Ob vor dem Golfkrieg 1991, der Afghanistan-Intervention 2001 oder dem Irak-Einmarsch 2003 – stets haben US-Administrationen mit martialischer Rhetorik darauf eingestimmt, was sie vorhatten. Solange, bis sie nicht mehr anders konnte, als zu tun, was sie wollten. Wenig dergleichen geschieht, seit auf der koreanischen Halbinsel propagandistisch die Fetzen fliegen. Der US-Präsident lässt seinen Außenminister reden, Manöver abhalten und atomwaffenfähige Tarnkappen-Bomber in den Himmel über Südkoreas steigen – ein Spiel auf der Klaviatur der kontrollierten Eskalation. Kaum etwas dürfte Barack Obama ungelegener sein, als in einen bewaffneten Konflikt zu geraten, dessen nach oben offene Eskalationsskala zu viel möglich macht. Und nichts kommt dem nordkoreanischen Parteichef Kim Jong Un gelegener als die bellizistische Askese im Weißen Haus. Um so mehr darf er sich als Führer zeigen und die Gunst der Stunde nutzen, um Nordkorea im arrivierten Zirkel der Atommächte zu etablieren. Kim gibt damit der Generalität zu verstehen, mitnichten auf einem absteigenden Ast zu sitzen. Und er kann eine Personalie durchsetzen, die mehr aussagt als jede Feindbildpflege. Wer Pak Pong Ju als Premier einsetzt, hat sich für einen Mann entschieden, der Wirtschaftsreformen nach chinesischen Muster will. Der 73-Jährige ist kein Deng Xiaoping, kann aber in Pjöngjang eine Schlüsselposition einnehmen wie der chinesische Chefreformer einst in Peking. Und überhaupt, fällt niemandem auf, wie ähnlich Kim Jong Un seinem Großvater Kim Il Sung geworden ist, dass er wie eine Inkarnation des Staatsgründers wirkt? Er bevorzugt den gleichen altmodischen Haarschnitt wie der 1994 Verstorbene, trägt die Jacke der chinesischen Nomenklatura aus der Mao-Ära und beherrscht die Physiognomie des düster dreinblicken, zugleich aber vorausschauenden Staatslotsen besser, als das sein Vater Kim Jong Il je vermochte. Zur religiösen Verehrung Kim Il Sungs gehört in Nordkorea der Mythos vom ewigen Präsidenten. Erlebt der seine Wiederauferstehung? Kim Jong Un scheint mit einem Kult zu spielen, der ihn wie ein Panzer schützt, auf dass er nicht gestürzt, sondern nur untergehen – stärkeren, erzfeindlichen Mächten unterliegen kann. Wenn dieses Narrativ das Parodistische nicht verleugnet, mag das einem Zwiespalt geschuldet sein. Er trennt den Ahnen vom Erben, der sich in dessen Namen zum Modernisierer eines Staates aufschwingt.
Wiedervereinigung zu teuer
Diese Agenda der Mythen und Masken sollte Südkoreas Präsidentin Park Geun Hye geläufig sein. Leider agiert sie nicht eben glücklich mit ihrem Statement, auf Provokationen aus dem Norden „ohne jede politische Überlegung“ zu reagieren. Vorher zu überlegen, wäre besser. Folge eines Schlagabtauschs könnte eine begrenzte thermonukleare Konfrontation sein. Die sollte niemand „ohne jede politische Überlegung“ riskieren. Selbst einen konventionellen Krieg würde der Süden mit seinen dicht besiedelten Metropolen kaum unbeschadet überstehen. Ein Sieg über den Norden wäre teuer und würde noch teurer, sollte die Volksrepublik verschwinden und man sich wiedervereinigen müssen. Dass sich eine Führung in Seoul damit einen Herzenswunsch erfüllt, darf bezweifelt werden. Alle Expertisen versprechen Lasten, die mehr ökonomisches Potenzial verlangen, als es der westdeutsche bei der Übernahme des ostdeutschen Staates brauchte.
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