„Die Zukunft gehört den starken Nationen, und wir haben in den zurückliegenden Jahren gezeigt, dass Ungarn dazu gehört“, ruft der Premierminister bedeutungsschwer ins Mikrofon. Mehrere tausend Anhänger applaudieren und brechen schlagartig in Viktor-Viktor-Rufe aus. Familien mit Kindern, Rentner, Jurastudenten in Anzügen und Jugendliche in Volkstracht, dazu gut betuchte Bürger sammeln sich seit dem frühen Samstagmorgen – der offizielle Teil dieses Meetings beginnt mit einer Art Fahnenzeremoniell, dann ertönt die ungarische Hymne, gesungen vom gesamten Auditorium auf dem Platz.
Plötzlich heult in der Menge eine kleine Gruppe von Protestlern auf. Statt der ungarischen Trikolore tragen sie Fahnen, auf denen Viktor Orbán neben dem russischen Staatschef Wladimir Putin zu sehen ist – eine Anspielung auf die autoritären Tendenzen des Regierungschefs und auf einen umstrittenen Deal mit Russland. Es geht um den mutmaßlich Zehn-Milliarden-Euro-teuren Ausbau des Atomkraftwerks in Paks.
Die Gegendemonstranten müssen nach ein paar Minuten aufgeben: Ältere Damen sind sichtlich verärgert. „Seid ihr keine Ungarn?“, hört man aus der Menge. Ein Familienvater mit einem Kind auf der Schulter empört sich laut über „linke Schwuchteln“, die ganz schnell verschwinden sollten.
Am 15. März lädt die Regierung traditionell zum Feiern auf dem Platz vor dem Nationalmuseum für Geschichte. Zu diesem Anlass wird der bürgerliche und patriotische Geist der Revolution von 1848 beschworen, anschließend erwartet alle Teilnehmer ein Volksfest. Seit dem Erdrutsch-Sieg der rechtsliberalen Fidesz-Partei bei der Parlamentswahl 2010 wurde aus dieser Frühlingsfeier so etwas wie ein Parteimeeting, auf dem sich Kritik an Orbán verbietet. „Ungarn wird gegen Banken, Multis und imperiale Bürokraten seine Interessen verteidigen. Dafür brauchen wir Einheit“, fährt der Premier in seiner Rede fort. „Und der Name dieser Einheit ist der 6. April“, lautet die Schlussfolgerung.
Opposition chancenlos
An diesem Tag sind die Ungarn wieder an die Wahlurnen gerufen, um über die Regierung der nächsten vier Jahre zu entscheiden. Was dabei herauskommt, dürfte Orbán gut gefallen, das belegen bisher alle Umfragen.
Zwar sind kur vor dem Votum nur etwa 35 Prozent der Wahlberechtigten sicher, dass sie für Fidesz stimmen werden, doch erklären 48 Prozent, sie würden die konservative Partei den anderen Bewerbern vorziehen und voraussichtlich auch wählen. Vor vier Jahren kam Fidesz auf gut 53 Prozent. „Unter dem geltenden neuen Wahlsystem würde rund die Hälfte der abgegebenen Stimmen reichen, um sich im Parlament einer Zweidrittelmehrheit sicher sein zu können. Hinzu kommt, dass Fidesz die Wahlbezirke zum Nachteil der linken Kandidaten neu aufgeteilt hat“, meint der Budapester Soziologe János Ladányi.
„Diese Wahl wird gewiss frei sein, aber alles andere als fair“, stellte vor kurzem auch Attila Mesterházy als Chef der oppositionellen Sozialisten fest. Fidesz kontrolliere direkt oder indirekt die meisten traditionellen Medien, nur die Online-Nachrichtenportale blieben in der Regel regierungskritisch. Mesterházys Oppositionsbündnis „Regierungswechsel“ bräuchte für einen Wahlsieg nach den neuen Regeln, so die Berechnung der Soziologen, rund sechs Prozent mehr Stimmen als die Zahl, die Fidesz für das gleiche Ergebnis bräuchte.
Dass dies nicht realistisch ist, weiß die linke Wahlallianz. Zu unerbittlich funktioniert die konservative Maschinerie, vor allem in der Provinz, wo die Vergabe von Aufträgen ein nahezu perfektes System der Abhängigkeiten kreiert hat. „Und das wahrlich Skandalöse ist, dass die EU mit ihren Geldern diese Räder schmiert“, so János Ladányi.
