Die westliche Staatengemeinschaft will vermeiden, dass der Kampf gegen Bastionen des Islamischen Staates (IS) in Syrien der Regierung Assad zugute kommt. Das führt zu an Absurdität kaum zu übertreffenden Statements und Reaktionen. So ist es in den Augen der US-Regierung suspekt, wenn Russland der Assad-Armee militärischen Beistand leistet (was Wladimir Putin bisher nur angedeutet hat). Doch würde es in Washington begrüßt, sollten sich russische Jets an Luftschlägen gegen IS-Stellungen beteiligen. Hinterlassen die Wirkung, indem sich den IS schwächen, dann stärken sie das Regime in Damaskus – den Hauptgegner der Islamisten auf syrischem Boden.
Mögliche Intervention
Noch paradoxer sind Äußerungen des französischen Präsidenten François Hollande, der meint: Hätte es im Spätsommer 2013 die bereits weit vorangetriebene Intervention der USA gegeben, wäre der IS nie in der Position, die er sich inzwischen erobert hat. Nur gegen wen sollte sich seinerzeit der Militärschlag richten, wenn nicht die Streitkräfte des syrischen Staates, denen vorgeworfen wurde, Giftgas eingesetzt und rote Linie überschritten zu haben?
Vermutlich hätte die Assad-Armee einem US-Angriff so wenig standhalten können wie 2003 die Militärmacht des irakischen Diktators Saddam Hussein. Wäre Syrien anschließend nach dem Muster des Irak besetzt worden? Oder hätte man das Land sich selbst überlassen wie Libyen nach den NATO-Luftattacken 2011?
Die acht Jahre währende Besatzungszeit der Amerikaner im Irak waren keine Empfehlung. Eher das Gegenteil, ein Alptraum. Also ist die Frage legitim, wer hätte in Syrien von einem nach der Intervention denkbaren Machtvakuum profitiert? Vermutlich doch die radikalisierten Kombattanten aus dem Lager der sunnitischen Gegenspieler des Baath-Regimes, aus dem sich jetzt größteneils Milizen des IS rekrutieren. Wer massiv interveniert, um in Syrien eine Kriegspartei auszuschalten oder extrem zu schwächen, muss politisch nachsorgen oder hinterlässt Gewalt und Chaos wie in Libyen oder Teilen des Irak.
Letzteres ist nebenbei gesagt eine Erklärung – nicht die alleinige dafür –, dass Barack Obama oder auch Francois Hollande nich an Bodentruppen denken.
Bittere Lehren
Das heißt in der Konsequenz, ob der syrische Präsident politisch überlebt oder nicht, ob er eine Übergangsregierung mit der gemäßigten Opposition bildet oder nicht, ob er sie führt oder nicht, danach abtritt oder nicht – wird sich weisen. Entscheidender ist die Frage, ob der syrischen Staat überlebt oder nicht, egal wie viel Territorium er verloren hat.
Bei diesem Staat handelt es sich immerhin um das einzig säkulare Staatswesen im Nahen Osten. Nichts kann eine bessere Gewähr gegen das Vordringen der Kalifats-Ideologie des IS sein als ein Staatsverständnis, das sich religiöser Zurichtung entzieht, wie es regionalem Zeitgeist entspricht. Und es ist unbestritten eine der klarsten und bittersten Lehren, die sich aus dem amerikanischen Besatzungsregime im Irak zwischen 2003 und 2011 ziehen lässt, dass es eine krasse Fehlentscheidung war, den Staatenapparat und die Nationalarmee zu zerschlagen. Die seinerzeit ausgegrenzten sunnitischen Kader und Eliten bilden heute teilweise das personelle Rückgrat des IS.
Auf Syrien übertragen heißt das, noch ist es „nur“ ein Dilemma, dass sich die USA und andere westliche Mächte wie Großbritannien und Frankreich (aber auch Deutschland) der illusionären Vorstellung hingeben, den IS zu schlagen und Assad zu stürzen, das sei nicht voneinander zu trennen. Da müsse man sich treu bleiben.
Man kann den Dschihadisten nicht besser helfen, als sich solcher Schizophrenie hinzugeben. Wer den IS bekämpft, kommt um eine Zweckpartnerschaft mit dem Iran im Irak nicht herum. Gleiches gilt für potenzielle Alliierte in Syrien, zum Beispiel die kurdische Militanz und den syrischen Reststaat im Raum Damaskus, Homs und dem alawitischen Kernland.
Kommentare 17
sehr wahr!
>DER WESTEN MIT SEINER AUßENPOLITIK IST UNBELEHRBAR<
"Wer den IS bekämpft, kommt um eine Zweckpartnerschaft mit dem Iran im Irak nicht herum. Gleiches gilt für potenzielle Alliierte in Syrien, zum Beispiel die kurdische Militanz und den syrischen Reststaat im Raum Damaskus, Homs und dem alawitischen Kernland."
