Mehr Öl ins Feuer

Libyen Ein Sonderfonds von drei Milliarden Dollar soll die Aufständischen von außen versorgen. Der Beschluss der Libyen-Kontaktgruppe legitimiert sie quasi als Zweitregierung

Die so genannte Libyen-Kontaktgruppe ist augenscheinlich der Auffassung, die Kriegsfurie habe Libyen noch längst nicht so intensiv und flächendeckend abgegrast, wie das wünschenswert erscheint. Sie ist außerdem noch jung und entwicklungsfähig und hat es verdient, versorgt und verwöhnt zu werden. Wie kann das am besten bewerkstelligt werden? Indem man ihre von außen so viel Proviant in Satteltaschen stopft, dass ihr an nichts fehlt für die nächsten Wochen und Monate. Vorerst sind es drei Milliarden Dollar, die durch Transfusionsschläuche fließen werden, an denen der Nationale Übergangsrat und seine Militärkontingente hängen, um zu überleben.

Man könnte die Beschlüsse des Treffens der Kontaktgruppe in Rom auch anders beschreiben. Sie folgen offenbar dem Ratschluss, der geeignete Weg, den Bürgerkrieg in Libyen zu beenden, besteht darin, ihn zu verlängern. Diese Logik liegt auf der Hand und bricht mit dem Geist – soweit der noch in Erinnerung sein sollte – von dem die Mitte März beschlossene UN-Resolution 1973 beseelt schien. Deren Priorität galt dem Schutz der Zivilbevölkerung, wozu "alle erforderlichen Mittel" erlaubt waren.

Blieb beim Vollzug dieser Vorgabe schon rätselhaft, wie durch zunächst britische, amerikanische und französische Luftschläge und die wenig später folgenden Angriffe der NATO, Zivilisten geschützt werden sollten, so will es nun noch weniger einleuchten, wie eine durch Finanztransfers verlängerte militärische Konfrontation dazu führen soll, die Zeit des Leidens für libysche Zivilisten zu verkürzen. Die in der Kontaktgruppe versammelten 40 Staaten hätten besser daran getan, nach einer politischen Lösung der inneren Konflikte eines nordafrikanischen Staates zu suchen, und zu begreifen: Ein Patt zwischen der Gaddafi-Armee und den Rebellen gebietet Verhandlungen zwischen der Gaddafi-Regierung und dem Übergangsrat. Schließlich wird mit dem Sonderfonds für das Ant-Gaddafi-Lager in Benghazi getan, was möglich ist, um einer provisorischen Administration so etwas wie politische Geschäftsfähigkeit zu verschaffen (die allerdings nicht mit Legitimation verwechselt werden sollte), und damit als Nebenregierung zu etablieren. Gibt es in der Konsequenz für Libyen dann zwei Regierungen und zwei Teilstaaten, wäre es doch wohl sinnvoll, nach einem politischen – nicht aber militärischen – Umgang mit diesem Phänomen zu suchen.

Sollten sich nicht die Vereinten Nationen in Gestalt ihres Generalsekretärs gefordert fühlen, diese Suche sofort aufzunehmen? Käme es dazu kommen – die Zeit drängt –, wäre damit freilich auch das Eingeständnis verbunden: Ein von außen gesteuerter Systemwechsel blieb mit den bisher praktizierten Methoden – Sanktionen und Luftangriffe – den Erfolg schuldig. Sieben Wochen hat Gaddafi durchgehalten. Auf zwölf Wochen brachte es vor genau zwölf Jahren der jugoslawische Präsident Milosevic im Kosovo-Krieg der NATO. Dann musste er kapitualieren, sollte von seinem Land mehr als ein Schuttberg übrig bleiben.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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