Tatsachen können wie Dominosteine sein, die zueinander passen, weil die eine aus der anderen folgt und daraus komplexe Tatbestände werden. In der Politik offenbaren solche Kausalitäten in der Regel eine Logik, der zu entnehmen ist, warum bestimmte Akteure wie handeln. Etwa Energiekonzerne aus Deutschland und Russland, die plötzlich wieder mehr vereint als trennt. Sogar der Begriff „gemeinsame Leuchtturmprojekte“ wird auf deutscher Seite gebraucht, wenn Unternehmen wie BASF und Eon beim Nord-Stream-2-Projekt einsteigen.
Das Pipeline-Konsortium will binnen kurzer Zeit zwei weitere Ostsee-Gasleitungen als Ost-West-Trassen bauen und kann auf hochkarätige Gesellschafter zählen. Russlands Gazprom hält 51 Prozent der Anteile, doch kaufen sich auch europäische Energieversorger ein. Außer BASF und Eon sind das der österreichische OMV-Konzern und der französische Player Engie. Sie exponieren sich aus nachvollziehbaren Gründen, durch die Röhren im Meer sollen pro Jahr 55 Milliarden Kubikmeter Gas gepumpt werden, was – verglichen mit jetzigem Transfer – ein Plus von 100 Prozent wäre. Wenn an diesem Geschäft derart renommierte Firmen beteiligt sind, dürfte es für die avisierte Liefermenge nach Westeuropa gewinnbringenden Absatz geben.
Aus diesen Tatsachen folgt als Tatbestand, dass die Abhängigkeit vieler EU-Staaten von russischem Erdgas nicht nur festgeschrieben, sondern größer wird. Daran hat Gazprom ein Interesse – davon wollen alle Beteiligten profitieren. Was wiederum dazu führt, dass die Energieversorger eine Bresche in die Sanktionsfronten schlagen, auf dass die Energiepartnerschaft mit Russland nicht weiter Schaden nehme. Kein nur pragmatischer Deal, sondern ein vom politischen Motiv grundierter, wie Eckhard Cordes, Vorsitzender des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft, mitteilt. Niemand habe Interesse an einer Eskalation der Lage. Deshalb dürfe auch BASF Bedenken zurückstellen, „das Primat der Wirtschaft wieder nach vorn schieben und eine sinnvolle Transaktion abschließen“.
Ukraine-Transit minimiert
Um bei der Dominotheorie zu bleiben, sei auf den Nebeneffekt verwiesen. Je mehr Gas durch die Ostsee strömt, desto weniger kann in der Ukraine verloren gehen. Will heißen, das „Leuchtturmprojekt“ entzieht einem Transitland gern genutztes Druckpotenzial. Seit der Orangenen Revolution von 2004 haben Regierungen in Kiew beim Preispoker mit Gazprom zuweilen ein Junktim bemüht: fallende Preise gegen freie Trassen. Wenn Gazprom auf Nord-Stream-2 ausweichen kann, wird solcher Drohkulisse der Boden entzogen. Noch im August 2014 wollte der Kiewer Premier Arsenij Jazenjuk den russischen Gasexport nach Westeuropa unterbinden und zum Handelskrieg gegen Moskau übergehen.
Gemessen daran ist das jetzige Agreement ein Entspannungssignal. Schwer zu sagen, ob die Politik dazu ermuntert hat oder die Partner entschlossen waren, den Sanktionsanhängern im Westen zu zeigen, wo sie vor Geschäftsinteressen kapitulieren müssen. Schließlich hat die EU noch im Juni ihre Russland-Sanktionen um sechs Monate verlängert. Zu Zeiten des Ost-West-Konflikts galt der Handel als „Materialisierung“ einer Koexistenz zwischen den Blöcken. Er zivilisierte nicht nur den Systemwettbewerb, sondern machte ihn beherrschbar, weil Eskalationsrisiken Geschäftsinteressen auf beiden Seiten berührten. BASF und Gazprom können dieser Logik wohl etwas abgewinnen.
