Wer Herr der moralischen Altäre sein will, darf die nicht im Himmel errichten, sondern sollte auf der Erde zu Hause sein und mit den irdischen Verhältnissen zurechtkommen. Leider haben das die Demokraten in Iowa nicht vermocht. Das Auszählungsdesaster bei den dortigen Vorwahlen lässt sich als Sinnbild für den Zustand der US-Demokratie deuten. Wer der Demokratischen Partei vorwirft, dass sie umsonst – weil aussichtslos – ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Trump anberaumt hat, könnte versucht sein, ihr dieses Wahlchaos schwer anzukreiden. Das Argument: Sie hätten dafür sorgen müssen, dass zum Auftakt der Primaries nicht gezeigt, sondern wahrlich demonstriert wird: Die von uns verkörperte politische Kultur ist intakt und wird jetzt erst recht verteidigt.
Das ist gehörig misslungen. Nicht vorrangig wegen technischer Mängel, sprich: einer falsch programmierten App. Es wurde offenbar nicht als absolutes Politikum angesehen, Vorkehrungen zu treffen, damit ein solcher Kontrollverlust ausbleibt. Die Frage wird sein, ob die Einbuße an Prestige gegenüber den Republikanern und einem nach Belieben skrupellosen Präsidenten bis November zu kompensieren ist. Voraussetzung dafür wäre, dass Trump bald ein Herausforderer entgegentritt, der ihn herausfordern kann und einem extrem polarisierten Wahlkampf gewachsen ist. Das Ergebnis von Iowa lässt bezweifeln, ob es so weit ist. Und je so weit sein wird.
Niemand konnte sich absetzen. Die exponierten Bewerber von Pete Buttigieg über Bernie Sanders bis zu Senatorin Elizabeth Warren liegen relativ dicht beieinander. Was Erstaunen auslöst und für den liberalen Mainstream der Demokraten kein gutes Omen sein dürfte, das sind die mageren 16 Prozent für Ex-Vizepräsident Joe Biden. Immerhin gilt die Formel, wer in Iowa nicht auf einem der drei ersten Plätze landet, hat für den Rest der Kampagne nicht die besten Karten. Kein Wunder, dass Bidens Team die Ergebnisse wegen der konfusen Umstände anzweifelt und mitteilt, man blicke bereits auf den 11. Februar, wenn in New Hampshire die nächste Vorwahl ansteht.
Man kann von den Demokraten schon erwarten, dass sie am 3. November gewinnen und sich nicht nur ehrbar schlagen wollen. Das konnten sie beim Impeachment zur Genüge.
Kommentare 7
tja, nicht mal als sinn-bild für den US-imperialismus
taugen die demokraten/die demokratie in den staaten mehr!
das ist mehr als bitter für die binde-kraft/den kleb-stoff
der ressentiment-bedürftigen linken....
"das ist mehr als bitter für die binde-kraft/den kleb-stoff
der ressentiment-bedürftigen linken...."
Dass Ihnen dazu nicht mehr einfällt ist nicht nur bitter. Wie weit die Demokratie schon ausgehöhlt ist, und zwar weltweit, wird gerade am Fall Assange demonstriert. Nils Melzer, der UN-Sonderberichterstatter über Folter sollte ein unverdächtiger Zeuge sein. Auf seiner Wikipediaseite kann sich jeder informieren, wie sich auch die deutsche Regierung und der Bundestag dazu positionieren. Sein Interview («Vor unseren Augen kreiert sich ein mörderisches System») mit dem schweizerischen Online-Magazin Republik zeigt sehr ausführlich, wie Rechtsstaatlichkeit von demokratischen Staaten ausgehebelt werden kann und die Weltpresse davon keine Notiz nimmt.
Was den Zustand der Demokratischen Partei in den USA betrifft, hat Max Parry gerade einen längeren Artikel ("Democrats Impeach Trump for Withholding Arms to Neo-Nazis in Ukraine") zu deren Aktivitäten in den letzten drei Jahren geschrieben.
Das können diesmal wirklich nicht die Russen gewesen sein. Eine solche Blamage der führenden Digitalnation ein Unfall? Nein, eher eine Intrige wie bei der Wiederwahl von G. W. Bush in Florida. Das AntiBernieGate in seinem Lauf hält kein US-Establishment auf. Warten wir's ab.
"Vorkehrungen zu treffen, damit ein solcher Kontrollverlust ausbleibt" - Das ist eher ein Problem der Technisierung generell, kein im engeren Sinn politisches. Es gibt keine absolute Kontrolle. Umso bedenklicher eigentlich all die journalistischen Texte, die wieder in diese Kerbe hauen - die selbe Kerbe, die auch ein Trump sogleich gern genutzt hat. Es stünde sog. Qualitätsmedien doch wohl besser an, sich auf Inhalte zu konzentrieren.
tja, das ist so meine beschränkte art:
gedanken in portionen und auf angemessene weise gezielt abzugeben.
Abgesehen davon, dass sich die Demokraten bereits zu Beginn der Primaries ins Abseits geschossen haben: Sowohl die technischen als auch die prozedurellen Durchführungen von US-Wahlen haben absolutes Entwicklungsland-Niveau. Wahlmaschinen, die nicht funktionieren, undichte-unsichere Software, eine Wahlregistrierungs-Prozedur mit vollem Orwell-Programm, ungenügende Infrastruktur vor Ort mit zum Teil stundenlangen Wartezeiten, Wahlbeschränkungen in Tradition der unseligen Jim-Crow-Gesetze – eigentlich ist alles dabei, den USA umgehend den Status einer »Demokratie« abzuerkennen.
Natürlich ist es richtig, dass dieses Mißgeschick nicht hätte passieren dürfen. In Anbetracht unterschiedlicher Bemühungen, den Progressiven unter den Bewerber(inne)n das Wasser abzugraben, tendiere ich fast zu der Annahme Sabotage – Sabotage seitens Heckenschützen innerhalb des Parteiapparats, die lieber eine neue Amtsperiode Trump in Kauf nehmen als einen Sieger vom linken Parteiflügel.
Mal sehen, was noch kommt. Dass die Demokraten es schaffen werden, sich 2020 selbst ein Bein zu stellen (oder im Sinn eines Trump-Sieges sogar ein Eigentor hinzulegen), ist für mich gegenwärtig fast ausgemacht – wobei sie in der Gesamtheit ein Bild abgeben ähnlich dem der hiesigen SPD. Fazit: Den Schwanz einziehen vor rechts ist anscheinend beiderseits des Atlantik die große Mode.
Die technischen Probleme spielen eigentlich keine Rolle. Das Ergebnis wäre auch ein Disaster, wenn es sofort bekannt geworden wäre.
Wie befürchtet hat sich die Sanders Euphorie im Vorfeld als wishful thinking erwiesen. Und wie befürchtet hat Biden mehr Schaden vom Impeachment genommen als Trump.
Dass ein Leichtgewicht wie Buttigieg vorne liegt, ist Ausdruck einer großen Verunsicherung, und ein schlechtes Omen für November.