Simbabwes Oppositionsführer Morgan Tsvangirai hat sich zu Wochenbeginn aus der Stichwahl um die Präsidentschaft seines Landes zurückgezogen. Amtsinhaber Mugabe kann so an diesem 27. Juni mit einem unangefochtenen Triumph rechnen, nachdem er im ersten Wahlgang noch hinter Tsvangirai gelegen hatte.
Es ist einer jenen Augenblicke, in denen Menschen dazu aufgefordert scheinen, sich selbst zu vergessen, ihr Vorleben zu verdrängen, ihr Selbstverständnis zu ignorieren, aus sich selbst auszusteigen. Aber es wird einer jener Augenblicke, in denen die Vernunft der Logik unterliegt, und ein Politiker wie Robert Mugabe nur tun will, was er nicht anders tun kann. Als am 19. Juni Südafrikas Präsident Thabo Mbeki mit Mugabe zwei Stunden in Bulawayo im Süden Simbabwes konferiert, kommt das einem letzten Versuch gleich, Simbabwes Flug in die Flamme aufzuhalten. Mbeki verlangt keine Kapitulation, sondern den Verzicht auf die Stichwahl am 27.Juni - keine Machtübernahme an die Bewegung für Demokratischen Wandel (MDC) und ihren Führer Morgan Tsvangirai, sondern Gespräche über eine geteilte Macht. Warum sollte man keine Regierung der nationalen Einheit bilden?, fragt Mbeki nach dem Gespräch vor Journalisten. Was auch heißt: Warum sollte es nicht möglich sein, zu dem zurückzukehren, was vor Monaten schon einmal zwischen der regierenden ZANU-PF und der opponierenden MDC auf dem neutralen Boden Südafrikas verhandelt wurde, als der Wille zum Ausgleich spürbar und eine Koalitionsregierung greifbar schien?
Sondierungen ohne Ergebnis freilich. Eine Regierung mit oder ohne Robert Mugabe? - hatten die ZANU-Emissäre MDC-Generalsekretär Tendai Biti bei diesen Treffen immer wieder gefragt und stets die gleiche Antwort erhalten. Ohne Mugabe! Wenn er nicht geht, verliert der MDC sein Gesicht. Irgendwann standen die ZANU-Leute auf und verschwanden.
In Simbabwe werden Tendai Biti derartige Geheimgespräche inzwischen als Hochverrat ausgelegt. Er sitzt im Gefängnis, muss aber wohl nach Morgan Tsvangirais Rückzug nicht mehr mit dem Schlimmsten rechnen. Es sei denn, Robert Mugabe will ein Exempel statuieren, doch würde ein Prozesse eben auch offenbaren, dass und wie in Südafrika über sein politisches Schicksal verhandelt wurde - mit dem Wissen der dortigen Regierung.
Mbekis stoischer Gleichmut
Doch zurück nach Bulawayo. Wie nicht anders zu erwarten, beschwört Thabo Mbeki an jenem 19. Juni Simbabwes Präsidenten vergeblich, die Stichwahl abzublasen und mit Morgan Tsvangirai zu verhandeln, der dazu bereit wäre. Mbeki nimmt Mugabes Verweigerung mit stoischem Gleichmut zur Kenntnis, er wirkt weder überrascht noch enttäuscht. Hat seine Moderation der simbabwischen Staatskrise damit endgültig einen toten Punkt erreicht? Das Gegenteil ist der Fall.
Als Südafrika 2007 das Verhandlungsmandat seiner Partner in der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC*) übernimmt, gilt für diese Mission von Anfang an ein Axiom - was in Simbabwe geschieht, darf Südafrika nicht schaden. Die "stille Diplomatie" muss still und gegen fremde Einmischung geschützt sein. Sie muss der Reputation einer Regionalmacht dienen, die sich den Paradigmen einer selbstbewussten afrikanischen Außenpolitik verpflichtet fühlt - also Mugabe nicht demontieren wird, schon gar nicht auf Druck der USA, der EU oder des UN-Generalsekretärs. Es muss vermieden werden, dass aus den drei Millionen simbabwischen Flüchtlingen, die in Südafrika Zuflucht gefunden haben, vier oder fünf Millionen werden. Simbabwe darf keinen Absturz in Bürgerkrieg, Chaos und Anarchie erleben, weil davon die gesamte Region des südlichen Afrika - möglicherweise auch die Fußball-WM 2010 - in Mitleidenschaft gezogen wäre. Die wirtschaftlichen Schäden, die Südafrika als mit Abstand größter Handelspartner Simbabwes seit Jahren zu verkraften hat, müssen eingedämmt werden.