Kommentare 18
Der Vorgang verweist auch auf Friktionen innerhalb des deutschen Kapitals und dessen politische Lakaien, denn wie kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel 2014 an: "... Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat nun eine Reduzierung der Abhängigkeit von russischen Energielieferungen gefordert. "Es wird eine neue Betrachtung der gesamten Energiepolitik geben", sagte sie nach einem Gespräch mit dem kanadischen Premierminister Stephen Harper. ..." (T-Online, 27.3.14)
Diese Kanzlerindarstellerin ist anscheinend immer wieder hin- und hergerissen zwischenen ihren Aufgaben als Sachwalterin der US-Interessen hierzulande und in EUropa und als Sachwalterin der Interessen des deutschen Kapitals. Ihre Prioritäten, die sie setzt, sprechen für sich, finde ich.
offene optionen,mögliches bitte ankreuzen,evtl.ergänzen.
wie kommt putin merkel entgegen?
1.putin macht bedeutende zugeständnisse im ukraine/krim-streit.
2.der bnd hat ausnahmsweise glaubhafte erkenntnisse,daß das putin-regime bald zusammenbricht und durch eine eu-freundliche nomenklatura ersetzt wird(darauf muß die koalition ohne gesichtsverlust bauen können).
3.gerhard schröder hat merkel/den christ-demokraten eine schenkung vermittelt.
4.das pipeline-konsortium hat merkel/den christ-demokraten eine namenlose zuwendung vermittelt.
5.eine ausfall-bürgschaft des bundes für diesen deal besteht offiziell nicht, trotzdem wird der steuerzahler wiedermal einspringen,um einem system-relevanten global-player aus der bredouille zu helfen.
6.stimmt alles,aber nur zum teil.
Ihre Beobachtung, dass die Kanzlerin " immer wieder hin- und hergerissen sei zwischenen ihren Aufgaben als Sachwalterin der US-Interessen hierzulande und in EUropa" ist zuzustimmen. Die Frage, wo die Ursache dafür liegen könnte, kann leider niemand mit Gewißheit beantworten.
In diesem Zusammenhang schrieb ich am 13.7.d.J zu einem Beitrag von Aussie42 folgendes:
" VAUSTEIN 13.07.2015 | 16:14
Seit langem grüble ich darüber, welche Mittel die USA besitzen und anwenden, um unsere Kanzlerin dahin zu bringen, wo sie glauben, sie hinbringen zu müssen. Meine Vermutung ist, es könne, ja müsse, etwas zu tun haben mit der sog. Rosenholz-Datei.https://de.wikipedia.org/wiki/Rosenholz-Dateien
Gibt man die Stichworte Rosenholz-Datei und Angela Merkel ein, erhält man als Ergebnis wilde Vermutungen und garantiert auch viel Zusammengelogenes. Nichtsdestotrotz gehe ich davon aus, dass die USA über Informationen verfügen, die es ihnen ermöglicht, erheblichen Druck auf die Kanzlerin auszuüben."
Diese Frage stellt sich m.E. immer mehr, je öfter sich Widersprüchlichkeiten bei der Argumentation der Kanzlerin bemerkbar machen.
tja, Atomkraft darf es nicht mehr sein, Öl darf es nicht mehr sein und alternative Energien sind nicht winterheizfähig. Sollen wir wieder Holz verheizen?
Das gefällt aber einigen so gar nicht
https://uk.finance.yahoo.com/news/ukraine-gas-bypass-deal-betrayal-131953292.html
Jaz möchte, dass die EU das Projekt blockiert
http://www.kyivpost.com/content/ukraine/yatsenyuk-urges-european-commission-to-block-nord-stream-ii-project-397591.html
Hat die Kommission ein Mitspracherecht?
Dass Jaztheman & Fico im Karree springen, ist äußerst amüsant…;-)
Hat die Kommission ein Mitspracherecht?
Offensichtlich schon. Immerhin wurde South Stream von ihr erfolgreich torpediert. Damals hieß es:
In Brüssel gab es Zweifel, ob die Bauaufträge im Einklang mit dem EU-Recht vergeben worden waren. Der russische Konzern Gazprom kontrolliert nämlich 50 Prozent des gesamten geplanten South-Stream-Netzes, darunter die ganze Rohrleitung in Bulgarien. Das verstößt gegen das sogenannte dritte Energie-Paket der EU: Ein Kernpunkt ist hier die Forderung, die Produktion von Erdgas vom Transport und von der Versorgung von Verbrauchern abzukoppeln, um den Wettbewerb nicht zu verzerren._ s. hier & hier
Diese Auflagen scheinen für North Stream nicht zu gelten. Einige EU-Länder sind eben ´gleicher´ als andere…
"Es wird eine neue Betrachtung der gesamten Energiepolitik geben",…
Das gilt doch nur für die anderen Länder in Europa, insbesondere denen, die nicht vom Gasgeschäft profitieren sollen bzw. eine gewisse Unabhängigkeit aufbauen können…
Diese Kanzlerindarstellerin ist anscheinend immer wieder hin- und hergerissen zwischenen ihren Aufgaben als Sachwalterin der US-Interessen hierzulande und in EUropa und als Sachwalterin der Interessen des deutschen Kapitals. Ihre Prioritäten, die sie setzt, sprechen für sich, finde ich.