Leider wird daraus nichts werden. Solange die Golfstaaten und die Saudis Antreiber von IS sind und bleiben, solange wird es auch so weiter gehen bis jetzt. Nicht zu vergessen die unselige Rolle der Türkei in diesem Konflikt.
Wir werden von diesem Konflikt auf keinen Fall verschont bleiben. Die aktuelle Flüchtlingsstrom in Richtung Westeuropa wird dafür sorgen, dass die vorhandene Demokratien in diesen Ländern nach rechts rücken, die europäische Idee der Zukunft wird weiter an Rückhalt verlieren und die Integration von all dieser Menschen, die zu uns unterwegs sind, wird uns vor große Problemen stellen.
Insgesamt kann man mit Fug und Recht sagen, dass der Westen hier die Rechnung für seine fatale Außenpolitik bekommt und zwar in Form von Menschen, die auf langer sicht gesehen, keine Heimat mehr haben bzw. keine bekommen werden.
Der Vortrag von Michael Lüders in Sachen Syrien Und IS.
https://www.youtube.com/watch?v=6oZgl3drTn4
Ein schmutziger Stellvertreter Krieg, Assad wird gesagt – gemeint ist Putin. NATO Masche! "Insgesamt kann man mit Fug und Recht sagen, dass der Westen hier die Rechnung für seine fatale Außenpolitik bekommt und zwar in Form von Menschen, die auf langer sicht gesehen, keine Heimat mehr haben bzw. keine bekommen werden." (*****)!
Ich hab da was zur Erinnerung:
Der Standard, 7.12.12, 19.36 Uhr:"Islamisten dominieren syrisches Rebellenkommando - Damaskus - Die Aufständischen in Syrien haben sich Insidern zufolge auf ein gemeinsames Kommando im Kampf gegen Präsident Bashar al-Assad verständigt. Bei einem Treffen in der Türkei seien 30 Führungsmitglieder gewählt und auf verschiedene Abschnitte verteilt worden, sagte am Freitag bei einem Treffen in der Türkei ein Delegierter, der namentlich nicht genannt werden wollte. Viele Angehörige der neuen Kommando-Einheit hätten Verbindungen zu islamistischen Gruppen wie den Muslimbrüdern und den Salafisten. An der Zusammenkunft in dem Badeort Antalya nahmen auch Sicherheitsvertreter der USA, Großbritanniens, Frankreichs und der Golfstaaten teil. ..."
"Bei diesem Staat (Syrien) handelt es sich immerhin um das einzig säkulare Staatswesen im Nahen Osten."
Hä? Türkei, Israel, Libanon, Syrien, Ägypten und Irak sind säkulare Staaten (zumindest offiziell).
Zum Thema:
Wer es bisher nicht wahrhaben wollte, dem muss bei dem bündnispolitischen Chaos im Nahen Osten klar werden, dass es nicht um Menschenrechte geht, sondern um Geostrategie und Rohstoffe, insbesondere Öl und Gas. Das betrifft nicht nur den Zugriff auf die Lagerstätten, sondern auch die Transportwege.
Es gibt dabei keine moralischen Bedenken. Für den Hegemon schon gar nicht. Der sieht es nicht als Schizophrenie, alle und jeden gleichzeitig aufzurüsten und zu bekämpfen. Für ihn ist das Realpolitik. Die potenten Gruppen sollen sich mit sich selbst beschäftigen und damit sie das möglichst lange tun, darf keiner die Oberhand gewinnen. Also hier mal bombardieren und da mal Waffen liefern.
Was das Assad Regime betrifft, so haben sich die Geostrategen selber in den Fuß geschossen. Sie begreifen mittlerweile, dass ihnen Assad mehr nutzt. Warum sie ihn eigentlich loswerden wollten weiß doch heute keiner mehr. Syrien war eines der sieben Länder, das nach dem Willen des Triumvirates Cheney, Rumsfeld und Wolfowitz völlig umgekrempelt werden sollte. Warum? Assad sollte weg, um den Iran strategisch zu schwächen. Dabei haben sie die Bedeutung Syriens für den Iran völlig überschätzt.
Und jetzt wissen sie nicht, wie sie eine Kehrtwende, hin zu Assad, den Menschen daheim verkaufen sollen. Nachdem er jahrelang dämonisiert wurde versteht das doch keiner, wenn er plötzlich wieder zum besten Kumpel wird.
So versucht halt der Hegemon das beste draus zu machen, indem er alle gegeneinander ausspielt.