Derzeit garantiert Robert Mugabe davon so gut wie nichts, Moran Tsvangirai aber noch weniger und das aus einem entscheidenden Grund - er kann Simbabwe nicht befrieden. Ihm fehlen dazu auch der Beistand und das Vertrauen der Frontstaaten Sambia, Mosambik, Botswana und Südafrika. Die ZANU-PF und mit ihr die Veteranen des Befreiungskampfes gegen Ian Smith und die britische Kolonialmacht haben in den vergangenen Tagen so entschlossen wie selten zuvor zu verstehen gegeben: Wir treten niemals kampflos ab, was das Votum vom 27. Juni auch immer ergeben mag. Beredte Anzeichen dafür, dass sich die Kraftprobe in einem Blutvergießen zu entladen droht, bei dem die "Patrioten" der ZANU-PF den "Verrätern" der MDC nichts schenken.
Thabo Mbeki kann unter diesen Umständen Tsvangirais Verzicht auf den Griff nach der Präsidentschaft nur mit Erleichterung quittieren, wenn er diese Abdankung nicht ohnehin selbst herbeigeführt hat, um die heraufziehende Bartholomäus-Nacht in letzter Minute abzuwenden.
Tsvangireis kapitaler Fehler
Die SADC-Mission für Südafrika bleibt vorerst bestehen, ihre Risiken sind beachtlich, die internen Kollateralschäden für Thabo Mbeki auch. Sein härtester Rivale Jakob Zuma - im Dezember 2007 mit einer für Mbeki niederschmetternden Mehrheit zum ANC-Vorsitzenden gewählt - war die "stille Diplomatie" gegenüber Mugabe immer zu still. Es werde zu konziliant mit den Elefanten in Harare umgegangen, lautete sein Vorwurf. Als sich in Simbabwe nach dem ersten Wahlgang am 29. März die Stimmenauszählung verzögert, tut Zuma, was Mbeki bis dahin abgelehnt hat: Er spricht direkt mit Tsvangirei und moniert die Verschleppungstour der simbabwischen Wahlkommissare. Ein gezielter Affront, hat doch Thabo Mbeki Harare gerade ein Leumundszeugnis aller erster Güte ausgestellt: Robert Mugabe regiere kein Land, das von einer schwelenden Krise überschattet sei.
Bevor sich die ANC-Führung über diesen Ritterschlag ins Benehmen setzen kann, unterläuft Tsvangirei ein kapitaler Fehler: Er fordert Mbeki dazu auf, sein Verhandlungsmandat an die SDAC zurückzugeben, da ihm objektive Urteile offenkundig schwer fielen. Der redselige Machtaspirant hätte nichts Wirkungsvolleres tun können, um den Afrikanischen Nationalkongress hinter Mbeki zu scharen. Nun geht es nicht mehr um die demokratische Konstitution Simbabwes, sondern das Prestige Südafrikas. Dessen Präsident darf eine diplomatische Mission nicht deshalb abbrechen, weil das ein fremder Oppositionspolitiker verlangt, der auftrumpft und ohne Regierungsmandat daher kommt. Eine Regionalmacht fühlt sich brüskiert und mahnt Tsvangirei, sich zu mäßigen.
Ein symptomatischer Vorgang? Gewiss kann der "Gigant des Kontinents" heute nicht mehr mit dem staatsmännischen Naturell Mandelas brillieren und sieht sich - vielleicht öfter als ihm lieb ist - auf das grobe Raster eines autoritären Pragmatismus zurückgeworfen. Einer kontinentalen Führungsmacht kann das nicht erspart bleiben, zumal einer, die durch Afrikas Interessenschlick unterwegs ist. So wurde die simbabwische Krise provisorisch eingedämmt, bevor sie sich zur Katastrophe auswachsen konnte. Europäische Politiker mögen das degoutant finden - in Simbabwe rettet es Menschenleben, doch sicher ist das keineswegs.
(*) Der Southern African Development Community (SDAC) gehören an: Angola, Botswana, Lesotho, Namibia, Swasiland, Simbabwe, Sambia, Madagaskar, Mosambik, Malawi, Tansania, DR Kongo (Kinshasa), Mauritius, die Seychellen und Südafrika.
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