Das ist eben auch nicht so einfach…;-)
Ihre Prioritäten, die sie setzt, sprechen für sich, finde ich.
Na klar _ doch im Vergleich dazu sind die Prioritäten der US-Vasallen in Sofia einfach nur dämlich. Korruption spielt dort sicherlich auch eine Rolle.
@hans springstein: Bestimmt wird uns Merkelversteherin Magda die Haltung unserer heissgeliebten Kanzlerin erklären...
@vaustein: Vielleicht ist Kanzlerins Verhalten generell mit der "Kanzlerakte" zu erklären.
Sollen wir wieder Holz verheizen?
In dem Artikel geht es zwar mehr um die Frage, _wessen_ Öl und Gas wir verheizen, aber die von Dir aufgeworfene grundsätzlichere Frage ist wohl für den Erhalt der ökologischen Nische lebenswichtig, in der sich der Mensch bewegt.
Wenn man den Energieverbrauch nur als ein Bereitstellungsproblem betrachtet (wie können wir einen sehr hohen und ggf. noch steigenden Bedarf decken), dann kann das mit regenerative Energien nicht gelöst werden. Es ist aber m.E. in erster Linie ein Verbrauchsproblem, d.h. die Frage muss sein, wie der Verbrauch gesenkt werden kann, nicht wie der Bedarf gedeckt werden kann. Das steht natürlich im Widerspruch zur allseitigen politischen Forderung nach wirtschaftlichem Wachstum.
Die Optimisten pflegen darauf zu sagen, das werde der Markt schon richten: wenn Öl teurer wird, würde es automatisch wirtschaftlicher, weniger Energie zu verbrauchen. Leider wirkt aber ein anderer Effekt ebenfalls: ein höherer Ölpreis macht teure und besonders schädliche Fördermethoden wirtschaftlich und führt so erst mal nicht zu weniger Verbrauch, sondern zu mehr Bereitstellung.
Was die untere Grenze des Energieverbrauchs z.B. in D ist, wäre interessant zu wissen. Das von Dir erwähnte Heizen ist wohl nicht verzichtbar, wenn auch vermutlich in gewissem Umfang einschränkbar. Aus Neugier habe ich mal eine kleine Überschlagsrechnung gemacht: Laut Tabelle 5 _dieser Broschüre des BMWI_ entfielen im Jahr 2010 (563+1043)/(3367+2417) = 27,77% des Öl/Gas-Verbrauchs auf die Privathaushalte. Laut _diesem Artikel_ entfällt davon etwa die Hälfte aufs Heizen, das sind also knapp 14% des Gesamtverbrauchs.
In dem Artikel geht es zwar mehr um die Frage, _wessen_ Öl und Gas wir verheizen
Das mag so sein, allerdings ändert das nichts an dem Sachverhalt, dass wir !irgendetwas! verheizen müssen. Und selbst, wenn wir diesen Anteil noch so charmant klein rechnen, ist die Winterheizung der Sachverhalt, bei dem der Ausfall der Versorgung vom größten Teil der Bevölkerung am unmittelbarsten bemerkt und zu Unruhen führen würde.
Da wir es dank freundlicher Unterstützung durch grüne Politik nicht mehr schaffen, diese Versorgung aus eigenen Ressourcen sicherzustellen, müssen wir also !irgendjemandes! Öl oder Gas verheizen. Und somit bleibt meine eigentliche Frage zum Thema dieses Blogs nach wie vor bestehen, die da lautet: Na und? Verheizen wir halt weiter irgendwelches Öl und Gas.
Sollten Sie diesen wenigen Äußerungen entnehmen, dass ich kein Freund der Energiewende und kein Anhänger der grünen Umerziehung der Bevölkerung bin, haben Sie das korrekt erfasst. Ich fasse die Energiewende nach wie vor als die größte Idiotie auf, die dieser Staat sich in seiner bisherigen, wahrlich nicht idiotiearmen Geschichte geleistet hat.