Viele Privatinsolvenzen
Die Bilanz der vergangenen vier Jahre fällt in Ungarn zumindest aus wirtschaftlicher Sicht katastrophal aus. Zwar steckte das Land bereits seit 2006 in einer tiefen Krise. Aber die Einführung einer Flat-Tax von 16 Prozent auf alle Einkommen führte nicht, wie von Orbán versprochen, zu deutlichem Wachstum. Sie benachteiligte massiv die vielen Geringverdiener, deren Steuerbelastung früher geringer war. Die hohe Verschuldung der ungarischen Haushalte infolge der 2009 geplatzten Immobilienblase bleibt ein großes Problem, das die Regierung erst nach der Wahl anpacken will.
Der von westeuropäischen Instituten dominierte Bankensektor hatte jahrelang Hypothekenkredite in Euro oder Schweizer Franken vergeben, ohne sich immer einer ausreichenden Bonität der Kunden zu versichern. Mit dem Wechselkurs des Forints schoss dann die Zahl der Privatinsolvenzen in die Höhe, während der Immobilienmarkt kollabierte, und die Banken auf Wohnungen und Häusern sitzen blieben, die mittlerweile weniger wert sind als die Kredite.
Orbáns oberste Wahlkampfthema, der „Freiheitskampf der ungarischen Nation“, schließt zwar den „Kampf gegen die Multis und Banken“ samt antisemitischen Akzenten ein. Doch die Einführung einer Sondersteuer für Banken, die einzige konkrete Maßnahme bisher, hat das Problem nur verkompliziert. Auch bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit war Fidesz nur bedingt erfolgreich: Etwa 200.000 Menschen verschwanden aus der offiziellen Arbeitslosenstatistik, weil sie in ein hoch umstrittenes staatliches Beschäftigungsprogramm gemeinschaftlicher Arbeit gezwungen wurden und dadurch nicht mehr als Langzeitarbeitslose auftauchen. Das Programm wurde von vielen Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften heftig kritisiert, weil die Regierung den Teilnehmern nicht einmal den Mindestlohn (rund 320 Euro) zahlt, „Arbeitsunwilligen“ aber mit der Streichung sämtlicher Sozialleistungen droht.
Orbán bleibt unter den Vertretern der angeschlagenen Mittelschicht populär, nicht zuletzt weil er mit seinem Lieblingsthema, dem „Kampf um die Nebenkosten“ besten punktet. Die Kosten der Strom-, Wasser- und Gasversorgung, die sehr viele ungarische Haushalte schwer belasten, wurden per Gesetz bereits um 20 Prozent gesenkt. Weitere „Befreiungsschläge“ und sogar die Verstaatlichung der privaten Versorger sind schon im Gespräch und werden wahrscheinlich nach den Wahlen zumindest teilweise umgesetzt.
Die Budapester Lehrerin Laura Szajter findet das gut und will, dass dieser Premier Ungarn weiter regiert. „Die Linksliberalen und die Multis haben dieses Land in den Ruin getrieben“, sagt sie. „Aber wenn wir einig sind, können wir uns durchsetzen, unsere Interessen verteidigen und unseren eigenen ungarischen Weg gehen. Und nicht den, den uns die Weltfinanz aufzwingt.“
Silviu Mihai ist freier Autor und berichtet seit geraumer Zeit für den "Freitag" aus Ungarn und Rumänien
Kommentare 15
"Aber wenn wir einig sind, können wir uns durchsetzen, unsere Interessen verteidigen und unseren eigenen ungarischen Weg gehen. Und nicht den, den uns die Weltfinanz aufzwingt.“
Und das lesen wir dem Fräulein Lehrerin in 10 Jahren wieder vor.
Sicherheitshalber nehmen wir einen Palinca mit, der beruhigt die Nerven.
Eines dieser Abdankungsdokumente einer finanzprogressistischen und turbomaterialistisch geprägten europäischen Linken, die in Ungarn in der Vor-Orban-Zeit eines ihrer düstersten Kapital schrieb. Die Agenten der Globalisierung ringen mit den Verteidigern kleiner Einheiten. Dass diese (auch) keine Heiligen sind, heißt nicht, dass man ihre Beweggründe nicht verstehen sollte, ehe man allen Ernstes glaubt, Orbans Anhänger mit Putinplakaten abschrecken zu können. Das dürfte für Fidesz eher eine Auszeichnung sein. Wenn Orban Humor hat, plakatiert er den Osterhazy, der gegen ihn antritt, gemeinsam mit Obama.
