Missionar in Action

Heiko Maas Der Außenminister hat sich Moskau vorgestellt und nur in Maßen den Erzieher gegeben. Eine Normalisierung der deutsch-russischen Beziehungen ist dadurch weiter möglich
Die Pressekonferenz der Amtskollegen Maas und Lawrow musste mit einer Stunde Verspätung beginnen. Zuvor gab es noch viel zu besprechen.
Die Pressekonferenz der Amtskollegen Maas und Lawrow musste mit einer Stunde Verspätung beginnen. Zuvor gab es noch viel zu besprechen.

Foto: Yuri Kadobnov/AFP/Getty Images

Statt den Gegner zu markieren, musste Außenminister Maas bei seinem Antrittsbesuch in Moskau den Partner akzeptieren. Wenn nach der Gewalt, die Donald Trump dem Atomabkommen mit Iran angetan hat, davon noch etwas gerettet werden soll, ist das ohne Russland so wenig möglich wie ohne China. Beide Staaten sind im Unterschied zum deutschen Verbündeten USA vertragstreu und verhalten sich konstruktiv, vor allem rational. Also musste Heiko Maas in Moskau seinen Missionierungseifer in Maßen zügeln. Er hätte sich der Lächerlichkeit preisgegeben, nach Trumps Vertragsbruch Russland als weltpolitischen Störenfried und Sicherheitsrisiko zu geißeln.

Stattdessen gab er sich dem Vorschlag hin, in Sachen Ukraine das Normandie-Format zu reaktivieren, womit ein Verhandlungsgremium der französischen, russischen, deutschen und ukrainischen Diplomatie gemeint ist. Darauf erneut zurückzugreifen, wäre allerdings nur dann sinnvoll, hielten es Maas wie die gesamte Bundesregierung nicht länger für opportun, die Führung in Kiew in ihrem Irrglauben zu bestärken, es sei ohne weitgehende Autonomie für den Donbass ein Maß an territorialer Integrität wiederherstellbar, wie sie bis zum Putsch gegen den damaligen Präsidenten Janukowitsch am 22. Februar 2014 bestand. Leider versagen sich Merkel und Maas diesem realpolitischen Ansatz.

Gabriels Sakrileg

So bleibt ein konfrontatives Verhältnis zu Russland bestehen. Es hat sich als vorläufige Umgangsform etabliert, weil die strategische Disziplinierung der Großmacht im Osten endgültig gescheitert ist, seit sie mit dem Fall Ukraine auf die Spitze getrieben werden sollte.

Dass in solcher Lage Heiko Maas mit einem scholastisch anmutenden Erziehertum ins zuständige Ministerium zieht, verheißt keinen frappierenden Wandel. Vorvorgänger Steinmeier schien ähnlich disponiert, war nur – nach außen hin – um mehr Balance zwischen Kiew und Moskau bemüht. Auch gebärdete sich Steinmeier weniger pharisäerhaft als Maas, der zu jener Generation westdeutscher Politiker gehört, die egoistische Geltungsbedürfnisse gern ins Gewand gesinnungsethischer Überlegenheit kleiden. Ende der 1990er Jahre haben die grünen Vorkämpfer dieser Spezies gezeigt, wie das bis zum Ausspielen von Interventionsmacht (Serbien/Kosovo) führen kann.

Sicher muss sich Maas auch von der selbstbewussten Schnoddrigkeit seines direkten Vorgängers Sigmar Gabriel absetzen, dem zu wenig Raum und Zeit blieb, sich zu entfalten. Immerhin machte der kein Hehl aus seiner Überzeugung: Die Russland-Sanktionen blieben ihren Zweck schuldig und gehörten daher abgeschafft. Ein Sakrileg, das einer geschäftsführenden Bundesregierung gut zu Gesicht stand.

Toter Punkt

Es mutet wie eine verwegene Laune des Schicksals an, dass Heiko Maas in einem Augenblick zum Dienstherrn des Auswärtigen aufgestiegen ist, da für die Berliner Republik das Bewusstsein reift, als großer Wende-Gewinnler nach 1990 einem toten Punkt entgegen zu driften – sei es in einer EU des Reformstaus und eines nach wie vor fragilen Euro, sei es bei der misslungenen Verwestlichung Osteuropas, sei es bei einem dank Donald Trump in die Brüche gehenden transatlantischen Verhältnis, wodurch sich ein ganzes Weltsystem der Endlichkeit seines Daseins versichert. Sei es bei einem nicht mehr berechenbaren und wie bisher auszukostendem Welthandelssystem.

Das heißt, statt Russland erziehen und missionieren zu wollen, sollte Heiko Maas dafür Sorge tragen, dass und wie sich Deutschland in einer Welt der schwindenden Gewissheiten und volatilen Allianzen einsortiert. Die Frage zieht nicht herauf – sie ist gestellt.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

Lutz Herden

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