Mehr als eine fixe Idee

Eurobonds Gemeinschaftliche Anleihen aller Eurostaaten könnten verhindern, dass weiterhin Kapitalströme die Politik bestimmen. Die EU-Kommission hat drei Muster im Auge

Gemeinsame Anleihen aller Eurostaaten haben seit Ausbruch der EU-Finanzkrise im Frühjahr 2010 eine starke Lobby, aber auch energische Gegner. Sie gelten zwar nicht als ultimativer Rettungsanker, doch als wirksames Instrument, um die Anleihemärkte zu beruhigen. Sollte es zu einer Emission derartiger Wertpapiere kommen, könnten Euro-Länder, die hohe Zinsen für ihre Anleihen oder die Refinanzierung ihrer Schuldentitel zahlen, von den Euro-Ländern mit niedrigen Zinsen profitieren. Freilich hat sich inzwischen die Zahl der Eurostaaten mit einem Triple-A-Rating – also der von den Rating-Agenturen zuerkannten höchsten Bonität – weiter reduziert. Nur Deutschland, Luxemburg und Finnland sind übrig geblieben.

Befürworter von Eurobonds wie Frankreichs Präsident François Hollande scheinen überzeugt, dass die gebündelte Finanzkraft der Eurozone, wie sie in Gemeinschaftsanleihen zum Ausdruck käme, am Ende weniger Kosten verursacht als das endlose Aufstocken der EU-Krisenfonds. Ein Nebeneffekt von Eurobonds wäre die Stabilisierung angeschlagener Banken.

Giftpapiere der EZB

Um die EU-interne Debatte zu versachlichen, hat die EU-Kommission Ende 2011 eine Denkschrift zu Eurobonds vorlegt, die mit Rücksicht auf deutsche Animositäten den Begriff „Stabilitätsbonds“ verwendet und drei Modelle (siehe Glossar) vorschlägt. Als er das Papier präsentierte, meinte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso: „Die positiven Effekte solcher Bonds hängen davon ab, die möglichen Fehlanreize für die Haushaltsdisziplin zu beherrschen.“ Damit sollte angesichts deutscher Vorbehalte offenbar angedeutet werden, dass Eurobonds durchaus als Vehikel denkbar wären, um die Haushaltspolitik der Eurostaaten stärker zu überwachen und überhaupt: die fiskalische Harmonisierung in der Eurozone voranzutreiben.

Bei alldem sollte nicht ausgeblendet werden: Eurobonds wären nur möglich, gäbe es zuvor eine Einigung, Artikel 125 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zu kassieren oder zu reformieren. Es geht um die No-Bailout-Klausel, die bislang jede gesamtschuldnerische Haftung in der Eurozone für Schulden einzelner Mitgliedstaaten verbietet. Die Begründung lautet, nur so lasse sich hemmungsloser Verschuldung und davon ausgehender Inflationsgefahr ein Riegel vorschieben. Hier Deutschland einen Sinneswandel abzuringen, dürfte schwerer fallen, als den Fiskal-Pakt durch eine europäische Wachstumsorder zu ergänzen.

Dennoch, eine Entscheidung für oder gegen Eurobonds wird sich kaum mehr umgehen lassen – sie ist ein Votum für oder gegen die um eine Wirtschafts- und Sozialunion angereicherte Eurozone und tangiert die Frage, ob Investoren und von ihnen dirigierte Kapitalströme weiter die Politik bestimmen oder ob es irgendwann möglich sein könnte, diesen Trend umzukehren. Im Übrigen wird das No-Bailout-Gebot bereits munter unterlaufen, wenn nicht gebrochen. Man denke an die Aufkäufe von Anleihen hoch verschuldeter Eurostaaten durch die EZB, in deren Depots inzwischen unverkäufliche Papiere im Wert von mindestens 271 Milliarden Euro „geparkt“ sind. Genau genommen fristen sie dort nichts anderes als das zurückgezogene Dasein von Eurobonds, für die im Notfall alle Eurostaaten haften.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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