"Etwa 200.000 Menschen verschwanden aus der offiziellen Arbeitslosenstatistik, weil sie in ein hoch umstrittenes staatliches Beschäftigungsprogramm gemeinschaftlicher Arbeit gezwungen wurden und dadurch nicht mehr als Langzeitarbeitslose auftauchen."
Das kommt mir aber sehr bekannt vor.
"Etwa 200.000 Menschen verschwanden aus der offiziellen Arbeitslosenstatistik, weil sie in ein hoch umstrittenes staatliches Beschäftigungsprogramm gemeinschaftlicher Arbeit gezwungen wurden und dadurch nicht mehr als Langzeitarbeitslose auftauchen." Das kommt mir aber sehr bekannt vor.
Was hat eine Nation davon, rechtskonservativ zu wählen?
Was hat eine Nation davon, rechtskonservativ zu wählen?
Eine starke Führung mit emotionaler Rückendeckung von der absoluten Mehrheit der Bevölkerung weil es ja immer gegen die anderen geht.
Eine Regierung die auf Teufel komm raus sämtliche Kredite, Vorleistungen und Fördermittel der nach außen verpönten westlichen Welt in Anspruch nimmt und das ausgegebene Geld als eigene Kraft und Wirtschaftsleistung der kleinen Leute verkauft, auf dass diese sich großartig fühlen.
Eine vor den Kulissen reibungslose Symbiose der Staatsorgane mit der privaten Wirtschaft.
Damit eng verbunden eine entsprechend harmonisierte Medienlandschaft. In Ungarn ist dies eine sehr dienstbare deutsche Medienlandschaft (WAZ).
Daraus entsteht wieder eine gefühlte Macht, die sich auf alle Schichten überträgt.
Gelenkte Massenorganisationen, wo sich Leute aktiv einbringen können. Man kann sich sogar in bewaffneten Bürgerwehren gesellschaftlich engagieren. Wiederum geht es um gefühlte Beteiligung an der Macht.
Demnächst auch wieder in diesem Theater. Dem europäischen Faschismus gehört ganz klar die Zukunft. An dieser Zukunftsperspektive beteiligen sich gerade diejenigen, die am allerlautesten das Schlagwort des "Euro-Faschismus" im Munde führen.
Mist, ich hab die Religion und so vieles anderes vergessen. Frag halt mal deutsche Landsleute aus den 20er/30er Jahrgängen. Noch gibt es sie. Es ist der Wohlfühlfaktor, der Missbrauch edelster Motive und menschlichster Bedürftnisse.
Das Ergebnis ist letztlich immer das gleiche wenn auch nicht sofort erkennbar.
Das mag so sein, ist aber eine hochgradig interpretierende Antwort. Ich meine, niemand wählt aufgrund des Gedankens "ach, was bin ich doch für eine geile miese kleine Ratte und ein verschissenes Arschloch und deswegen wähle ich mal eine größere kleine Ratte und ein noch verschisseneres Arschlioch damit es den edlen Indianern der Güte und der Menschenfreundlichkeit mal so richtig dreckig geht". Die Eigenwahrnemung der eigenen Person ist nie identisch mit deren Fremdwahrnehmung. Die Eigenwahrnehmung ist immer positiv.
Was hat eine Nation davon, rechtskonservativ zu wählen? Welche realen Probleme glauben die Menschen, dadurch lösen zu können?
Man wählt so, um dazuzugehören, um sich eins zu fühlen mit dem Volkskörper (s.a. die beschworene "Gemeinschaft" ehem. DDR-Bürger), um auf der historisch besseren Seite zu stehen. Es gibt überhaupt keine Fremdwahrnehmung wenn das Volksbewusstsein marschiert. Wer gibt den einen Rotz auf die Wahrnehmung irgendwelcher Gutmenschen? Lies doch einfach mal die Bildzeitung. Die kacken jeden Tag auf die Wahrnehmung anderer Leute. Das interessiert die nicht. Wichtig ist nur die Gemeinschaft der Boulevard-Leser, ihre Verrohung, ihre Verblödung, ihre niedersten Instinkte.
