Rache ist süß und oft vergeblich. In diesem Fall wohl auch. Emmanuel Macron denkt an die liberale Machtoption im nächsten EU-Parlament. Eine Fraktion aus seiner Renaissance-Liste, der FDP, Ciudadanos aus Spanien, zwei Parteien aus den Niederlanden, Momentum aus Ungarn, den österreichischen Neos und vermutlich auch Italiens Partito Democratico soll die Mitte besetzen und anderen bestreiten. Zuallererst der konservativen EVP, die nach dem 26. Mai womöglich unter Hegemonie-Entzug fällt, wenn sie – an Mandaten ärmer – vom Mehrheitsführer ins Fach des Mehrheitssuchers wechselt. Und mit Macrons liberaler Allianz auskommen müsste?
Der könnte sich bei dieser Gelegenheit dafür revanchieren, wie ignorant besonders von deutscher Seite mit seinen Reformideen für EU und Eurozone verfahren wurde. Jene Agenda über einen europaparlamentarischen Kanal erneut zu platzieren, wäre denkbar. Erst recht manches Junktim des Kalibers Personal- gegen Sachentscheidung. Auch kann es bei der zu erwartenden Präsenz geltungswilliger Rechtsnationaler der Parlamentskultur in Brüssel und Straßburg nur zuträglich sein, wird denen die Diskurs- und Konfrontationshoheit entzogen. Stattdessen könnten Konservative, Liberale, Sozialdemokraten, Grüne und Linke durch alternative Streitkultur überzeugen, die von Konkurrenz statt Konsens zehrt. Dafür wäre eine gestutzte EVP nicht die schlechteste Bedingung.
Doch meint Marcons Fraktion der Mitte allein den EU-Parlamentsbetrieb? Gilt sie nicht ebenso einer deutschen Dominanz in Europa, die mit einem Kommissionschef Manfred Weber (CSU) den nächsten Pflock zu setzen gedenkt? Für die Franzosen offenkundig eine Zumutung, gegen die sie aufbegehren wie den von Kanzlerin Merkel hofierten Automatismus: Spitzenkandidat gleich designierte Kommissionsspitze.
Warum eigentlich vor der EU-Wahl wie paralysiert nur über mögliche Machtvakanzen nachdenken, die sich aus Zugewinnen der Rechtsaußen-Parteien ergeben? Deren Vormarsch hätte schließlich einiges damit zu tun, dass in der EU zu wenig EU-konforme Gegenmacht entwickelt wird, um etablierte Machtverhältnisse zu erschüttern. Sollte Macron das ernsthaft vorhaben, wird er freilich sehr viel mehr Alliierte brauchen als Liberale mit EU-Affinität.
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