„Wenn ihr durchschauen könnt die Saat der Zeit und sagen: dies Korn sproßt und jenes nicht“, wendet sich in William Shakespeares Macbeth der Heerführer Banquo an die Hexen.
Was wäre, würde es als Saat heutiger Zeit gesehen, dass der Wettbewerb der Systeme in einen der Strukturen mündet? Wie vor Tagen geschehen, als es zu einer bemerkenswerten Koinzidenz der Ereignisse kam, die verschachtelt schienen, ohne es zu sein. Während im moldauischen Chișinău die Europäische Politische Gemeinschaft (EPG) einen Gipfel abhielt, trafen sich im südafrikanischen Kapstadt die Außenminister der BRICS-Staaten China, Russland, Indien, Brasilien, Südafrika. Einmal Front machen gegen Russland – einmal im Verbund sein mit Russland
d sein mit Russland. In beiden Fällen Geltungsmacht reklamieren, die auch auf Zuwachs und Zuspruch gründet, womit unterschiedlich umgegangen wird. Weswegen „dies Korn sproßt und jenes nicht“?Der EU ist die EPG nicht zuletzt deshalb willkommen, weil sie Staaten einlässt, um sie als EU-Mitglieder draußen zu halten. Schließlich schleppt die EU eine Warteschleife der Aspiranten von Gipfel zu Gipfel. Eingetroffen an Endstation Sehnsucht sind mittlerweile Albanien, Nordmazedonien, Serbien, Kosovo, Montenegro, Bosnien, Moldau, die Ukraine, mit Abstrichen Georgien. Sie können weder Beitrittsgarantie noch -termin erheischen, werden nun aber entschädigt. Und das nicht zu knapp – durch die Europäische Politische Gemeinschaft. Dort kann sich mit Mut zur Muße oder Streicheleinheiten vonOlaf Scholz und Emmanuel Macron eindecken, wer das braucht. Der stark auf Symbolismen bedachte Gehalt der „Struktur“ EPG wirkt zu überzuckert, um zu überzeugen.Für die BRICS-Gruppe hingegen gilt, dass sie Staaten nicht aufhalten will, die sich anzuschließen wünschen. Darunter sind regionale Hochkaräter wie Saudi-Arabien, Ägypten und Iran oder Ikonen der Nichtpaktgebundenen wie Indonesien und Algerien. 19 Länder sind interessiert, diesem Bund beizutreten. Ihnen wird bewusst sein, dass sie mit den G7 konkurrieren, wenn daraus Gegenmacht erwächst. Vermutlich wollen sie das. Schon jetzt vereinen die fünf BRICS-Länder 42 Prozent der Weltbevölkerung. Und 2021 erbrachten sie 31 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Da weiß man, wie sehr „dies Korn sproßt“, zumal China die Ähre pflegt. Ist die BRICS-Gruppe bereits Ausdruck eines multipolaren Weltgefüges, würde das mit einer relevanten BRICS-Erweiterung wohl unumkehrbar sein. Was die Europäische Politische Gemeinschaft nicht aufhalten kann. Als informelle Struktur muss sie sich institutionellen Ehrgeiz verkneifen, wie ihn die BRICS-Allianz mit ihrer Entwicklungsbank und möglichen Leitwährung aufbietet, für die der chinesische Yuan in Betracht kommt. Wen wundert’s?Im „Wettbewerb der Strukturen“ ist die EPG Teil des Epilogs einer unipolaren Welt, die nach 1990 funktioniert hat, solange die USA jeden Gegner in Schach halten oder damit drohen konnten, dies zu tun. Damit ist es vorbei, seit China zum unerschrockenen Rivalen aufgestiegen und Russland in einen Krieg eingestiegen ist, den die USA und die EU- beziehungsweise NATO-Staaten zwar schüren, aber nicht führen können. So hochgerüstet sie sein mögen, so wenig sind ihre Gesellschaften kriegsfähig. Sie können und wollen das so wenig verkraften wie den Verzicht auf die Komfortzonen der EU, um neue Mitglieder aufzunehmen. Die Saat der Zeit, sie geht auf – „dies Korn sproßt und jenes nicht“.