Das Belohnungszentrum der Menschen ist das Hauptziel allen Marketings, aller Propaganda, aller Produktentwicklung (insbes. Software). Ist der Ruf erst ruiniert lebt's sich völlig ungeniert. Na und, ey. Was willst Du Affe eigentlich von mir? Eins auf die Fresse oder was? Ick les wat ick will, und wenn dir dit nich passen tut, dann heul doch. Ach, geh doch rüber.
auch das mag so sein, aber du abstrahierst immer noch vom Empfinden einzelner Menschen auf das Empfinden einer Masse. Einzelne Menschen sind in der Regel davon überzeugt, wenn schon nicht das Beste im Sinne von etwas Gutem, so doch das am wenigsten Schädliche zu wählen. Niemand wählt, um Teil eines hysterischen Massengeistes zu sein, sondern weil die Leute sich von ihrer Wahl die Lösung realer Probleme versprechen, zumindest erhoffen.
Welche realen Probleme können aus Sicht ihrer Wähler von Rechtskonservativen besser gelöst werden als von anderen. Oder umgekehrt, wo müssten Linksprogressive die Leute abholen? Die Leute stehen, wo sie stehen, und wenn sich jemand nicht zu ihnen bemüht, kommen sie nicht von selbst zu dem/denjenigen. Man kann sich auf die Fahnen schreiben, die Leute zu ändern. Nur: jetzt sind sie noch nicht anders. Ob sie es je sein werden, darf bezweifelt werden.
Bisher empfinde ich deine Darlegungen als: "Es gibt gute Menschen, das sind wir, und es gibt beschissene Menschen, das sind die, und die Lösung aller Probleme liegt darin, die beschissenen Menschen auszurotten." Das befriedigt vielleicht die innere Hilflosigkeit, ist aber genauso unethisch wie die kolportierten Fehlleistungen der Rechtskonservativen, liegt auf demselben Level der Diffamierung und wird ohnehin nicht funktionieren.
Jeder, der eine bessere Welt will, muss sich etwas besseres einfallen lassen als nur die Beschimpfung seiner politischen Gegner, in der Hoffnung, die würden vor metaphysischem Entsetzen über ihre eigene Verwerflichkeit zur Salzsäule erstarren.
Wie kommst Du auf das dünne Brett, dass eine Masse etwas empfindet? Man kann zwar gewiss über diese "Empfindung" spekulieren aber es ist doch nur eine Projektion der Gefühle, die planvoll in den Individuen erzeugt werden, um ihre Zuneigung zu gewinnen und ihre Ablehnung abzuleiten. Wir akzeptieren die Realität, die uns dargeboten wird. Bei virtuellen Realitäten wie die der Warenwelt, der Macht, der Finanzen kommt es zusätzlich darauf an, dass wir diese Realität auch wirklich als mit uns verbunden (als erstrebenswert oder feindlich) erkennen können. Etwas was mir nicht nutzt aber Geld von mir haben will ist irgendwann nur noch feindlich. Diese Vermittlung, warum ein starker Insektenstaat (aber natürlich ganz modern und schlank!) das beste Bollwerk gegen die Zumutungen der Moderne ist haben die Rechten exklusiv für sich gepachtet. Niemand wird vor metaphysischem Entsetzen zur Salzsäule erstarren, solange man auf der richtigen, der starken Seite steht. Es gibt gar kein Entsetzen über etwas, das einem emotional den Bauch pinselt.
*lol* besser hätte ich es auch nicht auf den Punkt bringen können.
Die alternativlos-Washington-Consensus Transatlantiker, die man beschönigend auch Linksliberale nennt (keine Ahnung an welcher Stelle die irgendwie links sind und liberal sind sie auch nur bei der Wirtschaft), verlieren europaweit, vielleicht sogar weltweit, an Boden.
Die Systeme die sie installiert haben, funktionieren ja schon in den entwickelten Ländern schlecht, in allen anderen verkommen sie in Windeseile zu korrupten Kleptokratien. Sobald dann der globale Wirtschaftsmotor stottert, gerät alles ins rutschen.
Bedauerlicherweise kommen die Alternativen und nationalen Gehversuche nur aus der rechten Ecke, die weder als sonderlich menschenfreundlich, noch als kompetent gelten kann (Flat Tax uääähhhh).
Nicht dass man das hätte wissen können, die Geschichte ist ja recht eindeutig schonmal sehr ähnlich gelaufen...
"Wie kommst Du auf das dünne Brett, dass eine Masse etwas empfindet? Man kann zwar gewiss über diese "Empfindung" spekulieren aber es ist doch nur eine Projektion der Gefühle, die planvoll in den Individuen erzeugt werden, um ihre Zuneigung zu gewinnen und ihre Ablehnung abzuleiten."
