Kapituliert endlich!

Atomabkommen Die Botschaft von Heiko Maas' Iran-Besuch ist eindeutig
Ausgabe 24/2019
Nicht auf Teheran, sondern auf Washington sollte Druck ausgeübt werden
Nicht auf Teheran, sondern auf Washington sollte Druck ausgeübt werden

Foto: Atta Kenare/AFP/Getty Images

Man kann das Atomabkommen auch durch Diplomatie zum Abschuss freigeben. Jedenfalls, wenn sie so angelegt ist wie die Iran-Mission von Außenminister Maas vor Tagen. Was sich nach dessen Sondierungen herauskristallisiert, ist eine an die Führung in Teheran gerichtete Erwartung: Erkennt die destruktive Manie eurer Feinde ebenso an wie unseren Willen zur Ohnmacht! Verzichtet auf den Nuklearvertrag in seiner 2015 geschlossenen Form! Lasst ihn durch ein Agreement ersetzen, dass der Trump-Administration entgegenkommt durch die aufgestockte Laufzeit eines neuen Abkommens und die Verlängerung der euch so auferlegten atomaren Abstinenz! Schwört einer interessenbezogenen Regionalpolitik ab, die wir natürlich bei Saudi-Arabien voll und ganz respektieren und durch unsere Waffenverkäufe – hoffentlich wirksam – unterstützen! Fügt euch in das Unvermeidliche und kapituliert!

Darauf läuft hinaus, was Minister Maas nach seinen Gesprächen mit Präsident Rohani und Außenminister Sarif so formuliert hat: „Eine Diskussion ‚less for less‘ (weniger für weniger) ist keine, zu der wir bereit sind.“ Womit gemeint ist, aus deutscher Sicht darf der Iran nicht Teile des Atomvertrages aufgeben, wenn die USA das ganze Abkommen kündigen. Das ernsthaft zu verlangen, ist realpolitisch abwegig, genau genommen eine Zumutung. Es hilft, eine Weltordnung zu demontieren, in der Recht noch etwas gilt, und transportiert als Botschaft: Wer wie US-Präsident Trump Verträge bricht, wird mit Unterwerfung des Vertragspartners belohnt. Dessen Vertragstreue hingegen hat es verdient, bestraft zu werden.

Nicht auf Teheran, sondern Washington sollte Druck ausgeübt werden. Dazu freilich fehlen Deutschland – wie der Europäischen Union überhaupt – der Mut und die Fähigkeit. Was schon daran zu erkennen ist, dass die seit einem Jahr versprochene Installation des alternativen Finanzsystems INSTEX nicht zustande kommt. Es soll Folgen des US-Wirtschaftskrieges kompensieren, indem der Zahlungsverkehr für einen durch den Nukleardeal legalisierten, für den Iran existenziell notwendigen Handel aufrechterhalten bleibt. Schließlich exponiert sich keine Privatbank mehr, wenn schon bei minimalem Engagement US-Sanktionen winken. Insofern ist das, vorsichtig ausgedrückt, passive Abwarten der EU-Atomvertragsstaaten Frankreich, Großbritannien und Deutschland Zeichen genug. Sie geben vor, das Abkommen retten zu wollen, aber durch ihr Verhalten zu verstehen, es in Wirklichkeit für gescheitert zu halten. Müssten sie sonst nicht mehr tun, um dem Iran in seiner prekären Lage entscheidend zu helfen?

Wer den Eindruck erweckt, es werde auf diplomatischem Wege „alles Mögliche“ unternommen, provoziert den Hinweis: Das „Mögliche“ kann in diesem Fall nicht „das Nötige“ sein, so sehr der Teheran-Trip von Heiko Maas auch die Illusion nährt, es sei anders. Tatsächlich geht es ihm um präventive Schadensbegrenzung für den Kriegsfall, der jedoch nicht unausweichlich eintreten muss. Die USA und Israel werden sich genau überlegen, was sie riskieren, wenn sie sich auf eine solche Eskalation einlassen. Einer Entscheidung soll noch im Juni eine in dieser Form einmalige trilaterale Begegnung vorgeschaltet sein. In Jerusalem treffen sich die Nationalen Sicherheitsberater der USA, Russlands und Israels. Noch nie kamen derart hochkarätige Gesandte jener drei Staaten zusammen, um über den Umgang mit dem Iran zu debattieren.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

Lutz Herden

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