Hommage an das Peter-Prinzip

Kabinett Scholz Sollte Annalena Baerbock Außenministerin werden, wäre das ein Schlag in die Magengrube für jeden, der auf persönliche Integrität in der Politik wert legt
Das Außenministerium ist eine Visitenkarte für jede Regierung, jeden Staat, vor allem aber die politische Kultur eines Landes
Das Außenministerium ist eine Visitenkarte für jede Regierung, jeden Staat, vor allem aber die politische Kultur eines Landes

Foto: Lukas Schulze/Getty Images

Sollte Annalena Baerbock tatsächlich die nächste Außenministerin sein, beleidigt das jeden, der sich bemüht, in seinem Berufsleben persönliche Integrität als Wert zu achten. Sich manchmal durchzuschlagen, aber nie durchzumogeln. Eine Zeitgenossin wie diese in der hohen Politik? Was müssen das für Zeiten sein! Baerbock sah sich außerstande, ihre Vita unfrisiert darzubieten, Nebeneinkünfte in der richtigen Höhe anzugeben, Bücher zu schreiben, ohne anderswo abzuschreiben. Als Kanzler- und Spitzenkandidatin der grünen Partei war sie eine größere Fehlbesetzung als Martin Schulz für die SPD vor vier Jahren – sie dafür belohnen und nach oben loben?

Selbst Joschka Fischer

Eine Hommage an das „Peter-Prinzip“, jemanden fördern, der absehbar überfordert ist? Sicher, Frau Baerbock muss abgefunden werden, aber doch nicht mit dem Amt der Außenministerin. Als Fraktionsvize im Bundestag, besser: als Ehrenpräsidentin der Heinrich-Böll-Stiftung, das hätte vollauf genügt. Nicht mal der Grüne Joschka Fischer hat es verdient, dass die Galerie der Amtsträger am Werderschen Markt um eine Pointe angereichert wird. Fischer verteidigte als Außenminister 1999 den Kosovo-Krieg, aber er hatte etwas gegen den Irak-Krieg und soviel Courage dem US-Hardliner Donald Rumsfeld auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2003 zuzuraunen, und zwar vom Rednerpult aus: „Excuse me, I am not convinced …“ Und Deutschland hielt sich einen Krieg vom Leibe und tat gut daran. Afghanistan war verheerend genug. Hat man von Baerbock je eine profunde Nachlese zum Afghanistan-Debakel gehört? War ein kritisches Wort darüber zu vernehmen, dass die Mehrheit der grünen Fraktion im Bundestag Jahr für Jahr das Afghanistan-Mandat verlängert und dessen Finanzierung gebilligt hat? Dass sie Mitverantwortung trägt an der katastrophalen Lage, in der sich das Land im Augenblick befindet?

Vergebens gehofft

Es geht mit dem Außenamt immerhin um ein Ressort, dessen Besetzung eine Visitenkarte für jede Regierung, jeden Staat, vor allem aber die politische Kultur eines Landes und einer Gesellschaft ist. Das Auswärtige Amt der Bonner Republik steht in der Tradition von Konrad Adenauer (bis 1951), Willy Brandt, Walter Scheel oder auch Hans-Dietrich Genscher, die international Ansehen besaßen, dieses erwarben und erhielten. Gewiss hat das Amt schon im Übergang zu Berliner Republik unter Fehlbesetzungen gelitten wie dem plump biederen Klaus Kinkel von der FDP oder dem politisch extrem leichtgewichtigen Guido Westerwelle, für den ebenfalls die FDP zuständig war.

Aber jetzt durfte man doch hoffen, das Außenministerium habe nach den Jahren unter Heiko Maas (SPD) endlich wieder einen Außenminister verdient, keinen rechthaberischen und verkniffenen Prediger, der Diplomatie für das Letzte hält, was ihm zugemutet werden durfte. Aber es geht eben immer noch schlimmer, wird vermutlich noch ideologischer – und noch unprofessioneller? Sicher ist das unter diesen Umständen eine Hoffnung, dass sich Baerbock nicht lange hält. Nur wann wird die sich erfüllen?

Linke kann froh sein

Diese Personalie, wenn sie denn so beschlossen und von der grünen Spitze ausgekostet wird, bezeugt einen ersten und eindrucksvollen Fall von Hochmut der Macht. Seht her, das können wir diesem Land jetzt zumuten und ihr müsst es schlucken, ob euch das passt oder nicht. Wir servieren euch eine Außenministerin, die nicht einmal soviel Geschick und Gespür besitzt, in einer neuralgischen Frage des Verhältnisses zu Russland, wie sie sich mit der Erdgasleitung „Nordstream 2“ stellt, Zurückhaltung zu üben. Baerbock hängt sich gern weit und genüsslich aus dem Fenster. Damit dürfte eine Inbetriebnahme auf absehbare Zeit unterbleiben – Baerbock muss sich durchsetzen oder wäre das erste Mal beschädigt.

Dass die Dinge so stehen, sagt viel über die inneren Kräfteverhältnisse und das Selbstverständnis der künftigen Regierung. Aber ebenso das Standing eines Kanzlers, der sich mit Baerbock auf einen Kurs festlegt, der mehr Konfrontation vor allem mit Russland und China verspricht. Es sei denn, Scholz beansprucht seine Richtlinienkompetenz besonders für die Außenpolitik und stellt Baerbock kalt, aber das ist schwer vorstellbar und noch weniger praktikabel.

Die Linkspartei jedenfalls kann froh sein, dass sie in diesem Gemenge nicht verrührt wird.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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