In der europäischen Normalität angekommen

AfD Ihr Einzug in den Bundestag fällt aus. Da aber die Eurokrise noch längst nicht überwunden ist, wird sich die Alternative für Deutschland weiter Gehör verschaffen wollen

Erstmals seit der Präsenz der Deutschen Partei (DP) und dem Gesamtdeutsche Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE) in den ersten Bundestagen nach 1949 sah es am Wahltag lange danach aus, als könnte wieder eine Partei rechts von der Union in den Bundestag einziehen. Die erst im April gegründete Alternative für Deutschland (AfD) war bis zuletzt die große Unbekannte aller Wahlprophetie. Sie verwahrt sich vor allem gegen das Euro-Krisenmanagement einer Bundesregierung, die in den nächsten Jahren weiterhin von Angela Merkel als Kanzlerin geführt wird?

Mit der AfD hat der Euronihilismus eine Stimme, die sich auch parlamentarisch Gehör verschaffen will. Die deutsche Politik wird dadurch mit europäischer Normalität konfrontiert. Euro-skeptische bis Euro-feindliche Parteien gibt es zwischenzeitlich in etlichen Eurostaaten – etwa in der französischen Nationalversammlung mit dem Front National (FN), im niederländischen Parlament mit der Partij voor de Vrijheid (PdV) von Geert Wilders oder in Griechenland mit der Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgendämmerung).

Vorschnelle Vergleiche sollten unterbleiben – der unverblümte, teils aggressive Rechtspopulismus dieser Parteien kann der AfD bisher zumindest so nicht bescheinigt werden.

Dennoch neigt sie zu einem radikalen Aktionismus mit zweifelhaften Botschaften, die historischen Instinkt vermissen lassen. Nur ein Beispiel: Während des Wahlkampfes wurde vor dem Brandenburger Tor eine symbolische Euro-Verbrennung veranstaltet und mit den Flammen eine fatale Assoziation heraufbeschworen. Man durfte sich nicht nur – man musste sich zwangsläufig erinnern, dass in Sichtweite fast – auf dem damaligen Opernplatz – im Mai 1933 Bücher auf einem großen Scheiterhaufen lichterloh brannten. Für die gerade zur Regierungsmacht gelotste NSDAP ein Akt zur geistigen Selbstreinigung des deutschen Volkes.

Katharsis durch Vernichtung, das wirkt abstoßend. AfD-Chef Bernd Lucke, Professor für Makroökonomie an der Universität Hamburg, schätzt historischen Vergleiche durchaus. Er nennt die Eurorettungspolitik etwa „die größte Geldvernichtung seit der Inflation von 1923“, was die geschichtlichen Ursachen und Umstände der damaligen Vermögensentwertung völlig ausklammert, um aus den Urängsten der Menschen politisches Kapital zu schlagen.

Laut FORSA-Umfragen sollen sich die AfD-Anhänger vor allem aus Männern im Alter über 60 rekrutieren, die sich von Zukunftsängsten bedrängt fühlen. Sicher verdient das Beachtung, aber bei derartigen Verunsicherungen wäre es erst recht ein Verhängnis, würde man, wie von der AfD gefordert, den Euro verabschieden und zur DM zurückkehren Aber auch konservative Publizisten, Akademiker, vor allem Ökonomen zählen zu Bernd Luckes Sympathisanten und wollen teilweise genau das.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

Lutz Herden

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