Menschenrechte können nicht nur, sie müssen teuer sein. Die Amerikaner lernen gerade, zu kalkulieren, ab wann es sich nicht mehr lohnt, China mit dem Thema Menschenrechte in die Parade zu fahren. Die Schallmauer zwischen Gesinnung und Geschäft liegt derzeit bei etwa 1,95 Billionen Dollar. So viel sind die chinesischen Staatsfonds wert, die vom US-Staat beliehen werden, um unter anderem Obamas fast 800 Milliarden Dollar teures Konjunkturprogramm zu bezahlen. Das ist sehr teuer! Und zwar offenbar – wie die amerikanisch-chinesischen Gespräche vom Wochenende in Peking bezeugen – so teuer, dass es für die Menschenrechte zu teuer wird. Jedenfalls will die Obama-Regierung auf diesem Feld zurückhaltender agieren als bisher üblich. Die Devise lautet: Vorsicht ist die Weisheit des Krisenmanagements, Partnerschaft mit China eine Schicksalsgemeinschaft gegen den Absturz – Ökonomie sinnvoller als Ideologie.
Es wäre naiv, nun auf einen Sinneswandel bei Hillary Clinton zu tippen. Sie dürfte das Thema Menschenrechte nach wie vor als Moraltorpedo zu schätzen wissen, das sich hin und wieder gegen die Mao-Erben abfeuern lässt. Nur im Augenblick gebietet die globale Schlachtordnung: Zaudern statt zündeln.
Trotzdem dürften die China-Skeptiker und Gesinnungsethiker weltweit auch künftig auf ihre Kosten kommen. Wir werden in Kürze erleben, wie der Dalai Lama als unvermeidlicher Wanderprediger wieder Gemüter und Gazetten bewegt. In zwei Wochen nämlich jährt sich der Aufruhr zum ersten Mal, bei dem im tibetischen Kernland Mitte März 2008 chinesische Geschäfte geplündert und chinesische Geschäftsleute gelyncht wurden. Dann darf wieder aus dem Vollen geschäumt werden – in der Hoffnung, Tibet möge doch zum Tschetschenien oder wenigstens zum Baskenland der Volksrepublik werden.
Die US-Regierung hat durch ihre Außenministerin angedeutet, auf die große Tibet-Aufwallung diesmal verzichten und so das Geschäftsklima nicht trüben zu wollen. Ein Schuldner ist eben kein Gläubiger, und der Pfad der freien Marktwirtschaft immer häufiger mit Unfreiheit gepflastert. Millionen Menschen – ob sie nun bei Opel um ihre Jobs zittern oder in Mumbais Slums vom Müll der Begüterten leben – dürfen das Tag für Tag auskosten, bis ihnen schlecht wird. Warum nicht auch die regierenden Konkursverwalter im Weißen Haus?
Immerhin können die sich trösten, dass derzeit auch der Kapitalismus in den Farben Chinas mit kapitalen Gichtanfällen kämpft, aber noch von seinen Gelddepots und einer robusten Natur zehrt, die er sich antrainiert hat. Sich antrainieren musste! Schließlich war einst alles ganz anders gedacht, als die Sonne des Großen Steuermanns noch Chinas vermeintlich sozialistische Zukunft erhellte. Weshalb nur wird die Sehnsucht nach einer anderen Gesellschaftsordnung nicht zum ersten Menschenrecht erklärt?
Kommentare 3
"Vorsicht ist die Weisheit des Krisenmanagements, Partnerschaft mit China eine Schicksalsgemeinschaft gegen den Absturz – Ökonomie sinnvoller als Ideologie."
Die Menschenrechte sind eine Ideologie?
Am beeindruckensten fand ich die unterwürfige Wiedergutmachungsgeste Clintons, das Vertrauen Chinas in amerikanische Staatsanleihen zu loben, _dasselbe Verhalten_, welches ein paar Tage zuvor noch als Währungsmanipulation und Protektionismus gegeißelt wurde.
Sie werden es nicht glauben, in vielen Teilen dieser Welt gelten die Menschenrechte tatsächlich als Ideologie. Gerade in China. Da gilt wie in vielen Teilen Asiens: "Erst kommt das Essen, dann die Moral!"
Der "kleine Mann" will einfach Schmotter verdienen, sich ne Glotze anschaffen und vielleicht später mal ne Wohnung. Der hat keine Zeit sich über seine Rechte Gedanken zu machen. Das ist eher was für Intelektuelle mit genug Zeit und Geld.
Es wird auch weiterhin leichter sein, für Amerikaner ebenso wie für Deutsche, über die Menschenrechte in China zu lamentieren, leichter jedenfalls, als sich auf Augenhöhe über die Gründe auszutauschen, die eine Mißachtung dieser wichtigen Rechte nun mal unweigerlich an die Oberfläche spülen könnte. Das Menschenrecht auf Arbeit jedenfalls, das ist in Deutschland nicht als Aushängeschild verwertbar und auch nicht geeignet, sich großkotzig demokratisch, sozial oder auch christlich aufzuspielen, denn Benno Ohnesorg war kein Chinese.
Damit will ich allerdings der US-Rgierung nicht das Recht absprechen, ihren Fusch, den sie so veranstaltet, mit demagogischen Tiraden zu verschleiern. Wenn sie es denn nötig haben, bitte, wir sind ja ein freier Globalismus. Den politischen Einfluß, den China erarbeitet hat, den haben sie nicht durch Meditation im Himalaja bekommen, nein, das sind andere Prozesse im Gang, leider auch einige Dampfwalzen über Menschenrechte, was nicht mit irgendwelchen Notwendigkeiten begründet werden sollte. Schwache Menschen, schlechte Menschen, Unzulänglichkeit, aber bekanntlich liegen Menschenrechte nicht unter dem Weihnachtsbaum, sie müssen nun mal, auch leider, erkämpft werden, auch in China, und zwar von denen, die Menschenrechte eben haben wollen - chinesische Wanderarbeiter zum Beispiel - zur Gewerkschaftsfrage gibt es da bekanttlich keine Patentantwort - in den USA schon mal gar nicht.