Ja, diese Mechanismen werden angewandt. Deine Sichtweise ist nichtdestotrotz selbst schon wieder elitär deutend, da du anderen hochgradige emotionale Irrationalität unterstellst.
Das mag hin- und wieder gerechtfertigt sein, trifft aber selten genau den Punkt und bringt einen im politischen Prozess auch nicht weiter. Andere Menschen und ihre Bedürfnisse nicht ernst nehmen, sondern abwerten, bewirkt genau das Gegenteil.
Sprechen wir es doch aus: der Rechtsruck ist eine Reaktion darauf, dass alle anderen politischen Richtungen keine befriedigenden Antworten auf die (im Ostblock seit der Wende) anhaltende Krise haben.
Das linke Spektrum könnte eine haben, scheut aber instinktiv vor allem was ihr nicht kosmopolitisch genug erscheint und was irgendwie national ist. In einer Zeit des unreglementierbaren Internationalismus (du nennst es Zumutungen der Moderne), ist das nicht gerade eine Stärke und schon gar keine Lösung. Die Leute merken das, sie sind der Vertröstungen auf eine glorreiche gemeinsame Zukunft satt.
"Diese Vermittlung, warum ein starker Insektenstaat (aber natürlich ganz modern und schlank!) das beste Bollwerk gegen die Zumutungen der Moderne ist haben die Rechten exklusiv für sich gepachtet."
Haben sie das? Der Insektensstaat ist auf linker Seite doch genauso heimisch. Zumindest war er das in der Vergangenheit...
Bedauerlicherweise kommen die Alternativen und nationalen Gehversuche nur aus der rechten Ecke
Woher denn sonst? Ich hätte es auch lieber "integral" und sprituell, so wie die Violetten. Ernsthaft. Aber das ist nicht, was die Mainstreamlinke macht. Die hat nämlich festgestellt, dass ihre "Internationale" und die ökonomische Globalisierung perfekt zueinander passen und sich damit Geld verdienen lässt. Frauenrechte? Klar! Aber nicht an sich, "natürlicherweise". Sondern im Aufsichtsrat globaler Konzerne! Es gibt hunderte von Beispielen. Und die Konsequenz für die Linken ist, dass sie ein Reputationsproblem hat.
Nicht dass man das hätte wissen können, die Geschichte ist ja recht eindeutig schonmal sehr ähnlich gelaufen...
Die Tragik besteht in der Tat darin, dass die alten (innenpolitischen) Schlachten Europas nun ein weiteres Mal geschlagen werden müssen. In den 30er Jahren hatten die "Faschisten" - ich verwende den Begriff nichtmarxistisch und auch nichttotalitär und nenne bspw. auch Orban oder Putin, nicht nur die Nazis von Jobbik und Swoboda - politisch in Europa gewonnen hatten. Was Gründe hatte. Und was immer man davon hält: Durch den Wahnsinn des zweiten Weltkriegs und eine linke und eine liberale Siegermacht kam hierüber dann eine historische Schicht, die nun abblättert. Die Sowjetunion ist weg. Und die Amerikaner sind bis ins Mark diskreditiert und sie werden es nicht mehr besser machen.
Was macht Europa darüber? Genau: Zum status quo ante des Sowjetisch-Amerikanischen (fast könnte man schreiben: linksliberalen) Paradigmas zurückkehren.
Das ist im Wesentlichen der Rechtstrend. Mit dem historischen Fernrohr. Und die konkreten Fragestellungen, die die Leute Orban gewähren lassen statt ihm (zugunsten wovon nochmal?) in den Rücken zu fallen, sind ähnliche.
Die Unterschiede liegen freilich darin, dass es parlamentarisch vonstatten geht (Orban wurde gewählt, Putin wurde gewählt, der Front National wird auch keinen Marsch auf Paris versuchen etc.pp.) und dass die Parlamente nicht ausgeschaltet werden, sondern eher "bajuwarisiert". Eine bayerische Landtagswahl ist durch und durch demokratisch und die Linken haben wie von Zauberhand trotzdem keine Chance. Edmund Stoiber und die EVP haben ihren Freund, Orban ja auf den Knien ersucht, mit dem nicht den Dollfuß zu machen und er geht nun den bayerischen Weg.
