Mission des Trygaios

Militäreinsatz Angela Merkel sollte Obamas neuem Anti-Terror-Krieg nicht ergeben folgen. Es fehlt eine überzeugende politische Agenda, die Staatszerfall in Syrien und im Irak aufhält
Ausgabe 38/2014
Wo ist er denn?
Wo ist er denn?

Bild: John Thys / AFP

Es ist ein mit Kot gefütterter Riesenmistkäfer, der den attischen Bauern Trygaios in Peter Hacks’ Komödie Der Frieden zum Olymp trägt. Trygaios eilt zu den Göttern, um mit ihnen über den Frieden zu verhandeln. Der ist wegen widerstreitender Ambitionen auf der Erde bedroht. Es muss etwas passieren, damit die Menschen nicht in einem Krieg zu Tode kommen.

Nun will man der deutschen Kanzlerin weder solche Wallfahrt noch solches Gefährt zumuten. Aber wenigstens den selbsterteilten Auftrag des Trygaios könnte Angela Merkel übernehmen und fragen, ob es angebracht ist, Barack Obamas neuerlichen „Krieg gegen den Terror“ durch Beistand zu segnen. Welche politische Agenda wird damit verfolgt? Enthält sie mehr als das Ziel, Dschihadisten die Allmachtsfantasien auszutreiben? Ist daran gedacht, dass Staaten wie Irak und Syrien auferstehen, die derzeit außerstande sind, IS-Terror einzuhegen? George W. Bushs „Krieg gegen den Terror“ gab dazu destruktive Antworten. Besatzung kostete den Irak seine Staatlichkeit. Welche Antworten gibt Obama?

Krieg nährt den Krieg

Zunächst einmal entfällt wie bei Bush jeder Versuch, für Anti-Terror-Operationen ein UN-Mandat einzuholen? Wurde die Weltorganisation nicht gegründet, um auf Bedrohungen dieser Art kollektiv zu reagieren? Dass die USA den Sicherheitsrat meiden, hat freilich einen bezeichnenden Grund: Russland würde sein Veto gegen auf Syrien ausgedehnte US-Militäraktionen einlegen, sofern man zuvor nicht mit der Regierung von Präsident Assad verhandelt. Genau hier wird Merkels Auftrag sichtbar: Statt von „gewachsener außenpolitischer Verantwortung“ zu reden, sollte sie Deutschland keinen diffusen Strategien ausliefern. Einerseits will Obama IS-Positionen in Syrien angreifen, was Gegner Assads schwächen und den Bürgerkrieg eindämmen kann, andererseits will er nichtislamistische Rebellen aufrüsten und so den Bürgerkrieg anfachen. Sollte es je wieder ein Syrien geben, das islamistischem Terror aus eigener Kraft widersteht – warum wird dann seine Zerstörung vorangetrieben? Hier nährt der Krieg den Krieg, was Deutschland davon abhalten sollte, solchem Widersinn als williger Koalitionär zu dienen. Gekrönt wird diese Paradoxie, wenn mit Katar und Saudi-Arabien Verbündete umworben sind, die den Dschihadismus selbst finanzieren.

Plebejische Sinnlichkeit

Als Trygaios dem Götterboten Hermes mit viel List den Frieden abgetrotzt hat, feiert er Hochzeit auf Erden. Das verströmt viel Friedenslust, setzt plebejische Sinnlichkeit gegen martialische Kämpfertum und wird bei Peter Hacks als Gegenmacht sichtbar, die auf jeden Kriegsdienst pfeift.

So weit müsste Angela Merkel ja gar nicht gehen.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

Lutz Herden

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