Wer als Gast in ein Land kommt, kann eigene Politik vorantreiben, ohne sich aufgedrängt zu haben. Vorausgesetzt, die Schlagbäume des Wertevorbehalts sind hochgezogen. Dann zeigt eine deutsche Kanzlerin, wie man sich in Dschidda und Abu Dhabi von totalitären Regimes hofieren lässt, ohne Schaden zu nehmen. Warum sollte man? Als Gastgeberin des G20-Gipfels in Hamburg Anfang Juli hat Angela Merkel bei zwei Teilnehmern des Treffens vorgesprochen – das ist diplomatischer Brauch. Wogegen wenig zu sagen wäre, würde nicht sonst so getan, als verfolge man eine werthaltige statt einer interessengelenkten Außenpolitik. Wie das der Fall Saudi-Arabien konterkariert, ist schnell beschrieben. Es gibt das dringende Bedürfnis nach Partnerschaft mit einer nahöstlichen Regional- und Ordnungsmacht, deren Innenleben nicht übermäßig stört. Das Königreich ist bei etlichen Konflikten so präsent wie dafür zuständig. Sei es im Jemen durch Luftschläge gegen die Huthi-Rebellen und ein Land, das sich davon nie erholen wird. Sei es in Syrien als Schirmherr sunnitischer Rebellen, die einen Regimewechsel erzwingen wollen.
Nicht überall
Aus deutscher Sicht spricht viel für den agilen Player. Er nimmt hiesiger Rüstungsindustrie Panzer und Patrouillenboote ab, drosselt den Einfluss der schiitischen Theokratie in Teheran und geht zu einem nicht mehr ganz so berechenbaren US-Alliierten auf Distanz. Zudem ist Riad darauf bedacht, wirtschaftlich nachzurüsten, um der Zeit nach dem Öl gewachsen zu sein. Schon jetzt werden Unternehmen wie Saudi Aramco als globale Finanzinvestoren wahrgenommen. Allein 2016 kam aus solcher Quelle mit 17,5 Milliarden Dollar der größte Bond eines Schwellenlandes, der je aufgelegt wurde. Weitere Emissionen werden folgen, wovon Finanzinstitute wie die Deutsche Bank profitieren wollen, um nicht gegen Schweizer und andere Wettbewerber abzufallen. Was sich bei einem Gespräch Merkels mit Vizekronprinz Mohammed bin Salman, dem saudischen Chefreformator, wohl regeln ließ. So weit das von Fakten genährte Narrativ, das auch von scheinbar Beiläufigem zehrt. Wenn die Bundeswehr künftig saudisches Militär trainiert, dann begründet das Merkel wie folgt: „Wir können nicht überall auf der Welt deutsche Soldaten haben.“ Klingt wie: Wir würden gern, können aber nicht. Keine Kardinal-, die reine Kapazitätsfrage. Das muss jedoch zu keinem Verlust an „aktiver Gestaltungsmacht“ führen, wie sie von der Bundesregierung laut Weißbuch 2016 beansprucht wird. Daher ist der Ausbildungsmission „aktive Parteinahme“ nicht fremd. Sie gilt saudischen Grenzschützern, die an der 1.400 Kilometer langen Grenze zum Jemen stehen sollen. „Aktive Gestaltungsmacht“ lässt sich eben auch ausüben, indem sie delegiert und so Einfluss auf eine Krisenzone genommen wird. Was gelingt, wenn ein autoritärer Staat mit einer westlichen Demokratie nicht mehr konkurriert, sondern kooperiert. Das Verhältnis zwischen Riad und Berlin offenbart, wie sich deutsche Außenpolitik aus EU-Wertekontexten löst und als Angelegenheit einer europäischen Führungsmacht betrieben wird.
Ganz banal international
Angela Merkel wurde bald nach Beginn ihrer Kanzlerschaft zur „Mrs. World“ verklärt, als sie 2007 in Heiligendamm einen G8-Gipfel ausrichtete. Zehn Jahre später steht das Label für den Bedarf an Weltgeltung in der Außen- und Militärpolitik. Sich das beim G20-Meeting in Hamburg gut zwei Monate vor der Bundestagswahl bestätigen zu lassen, wird Merkel recht sein.
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