In der Risiko-Spirale

Schuldenkrise Die EZB stemmt sich gegen die Eurokrise, indem sie immer mehr Staatsanleihen verschuldeter Euro-Länder übernimmt. Ein Überblick über die Risikofaktoren

Bisher hat die EZB viel und vor allem viel Unegwöhnliches getan, um Domino-Effekte zwischen hoch verschuldeten Euroländern in Grenzen zu halten. Sie hat Anleihen der Großschuldner aufgekauft, Gläubiger-Banken in Liquidität gebadet, Kredite gewährt – und sich damit selbst nicht unbeträchtlichen Gefahren ausgesetzt. In diesem Engagement stecken derzeit 678 Milliarden Euro – Tendenz steigend. Der EU-Gipfel am 30. Januar muss entscheiden, ob dieser Kurs fortgesetzt wird. Entlasten könnte die EZB, wenn der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) wie geplant vorgezogen wird und bereits am 1. Juli in Kraft tritt, doch auch dann dürften sich die Risiken für die Gemeinschaftbank der Eurozone zunächst nicht vermindern.

Risikofaktor eins – der Abladeplatz

Seit mehr als einem Jahr Jahr kauft die Bank Schuldverschreibungen von Euro-Staaten, die anderweitig größtenteils nicht mehr zu refinanzieren wären. Da es sich bei den Gläubigern dieser Länder größtenteils um Banken, Versicherungen und Investmentfonds handelt, kommt der Anleihekauf zunächst diesen Kreditgebern zugute – als indirekte Subvention aber auch den Schuldnern. Wenn allerdings Staaten, deren Anleihen die EZB erworben hat, in den Bankrott gehen, sind diese Wertpapiere in ihrem Portfolio wertlos. Die Höhe des Risikos ergibt sich aus dem Gesamtwert dieser Depots: Er liegt Januar 2012 bei 217 Milliarden Euro.

Risikofaktor zwei – der Kreditgeber

Wie das Kreditgeschenk kurz vor Weihnachten zeigt, sorgt die EZB für ausreichende Liquidität im privaten Bankensektor. Am 21. Dezember wurden fast 500 Milliarden Euro für eine Laufzeit von 36 Monaten zum Leitzins von einem Prozent zur Verfügung gestellt. Durch diesen Liquiditätsschub sollten die Geldhäuser untereinander wieder kreditfreudiger und in Kauflaune versetzt werden. Denn 2012 müssen hoch verschuldete und mit schlechtem Rating bedachte Euroländer Anleihen von mehr als 600 Milliarden Euro platzieren. Möglichst zu erträglichen Zinsen, jenseits der Fünf- oder Sechs-Prozent-Marke. Für Ende Februar ist erneut ein so genannter Dreijahres-Tender mit einem Volumen wie im Dezember 2011 angekündigt – allein die Erwartung, dass es dazu kommt, bleibt für die Finanzmärkte nicht ohne Einfluss.

Risikofaktor drei – das Handelskontor

Durch Target-Kredite sichert die EZB einen Teil des Warenverkehrs innerhalb der EU. Da besonders Euro-Krisenländer viel mehr Waren einführen, als sie ausführen, müssen die Importe vorübergehend durch derartige Kredite bezahlt werden. Sie entstehen, indem die EZB den jeweiligen Notenbanken erlaubt, auf Pump Geld zu drucken. Allein Griechenland, Irland, Portugal und Spanien hatten bis zum Juni 2011 für rund 327 Milliarden Euro Verbindlichkeiten gegenüber der EZB angesammelt. Damit verbundene Risiken sind mit denen möglicherweise nicht mehr einlösbarer Staatsanleihen vergleichbar.


Einen Überblick über die Gesamtverschuldung der Euro-Länder (in Prozent des Bruttoinlandsproduktes) und ihr jeweiliges Rating gemäß der US-Agentur Standard Poor's haben wir in einer Grafik veranschaulicht, die hier als pdf heruntergeladen werden kann.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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