"Wenn ich nur eine Atombombe sein könnte, die alle Gottlosen und Ausländer im Jemen vernichtet, wenn sie explodiert", hatte der Mörder dreier amerikanischer Spitalangestellter in Sanaa geschrieen, als er Anfang Januar 2003 nach seiner Tat von Polizisten abgeführt wurde. Wie man später erfuhr, berief sich der Attentäter auf eine Jihad-Gruppe, die ihm eine religiöse Heimat biete. Er machte außerdem ein Vorbild geltend, das ihn motiviert habe – die Urheber des Selbstmordanschlags auf den US-Zerstörer Cole im Hafen von Aden am 13. Oktober 2000, als 17 amerikanische Seeleute ums Leben kamen. Al-Qaida übernahm damals die Verantwortung.
Die islamistische Subtext der jemenitischen Gesellschaft ist bekannt. Er wirkt im Norden derart identitätsbildend, dass sich ein Wort wie Verstrickung verbietet. Es gab Zeiten, wie den kurzen Bürgerkrieg mit dem einst marxistisch regierten Süden im Mai 1994, da waren Jihad-Aktivisten (unter ihnen viele Afghanistan-Veteranen) der Regierung von Präsident Ali Abdullah Saleh als Waffenbrüder willkommen. Danach ging das Regime wieder auf Distanz, riskierte es aber nie, die jihadistische Herausforderung einzudämmen. Wirklich neutralisieren, lässt die sich ohnehin nicht. Dafür sorgt schon die legale Islah-Partei, die ihre Mitglieder aus der urbanen Händlerschicht wie aus den Reihen der Moslembrüder rekrutiert und Salehs regierendem Volkskongress in harter politischer Rivalität verbunden ist. Dafür sorgt aber auch der große wahhabitische Bruder. Saudi-Arabien hat lange Zeit, bis in die neunziger Jahre hinein, wegen eines Grenzstreits den jemenitischen Streitkräften den Zugang in Teile der Nordregionen verstellt. Dass dort Ausbildungslager von al-Qaida entstanden, die sich weitgehend selbst überlassen blieben, gilt als offenes Geheimnis. Aus Rücksicht auf Riad haben die USA, ansonsten ein unerbittlicher Gegner des internationalen Terrorismus, diese Camps oft großzügig übersehen. Vielleicht war das zu rücksichtsvoll, denn dort wird kaum etwas anderes gepredigt als in einer pakistanischen Madrasa oder einer indonesischen Moscheen: Wehrt auch gegen alles Säkulare, gegen christliche Missionierung, gegen westlichen Einfluss.
Dass Jihad-Aktivisten dieser Couleur längst in einer Grauzone der Islah-Partei ankern, ist bekannt. Um des inneren Friedens willen übt sich die Regierung Saleh in der Taktik des Weg- und Übersehens. Auch weil sich eines nie klar beurteilen lässt: Wo und wie verschränken sich klientelistische Clan-Strukturen, die den Jemen wie keine andere arabische Nation prägen, mit dem gewalttätigen Furor des Terrors. Kriminell veranlagte Überzeugungstäter, die im Namen des Islam vorgehen, sind in diesem Land keine Einzeltäter, sondern Vorposten von Stammesinteressen oder terroristischen Milizen oder von beidem. Vermutlich sind die Mörder der zwei Bibelschülerinnen aus Deutschland wie der Lehrerin aus Südkorea zunächst einmal in diesem Kontext oder – besser – Milieu zu suchen. Wenn al-Qaida an den Verbrechen beteiligt war, bleibt dem Präsidenten Saleh nur der Offenbarungseid. Im Interesse der inneren Stabilität verbietet sich aktive Gegenwehr. Al-Qaida hat in seinem Land nicht nur viele Anhänger – die Familie Osama bin Ladens kommt aus dem Jemen.
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