Hans-Peter Friedrich (CSU) redet die griechische Krise nicht klein wie die EU-Gesandten gerade auf dem G-20-Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs in Mexiko, sondern groß, indem er die große Lösung empfiehlt: den Austritt der Hellenischen Republik aus der Euro-Gemeinschaft. Das klingt nicht nur populistisch – das ist es auch. Auch scheint die ökonomische Irrationalität des Ansinnens beachtlich. Wohlgemerkt – scheint. Doch der Reihe nach.
Man sollte den Vorstoß des Bundesinnenminister nicht als Verstoß gegen eine ohnehin fragile Kabinettsdisziplin deuten. Die Bundesregierung wirkt vor der heutigen Abstimmung im Bundestag selbst verunsichert. Warum knüpfen sonst die Fraktionen von CDU/CSU und FDP ihren Entschließungsantrag für das Griechenland-Paket II – also die Bereitschaft zu weiteren deutschen Hilfen – an „eine ausreichende Teilnahmequote am Schuldenschnitt“? Dabei geht es um die Annahme des allen Griechenland-Gläubigern jüngst angebotenen Umtauschs ihrer Griechenland-Papiere. Ob diese Operation eine „ausreichende Teilnahmequote“ findet, wird man frühestens am 9. März wissen. Weshalb stimmt das deutsche Parlament nicht erst dann über die Hilfsleistungen ab? Ganz einfach – erst weitere Garantien und damit der Erhalt der griechischen Zahlungsfähigkeit werden die Gläubiger animieren, neue Griechenland-Papiere mit schlechteren Konditionen, längeren Laufzeiten und anderen Tilgungsfristen zu zeichnen. Ansonsten würden sie mehrheitlich mauern, wie das einige Hedgefonds bereits tun. Griechenland selbst wird frühestens in acht Jahren wieder selbst am Finanzmarkt aktiv sein können. Und das gilt als ausgesprochen kühne Prognose!
Erneute Bankenrettung
Dieser Umstand führt zurück zur Empfehlung des Bundesinnenministers, dessen forsche Radikalität eines ausspart: die Mitteilung nämlich, dass ein Abgang Griechenlands aus der Währungsunion keineswegs die Wirkung eines grandiosen Befreiungsschlages hätte – weder für Athen noch für die Euro-Partner noch für die Gläubiger. Eine Rückkehr zur Drachme wäre mit einer akuten Abwertung gegenüber dem Euro verbunden. Die griechischen Schulden – die nicht entfielen, nur weil der Euro entfiele – wären dadurch extrem verteuert. Jede Rückzahlung an die Gläubiger hat logischerweise in Euro oder Dollar zu erfolgen. Das heißt, ein Ausstieg aus der Eurozone kommt für den Ägäis-Staat einen Zahlungsausfall gleich, den die Gemeinschaft der Euro-Staaten nicht mehr so abfedern würde (oder müsste), wie das momentan der Fall ist. Für die Griechenland-Investoren hätte das Abschreibungen zur Folge, die mutmaßlich weit über das hinausgehen dürften, was ihnen die jetzige Umschuldung abverlangt. Wer davon betroffen wäre, ist bekannt: Ende 2011 waren institutionelle Investoren und Hedgefonds mit 100 Milliarden Euro in Griechenland engagiert, es folgten mit gut 45 Milliarden griechische Banken und mit 30 Milliarden europäische Institute, dazu kamen Pensionsfonds und außereuropäische Banken mit 32 Milliarden. Für diese Anleger entfielen Sicherheiten, zu denen sich die Euro-Staaten bisher gezwungen sahen.
Mit anderen Worten, wer einem Ausstieg des Mega-Schuldners aus der Eurozone das Wort redet, plädiert gleichzeitig für eine gigantische Anleger- und Banken-Rettung, die möglicherweise alles übertrifft, was nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008 stattfand. Es wäre wieder ein öffentlicher Ausgleich für private Verluste und Hochrisiko-Spekulationen gefragt – quasi die Sozialisierung von Ausfällen, für die bei einem Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone der Steuerzahler aufzukommen hätte. Halten wir Hans-Peter Friedrich zugute, dass er rechtzeitig darauf einstimmen wollte, ohne es zu sagen. Die Konsumenten seiner gedanklichen Kühnheiten können dieselben schießlich selbst zu Ende denken. Mit der Neuauflage des Bankenrettungsfonds SoFFin aus dem Jahr 2008 hat die Bundesregierung für die deutschen Griechenland-Investoren bereits die nötige Voraussetzungen geschaffen, damit sie wieder als systemrelevant eingestuft und alimentiert werden können.
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