Kürzlich hat die griechisch-orthodoxe Kirche der Regierung von Alexis Tsipras angeboten, ihren Grundbesitz als Geldquelle zu nutzen. Der solle zwar nicht verkauft, aber beliehen werden. Solche Hilfe könne – so reagierte der Premier in einem Offenen Brief an das Ökumenische Patriarchat – dem Staat wieder mehr Luft zum Atmen verschaffen.
Damit ihr die nicht ausgeht, ist politischer Rückhalt nötig, wie es den im Europa des Euro nicht geben wird. Im eigenen Land schon – bei den Wählern und Sympathisanten von Syriza, beim eigenen Volk. Dass Tsipras über ein Referendum nachdenkt, um über seine Politik abstimmen zu lassen, wäre hilfreich und historisch zugleich. Wie immer das Ergebnis ausfällt – zum ersten Mal würden in der Währungsunion kein Aktienindex, kein Börsenkurs, keine Umlaufrenditen, kein EZB-Präsident, kein EU-Kommissar, keine deutsche Kanzlerin, sondern die Betroffenen selbst über ihr soziales Schicksal entscheiden. Zwar haben die Griechen bereits beim Parlamentsvotum am 25. Januar die Sparpolitik abgewählt, nun aber ließe sich im Wissen darüber urteilen, wie seither in der Solidar- und Wertegemeinschaft EU mit ihnen umgegangen wurde.
Prompt kapituliert
Dabei wäre eine Volksabstimmung keine absolute Novität. Schon Anfang November 2011 wollte der damalige PASOK-Regierungschef Giorgios Papandreou die Griechen über ein Sparpaket abstimmen lassen, das durch EU und Währungsfonds zur Bedingung für Hilfskredite gemacht wurde. Umgehend drohten die EU-Honoratioren – allen voran Angela Merkel und der damalige französische Staatschef Nicoals Sarkozy –, komme es dazu, gäbe es kein Geld, auch wenn der griechische Staat bis Ende 2011 acht Milliarden Euro an Altschulden begleichen müsse. Die Staatspleite vor Augen kapitulierte Papandreou prompt.
Offenbar lässt sich die Tsipras-Regierung von diesem Exempel nicht schrecken. Sie hat keine Wahl, sie kämpft um ihr politisches Überleben, indem sie sich eines erneuten Wählerauftrages versichert – oder einsehen muss, gescheitert zu sein, falls eine Mehrheit Schuldendienst und Sozialabbau schlucken will, um den Euro nicht aufgeben zu müssen.
Worum es geht, lässt sich der Antwort auf drei Fragen entnehmen: Hat die Sparpolitik die griechische Ökonomie belebt? Hat sie die Verarmung großer Teile der Bevölkerung aufgehalten? Hat sie die Staatsschulen reduziert? Das dreifache Nein erlaubt nur eine Schlussfolgerung: Wenn diese Regierung darauf vereidigt ist, zum Wohl des Landes und seiner Menschen zu handeln, muss sie mit einer von außen diktierten Politik brechen, die in den Abgrund führt.
Das Gegenteil erwarten Eurogruppe und EU-Kommission, IWF und EZB. So absurd kann es in der Eurozone zugehen, wenn die "Gesetze des Marktes" gelten. Dafür gibt es im wesentlichen zwei Gründe, der eine ist politischer, der andere mehr makroökonomisch-ideologischer Natur. Zunächst einmal regieren in Athen derzeit von einer linken Partei getragene Autoritäten. Die zu beugen, erscheint ratsam, um Gesinnungsfreunde in anderen Euro-Staaten abzuschrecken. Deren potenzielle Wähler sollen lernen: bei den Wahlversprechen von Syriza handelte sich um Wahllügen, der Wahlsieg war in Wahrheit Wählerbetrug. Wer das nicht gehorsam glaubt, dem schlagen wir das von Gott selber verfasste Buch der Tugenden des neoliberalen Zeitaltes um die Ohren. Ihr werdet schon sehen.
Soziale Prostitution
Akteure wie Finanzminister Wolfgang Schäuble und Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem können ihrem Instinkt vertrauen: Syriza fällt in einer Währungszone, die Millionen Menschen zur sozialen Prostitution zwingt, um existieren zu können, eine besondere Verantwortung zu. Muss die Partei aufgeben, genießt jene Kausalität weiter Bestandsschutz. Alles bleibt, wie es ist.
Um den anderen Grund zu benennen, ist ein zeitlicher Rückgriff vonnöten: Einst hat US-Präsident George W. Bush die Attentate von 9/11 genutzt, um der restlichen Welt – vor allem aber den Verbündeten – einen unilateralen Feldzug gegen den Terror aufzuzwingen, aus dem inzwischen ein globaler Schlagabtausch von Terror und Gegen-Terror wurde.
Der deutsche Euro-Nationalismus, verkörpert von Angela Merkel, ist ähnlich zu erklären. Es wurde die Gunst der Krisenstunde erkannt, um dem Europa des Euro einen ökonomischen Katechismus zu verordnen – den des deutschen Stabilitätsdogmas. Dessen verheerendste Konsequenz heißt Griechenland. Wird das eingestanden, indem der Syriza-Regierung Konzessionen eingeräumt werden, stehen Merkels Stabilitätstheorien schnell ohne Praxis da, weil ohne oder nur mit teuren Finanzinvestoren.
So viele Milliarden Euro kann EZB-Präsident Mario Draghi gar nicht drucken lassen, um "das Vertrauen der Märkte" zu erhalten, wenn Griechenland seinen eigenen souveränen Weg gehen darf.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.