Leichtes Gepäck für Pittsburgh

Finanzkrise Die EU wollte beim G20-Gipfel Ende September für einen Kurswechsel bei Bonuszahlungen für Banker sorgen, doch sie findet dazu keinen Konsens in den eigenen Reihen

Finanzminister Steinbrück wirft rhetorische Nebelkerzen, wenn er von „Leitplanken“ für die Banken und den Finanzsektor redet, die es künftig geben werde – als Konsequenz der Weltfinanzkrise. Das Treffen der EU-Wirtschafts- und Finanzminister in Brüssel zeugt eher vom Gegenteil. Dass die sich nicht auf limitierte Bonuszahlungen im Bankensektor verständigen konnten, spricht Bände. Ein Triumph Großbritanniens. Finanzminister Alistair Darling hat verhindert, dass die führenden EU-Staaten Deutschand, Frankreich, Italien und Großbritannien bei diesem heiklen Thema im Konsens beim G 20-Gipfel Ende September in Pittsburgh auftreten werden. Es gilt eher ein anglo-amerikanischer als ein europäischer Schulterschluss. Da sich Amerikaner und Briten bei den Stimulanzien der Branche – den besagten Gratifikationen für die Gladiatoren der Spekulation – seit jeher einig sind, kann davon niemand wirklich überrascht sein. Der schwedische Finanzminister Anders Borg ist zu Recht der Ansicht, das die Bonus-Kultur zu einem Ende kommen muss. Er wirft den Bankern vor: "Sie feiern wie 1999, dabei haben wir schon 2009." Beeindrucken wird er sie damit nicht.

Macht des Ratings

Doch blieb die Ministerrunde in Brüssel leider mehr schuldig als das Veto der 27 gegen millionenschwere Sonderzahlungen für Bankmanager. Es fehlt weiterhin jeder Ansatz, die Macht der Rating-Agenturen zu beschneiden, geschweige denn zu brechen. Wenn sich nationale Börsenaufsichten in der EU nicht mehr an deren Urteil beim Ranking von Wertpapieren halten, versteht sich das nach den krassen Fehleinschätzungen in der jüngsten Vergangenheit von selbst. Es muss kein Prophet sein, wer annimmt, dass die Macht dieser Auguren wächst, wenn Kurse und Kauflust der Anleger wieder wachsen. Schließlich, wie viel Eigenkapital müssen Banken künftig aufbringen, wenn sie riskante Wertpapiere verkaufen oder riskante Kredite an erkennbar nicht bonitäre Klienten ausreichen? Wie viel von damit verbundenen Forderungen müssen sie selbst durch Eigenkapital im Portfolio halten? Hier versuchen die europäischen Finanzminister gar nicht erst, so etwas Ähnliches wie Steinbrücks Leitplanken zu zimmern, weil sie wissen, dass ihnen auch hier die Briten, vor allem aber Bankerlobby im eigenen Land das Werkzeug aus der Hand schlagen.

Ausverkauf der Politik

Die Großbanken haben sowieso das Heft des Handelns längst wieder in der Hand. Sie haben es genau genommen nie aus der Hand gegeben. Ihnen ist deshalb ein Coup gelungen, dessen Dimension einen Begriff wie „Präzedenzfall“ wahrlich verdient. Es wurde der Nachweis erbracht, dass private Finanzinstitute mit öffentlichen Mitteln nicht nur gerettet werden können, sondern müssen. Wer über die Konditionen entscheidet, unter denen das geschieht, wurde bei dieser Gelegenheit gleichfalls geklärt. Auch wenn der Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Crash des Hypthekenfinanziereres Hypo Real Estate wegen der Blockade der Großkoalitionäre Union und SPD nicht viel untersuchen durfte – dieses Fazit bleibt. Es musste sich regelrecht aufdrängen, als Finanzminister Steinbrück, sein Staatssekretär Jörg Asmussen oder Jochen Sanio, dem Präsidenten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), in diesem Gremium gehört wurden. Der Staat wurde zum Mündel der Banken degradiert. Ein Ausverkauf der Politik, der nichts anderes ist als ein totaler Ausverkauf der Demokatie.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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