Macht des Schicksals

Iowa Das Auszählungsdesaster bei den Vorwahlen ist ein Sinnbild für den Zustand der Demokratie in den USA
Ausgabe 06/2020
Der pausierte Wählerwille
Der pausierte Wählerwille

Foto: Chip Somodevilla/Getty Images

Wer Herr der moralischen Altäre sein will, darf die nicht im Himmel errichten, sondern sollte auf der Erde zu Hause sein und mit den irdischen Verhältnissen zurechtkommen. Leider haben das die Demokraten in Iowa nicht vermocht. Das Auszählungsdesaster bei den dortigen Vorwahlen lässt sich als Sinnbild für den Zustand der US-Demokratie deuten. Wer der Demokratischen Partei vorwirft, dass sie umsonst – weil aussichtslos – ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Trump anberaumt hat, könnte versucht sein, ihr dieses Wahlchaos schwer anzukreiden. Das Argument: Sie hätten dafür sorgen müssen, dass zum Auftakt der Primaries nicht gezeigt, sondern wahrlich demonstriert wird: Die von uns verkörperte politische Kultur ist intakt und wird jetzt erst recht verteidigt.

Das ist gehörig misslungen. Nicht vorrangig wegen technischer Mängel, sprich: einer falsch programmierten App. Es wurde offenbar nicht als absolutes Politikum angesehen, Vorkehrungen zu treffen, damit ein solcher Kontrollverlust ausbleibt. Die Frage wird sein, ob die Einbuße an Prestige gegenüber den Republikanern und einem nach Belieben skrupellosen Präsidenten bis November zu kompensieren ist. Voraussetzung dafür wäre, dass Trump bald ein Herausforderer entgegentritt, der ihn herausfordern kann und einem extrem polarisierten Wahlkampf gewachsen ist. Das Ergebnis von Iowa lässt bezweifeln, ob es so weit ist. Und je so weit sein wird.

Niemand konnte sich absetzen. Die exponierten Bewerber von Pete Buttigieg über Bernie Sanders bis zu Senatorin Elizabeth Warren liegen relativ dicht beieinander. Was Erstaunen auslöst und für den liberalen Mainstream der Demokraten kein gutes Omen sein dürfte, das sind die mageren 16 Prozent für Ex-Vizepräsident Joe Biden. Immerhin gilt die Formel, wer in Iowa nicht auf einem der drei ersten Plätze landet, hat für den Rest der Kampagne nicht die besten Karten. Kein Wunder, dass Bidens Team die Ergebnisse wegen der konfusen Umstände anzweifelt und mitteilt, man blicke bereits auf den 11. Februar, wenn in New Hampshire die nächste Vorwahl ansteht.

Man kann von den Demokraten schon erwarten, dass sie am 3. November gewinnen und sich nicht nur ehrbar schlagen wollen. Das konnten sie beim Impeachment zur Genüge.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

Lutz Herden

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