Kleine Korrektur der Milchjungenrechnung: die 52% fürs Heizen beziehen sich auf den Anteil am Gesamtenerhieverbrauch der Haushalte. Der Heizanteil des Energieverbrauchs in D entspricht also ungefähr
0.52*(563+1043+54+510+317+189)/(3367+2417+462+1899+617+548) = 15%
!irgendetwas!
So findet jeder einen Workaround dafür, dass die Formussoftware seit einer Weile um Formatierungen die Leerzeichen verschluckt ;-)
Da wir es dank freundlicher Unterstützung durch grüne Politik nicht mehr schaffen, diese Versorgung aus eigenen Ressourcen sicherzustellen, müssen wir also !irgendjemandes! Öl oder Gas verheizen.
Hm, wurde denn vorher hier kein Öl und Gas verbrannt? Ich dachte das EEG hätte den Ausbau erneuerbarer Energien befördert. Sie denken vermutlich an Uran, aber dazu habe ich hier folgendes gefunden:
Der Uranbedarf deutscher Kernkraftwerke lag im Jahr 2009 bei 3.398 t Natururan.10 Dies sindumgerechnet zwischen 297 t und 517 t angereichertes Uran (je nach Anreicherungsgrad zwischen3% und 5%). Bei einem Import von 897 t bleiben so mindestens 380 t übrig. Das nach Statistiken des eurostat im Jahr 2009 von Deutschland exportierte angereicherte Uran –insgesamt 671 t (vor allem nach Belgien, Frankreich, Schweden und die USA, kleinere Mengen aberauch u.a. nach Brasilien und Südkorea) – entspricht in etwa der maximalen Jahresproduktion Gronaus.
Ich lese daraus, dass auch das Uran importiert wird und das exportierte Uran aufbereitetes Uran ist, das aber deshalb nicht zu !eigenen Ressourcen! wird.
dazu habe ich hier folgendes gefunden:
Argh, da fehlte die Quelle: http://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/uran_deutschland_2009.pdf
Auch Uran ist Importware, das ist richtig (wobei man im Erzgebirge auch mal genauer hinschauen könnte). Nur gäbe es da technische Möglichkeiten, nach Initialkäufen den wesentlichen Anteil der Versorgung über Brutreaktoren laufen zu lassen. Da die aber als noch viel böser zu gelten haben als normale Kernreaktoren, hat man die als erstes eingestampft. Macht nichts^^ wir haben ja unendlich viel Gas und Öl und Braunkohle, und alternative Energieversorger werden es schon richten.
Nein, werden sie nicht, und wissen Sie, warum nicht? Weil der Kapitalismus seine Gier nicht zügeln wird.
Vielleicht schaffen wir es, mit allerlei Flickschustereien das Schlimmste zu verhindern, bis Fusionsreaktoren soweit sind. Drauf wetten würde ich nicht. Worauf ich allerdings jederzeit wetten würde, ist die Angst, die irgendjemand so sicher wie das Amen in der Kirche wieder empfinden wird, so dass deswegen mal wieder alles in die Tonne gekloppt werden muss, was hilfreich sein könnte, um Probleme wirklich zu beheben.
wer wird siegen ? die usa interessen in der ukraine . die vernunft ( sowie so nicht ) , oder die marktinteressen europäischer firmen ?
ich glaube des geld
Da waren doch auch noch die digitalisierten Stasiakten, Wissen ist Macht!
Ich glaube aber auch, daß wir ziemlich naiv sind, was das Wahrnehmungsmanagement betrifft, seo- Kratie, cookies facebook etc, M schwimmt gerne oben und ihre Führung bietet ihr das.
Pikant ist es schon, daß die D Industrie, gegen die befohlene Politik, die letzte Möglichkeit, den Cordon sanitaire (Friedman) zu umgehen, nutzt.
In der Tat, derartige Taten sprechen lauter als viele Worte über Sanktionen und "westliche Geschlossenheit gegen den Aggressor" - und sie zeigen, dass die EU entsprechend ihren Interessen handelt und Russland keineswegs isoliert.
Dass die EU (und Berlin im Besonderen) sich verbal an die Seite Washingtons stellt, ist m.E. völlig nachvollziehbar, da ein transatlatischer Bruch nun sicherlich nicht im Interesse Europas wäre und unbeabsichtigte Folgen haben könnte.