Das problematische Thema sind aber weniger die (wirklich zu Unrecht?) über Materialismus, fehlende Harmonie und die kalte Beschleunigung und Effizientmachung der Welt wütenden Konservativen. Das Problem sind die Nazis. Swoboda, Goldene Morgenröte, Jobbik. Was Europa in den Abgrund riß, war nicht der korporatistische Nationalkatholizismus. Es waren auch nicht die unterlegenen (und jetzt wieder unterliegenden) "Demokraten". Es waren die Nazis mit ihrer Wahnsinnsideologie.
Auch deswegen halte ich es für dumm, sich auf einen Orban einzuschießen, der auf der Bremse steht in einer irren Welt.
Wie fühlt es sich für einen Träger der Roten Fahne in Ungarn dieser Tage wohl an, von einem mit ganz offenen Karten spielenden Reaktionär wie Orban unter dem Jubel der Marktplätze als Knecht der Großkonzerne hingestellt zu werden - und entweder demaskiert dazustehen (die Intelligenteren) oder in der Isolation die Mehrheit des Landes für verrückt geworden halten zu müssen (die Einfältigeren).
Die alternativlos-Washington-Consensus Transatlantiker, die man beschönigend auch Linksliberale nennt (keine Ahnung an welcher Stelle die irgendwie links sind und liberal sind sie auch nur bei der Wirtschaft), verlieren europaweit, vielleicht sogar weltweit, an Boden.
Die einzigen, die auf dem politischen Spielfeld Kommunismus und Hochfinanz gleichermaßen ablehnen (und alle linksliberalen Versuche, irgendwie beiden materialistischen Vorstellungswelten die Treue zu halten), sind softe "Klerikalfaschisten" parlamentarischen Stils wie Putin und Orban.
Das erklärt ihre Wucht. Und die Diskussion darüber. Sie sind politisch verfügbar , aber politische Dampfwalzen. Die "Linken", man muss es wirklich fast in Anführungszeichen setzen, die gegen sie antreten - womit nochmal? - schnurren darüber auf die Bedeutung im Maximilianeum zusammen. Am Rande auch dabei und politisch chancenlos.
Die ungarische Linke wird sich jedes mal einreden, dass Fidesz doch zu schlagen sein muss... Ein Wahlsieg von Fidesz dürfte zur Gewohnheit werden.
Und eine tief im Wald herumirrende Linke, die sich allen Ernstes einredet, der Antikapitalismus zu sein, in Wahrheit aber die Gesellschaften "mainstreamt" und der reinen Geldherrschaft die Widerstände wegbügelt (ob bewusst oder unbewusst) und ihren Gegnern noch ins Absurde hinein (Ukraine, Swoboda) die Treue hält, schmilzt, wo sie auf ihren wirklichen, nicht eingebildeten Gegner trifft, doch wie Eis in der Sonne.
Gegen wirtschaftspolitischen Sozialismus, aber gesamtpolitischem Konservatismus hat eine solche Linke keine Chance.
Wie gesagt: Ich hätte auch lieber etwas "Integrales" statt den alten Nationalkatholizismus der 30er Jahre wieder aus der Schublade holen zu müssen. Das ist mit einer marxistisch verirrten, unganzheitlichen, vulgär atheistischen und in ihrem verstockten Materialismus inzwischen sogar umgekehrt klassenkämpferischen Linken aber nicht zu machen. Dieses Baby kann nur absaufen. Ein Einschätzung, die man in der Tat vielerorts teilen wird, ganz gleich, ob man sich nun darüber freut oder das bedauert.
Yup, eine Analyse die ich im Wesentlichen teile. Bei allen Verwirrungen was man nun genau z.B. mit *links* meint (ich glaube keine politische Ecke ist so heterogen und in sich widersprüchlich wie die linke, was irgendwie symphatisch, andererseits aber sehr unpraktisch ist).
Ich wünsche mir nach wie vor, dass die Linke (die Partei und alle sich links fühlenden Menschen) ihren historischen Fehler, den bedingungslosen Internationalismus, kritischer reflektieren würde. Und einen (zweifellos denkbaren) Kompromiss finden, der dem Nationalstaat jenseits von völkisch-rassistischen Kategorien, als demokratische Organisations- und Identifikationseinheit, etwas Positives abgewinnen kann.
Das würde linken Ideen und Idealen nämlich das Weltfremde nehmen, das Uferlose, das rein Träumerische, das was niemand richtig ernst nimmt, weil es einfach nicht realistisch ist und nicht in absehbarer Zeit umsetzbar.