...In Caracas kritisierte ... Venezuelas Präsident Nicolás Maduro das Verhalten der europäischen Mächte. Unter ausdrücklicher Berufung auf Papst Franziskus erklärte er am Montag (Ortszeit) bei einer im Fernsehen übertragenen Kabinettssitzung: »Die Menschheit wird nicht durch ›humanitäre‹ Bombenangriffe gerettet. So haben sie Syrien, Libyen und den Irak zerstört. Die Menschheit wird nicht durch die Terroristen gerettet, die von der imperialen Macht des Planeten dort eingeführt wurden. Die Menschheit kann nur durch die Solidarität gerettet werden.« Die Terroristen seien unterstützt worden, um den syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad zu stürzen. »Dasselbe haben sie im Irak und in Libyen getan – und wie sieht der Irak heute aus? Wie sieht es in Libyen aus?« Dagegen habe Venezuela, das derzeit als nicht ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat vertreten ist, seinen dortigen Botschafter Rafael Ramírez beauftragt, »zusammen mit den Großen der Welt« einen Friedensplan für Syrien auszuarbeiten. Bei dessen Umsetzung müsse Assad mit am Tisch sitzen. Maduro kündigte zudem die Aufnahme von 20.000 Flüchtlingen aus Syrien an. Diese sollten mit Hilfe der großen arabischen Gemeinde in der Bolivarischen Republik integriert werden...
https://www.jungewelt.de/2015/09-09/053.php
IS Syrien Todenhöfer: „Die USA haben Chaos angerichtet ... www.fr-online.de › Frankfurter Rundschau › Kultur › Literatur
Völlig abwegig ist Hollandes Begründung, die Luftangriffe seien auch eine Reaktion auf die Flüchtlinsströme.
Nato plant Angriff auf Russland - Abendzeitung Münchenwww.abendzeitung-muenchen.de › Politik
... und wir sind auch NATO! Sind "wir" wirlich so blöde?
wirklich - sorry -!
Der Frieden ist in sehr weiter Ferne, solange sich die "IS" von Mossul bis Palmyra, wenns richtig schlecht läuft von Damskus bis Bagdad ausbreiten. Nahezu alle Staaten werden ein großes Interesse haben, ein zweites Taliban-Afganistan zu bekämpfen, nicht nur die USA. Bei Erdogan weiß ich nicht genau, wie fasziniert er von einem wahnsinnig imaginierten mittelalterlichen Kalifenstaat ist, aber die Türkei wird sich sicher nicht mit USA, Europa und Russland anlegen. Kienzle meinte letztens, der Krieg müsse sich ausbluten und das würde noch Jahre dauern. Sowohl die Flüchtlinge als auch der Einsatz Russlands in Syrien interpretiere ich als Zeichen dieses "Ausblutens".
Die Außenpolitik Europas steht vor einem Scherbenhaufen, denn die Politik des Ausblutens ist eine des industriell-militärischen Komplexes. Wieder einmal mehr zeigt Merkel hier ihr Patenmuttigesicht. Ich bin kein Freund Assads und ich weiß, dass viele Syrer ihn hassen. Dabei wäre die Lösung schon vor Jahren gewesen, von der UN kontrollierte Wahlen mit Blauhelmen unter Beteiligung Assads (oder seiner Partei) abzuhalten. Assad war und ist Minderheit in Syrien, warum den zum zum Anlaß nehmen Syrien einer regionalen Apokalypse zu unterwerfen, der jahrzehntelang von allen akzeptiert war? Ist das wirklich das Interesse Deutschlands und Europas oder ist es das Interesse der USA (Rache für 9/11, Putins Interessen negieren) und des miliärisch-industriellen Komplexes auf der von Syrien gesehen anderen Seite der Welt.
Europa möchte nicht noch mehr Flüchtlinge. Deshalb hat der Kontinent überhaupt kein Interesse an einem plötzlichen Sturz Assads, was sicherlich eine weitere Vertreibungswelle auslösen wird. Wird sich Europa wieder den Interessen der USA und des militärisch-industriellen Komplexes unterwerfen?
"Wird sich Europa wieder den Interessen der USA und des militärisch-industriellen Komplexes unterwerfen?" JA!
Assad sollte unterstütz werden und wie im Ukraine Konflikt - ohne Russland wird das nichts!
@ A-Deiport.
Du hast völlig recht! Leider muss man mM nach aber ergänzen: Nicht wir bezahlen die Rechnung, sondern die vielen flüchtenden Zivilisten. Was meinst du?
Das ist nicht nur abwegig sondern auch dumm.
Die Nato plant Angriff auf Rußland ? Dazu hätte ich jetzt keine Zeitung gebraucht, in Verbindung mit der Aussage, daß wir auch NATO sind, müßte $80StGB den Staatsanwalt auf den Plan rufen, tut er seinen Job wieder nicht (wie der US Kollege bei der 9 11 conspiracy, $317) ?
Der Schaden des Nachbarn kann der eigene Vorteil sein, beim DDR braindrain hat's so funktioniert
Libyen ist mit Migration nicht mehr zu schaden, aber 200mrd libysches Guthaben und 2000Tanken und 3 Raffinerien in EU sind auch nicht der Schaden der Agressoren