bruch des Nuklearabkommens allein deshalb betrieben zu haben, um als rigoroser Abräumer dazustehen und Vorgänger Obama als Stümper denunzieren zu können – aber keine Agenda zu haben, wie nach dem Ausstieg der Einstieg in die Zeit danach aussehen soll. Insofern scheint die Suche nach einem Ausweg für die US-Administration unumgänglich.

Von sich selbst unter Druck gesetzt, könnte Donald Trump Anleihen beim Muster Nordkorea nehmen und sich auf eine spektakuläre Gipfel-Diplomatie verlegen, zu der Präsident Rohani genötigt wird, auf die er sich aber nur einlassen kann, ringen sich die Amerikaner zu keinerlei Vorleistungen durch. Dazu muss nicht automatisch der ostentative Aussetzen der Wirtschaftssanktionen gehören, die den Iran an den Rand des ökonomischen Ruins treiben sollen. Denkbar wäre ebenso der stillschweigende Verzicht auf die Reglementierung der Staaten und Unternehmen, die an ihrem Handelsverkehr mit Teheran festhalten wollen.

Womit ein weiteres Mal offenbar würde, dass der EU-Iran-Diplomatie durchaus Spielräume zur Verfügung stehen, die sie bisher nicht einmal ansatzweise genutzt hat.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

Lutz Herden

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