Das kann die EU gar nicht falsch verstehen, das sollte sie als Affront deuten, als Zeichen dafür, von Donald Trump nicht übermäßig ernst genommen und gleich einmal richtig vorgeführt zu werden. Der designierte amerikanische Präsident empfängt als ersten europäischen Politiker mit dem Briten Nigel Farage den Ex-Chef der UK Independence Party (UKIP), von der die EU nicht unbedingt mit ungebremster Sympathie beschenkt wird.
Der Vorgang konterkariert das allseits artikulierte Unvermögen, jetzt noch nichts Verbindliches über Ziele und Begehrlichkeiten der kommenden US-Administration sagen zu können. Man müsse erst das Personal kennen, das sich ab Januar um Außen- und Sicherheitspolitik kümmern werde, so die Floskel. Doch werden davon bestenfalls Nuancen wie Umgangsformen, Rhetorik und Prioritäten beeinflusst. Im Kern lässt sich absehen, was bis 2021 Donald Trumps Maximen sein werden, will er keine allzu großen Abstriche an seinen Wahlversprechen riskieren.
Am Haushaltszügel
Absehbar muss die nationalkonservative, restaurative Wende die eigene Wähler- und Anhängerschaft bei Laune halten. Es ist zudem dringend Abhilfe geboten gegen die soziale Segregation der US-Gesellschaft, die einen hyperkritischen Wert erreicht zu haben scheint. Das heißt, der von den Republikanern verteufelte Staat wird als Moderator und Investor vor enorme Herausforderungen gestellt.
Wer sonst sollte das übernehmen? Freilich legen Budget und Verschuldung dem Zügel an, der mit ihnen zu zügellos verfährt. Mit anderen Worten, Trump wird sich auf keine überbordende äußeren Belastungen einlassen können. Schon unter Obama war absehbar, dass sich die USA mit ihren Staatsschulden eine interventionistische Außenpolitik alten Stils kaum mehr leisten können – auch wenn Vizepräsident Mike Pence den Eindruck erweckt, bald sei wieder das Gegenteil der Fall.
Trump kann international nur das wollen, was ihm zuhause weder Instabilität beschert noch den angesagten Kurbetrieb für die abgehängten weißen Arbeiterschichten und verunsicherten Mittelschichten unterläuft. Als da wären – ein dosierter, wenn nicht gar weitreichender Protektionismus, eine den fossilen Energien gewogene Klimapolitik, keine (!) neoliberale Sozialpolitik – dazu ein Interessenabgleich mit Großmächten wie China, vor allem jedoch Russland, auf das die Amerikaner dort treffen, wo bisher ihre sensiblen Interessenspähren lagen: In Europa und im Nahen Osten.
Höchst lächerlich
Für die EU kann das nur bedeuten, darauf achten zu müssen, weder abgehängt noch überrollt zu werden, wenn passiert, was sich abzeichnet. Sie sollte schon jetzt, bevor Trump seinen ersten Gipfel mit Wladimir Putin zelebriert, auf ein Prinzip zurückkommen, zu dem man sich ohne viel Selbstentsagung bekennen kann: Sicherheit in Europa wie dessen Souveränität sind besser mit als gegen Russland zu haben. Folglich sollten unverzüglich die Weichen für eine Wiederannäherung an Moskau gestellt werden, bevor Donald Trump den imperialen Ausgleich sucht und bekommen wird.
Dies kann erreicht werden, indem man Russland auf Augenhöhe gegenübertritt und nicht als zivilisatorischen Paria abqualifiziert. Was inzwischen mehr als lächerlich wirkt, wenn man sich das türkische Regime als Allianzpartner in der NATO leistet.
Die Sanktionen endlich aufzuheben, erscheint schon deshalb ratsam, weil sie bisher nicht im Mindesten dazu angetan waren, als repressiver Wagenheber von Ukraine-Diplomatie brauchbar zu sein. Zugleich sollte man sich auf einen neutralen Status der Ukraine verständigen und alle NATO-Aufnahmeoptionen aufgeben. Mit anderen Worten, die EU-Außenpolitik oder was davon an Resten möglich ist, sollte Trump als Mahnung und Chance begreifen, nicht abgehängt zu werden.
Im Augenblick kann noch eine freie Entscheidung sein, was später zur erzwungenen Überwindung wird. Lieber die USA mit eigener Entschlusskraft konfrontieren, als von ihnen vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Wer das ignoriert, schadet der Staatenunion.
Totgeburt EU-Armee
Eine revidierte Russlandpolitik wird die EU mehr stärken als die gerade – zum wievielten Mal? – beschworene europäische Armee, bei der als ausgemacht gilt, dass eine Mehrheit der Staaten Osteuropas die transatlantischen nicht gegen europäische Bande tauschen will.
Es wäre im Übrigen auch ohne den anstehenden US-Präsidenten eine unumstößlich Tatsache, dass die gesamte globale Architektur zunehmender Diffusion verfällt, die Karten der Geopolitik neu gezeichnet werden. Wie kann man in solcher Lage derart verstiegen sein, sich in der internationalen Komfortzone zu wähnen und dem Irrglauben anzuhängen, sich ein konfrontatives Verhältnis mit Russland leisten zu können?
Ob Donald Trump nun ein beschränktes Weltbild hat oder nicht, es hat zumindest gereicht, dies besser zu verstehen als mancher Europäer mit seinem ideologisierten Politikverständnis, das sich auf einen Wertekanon rausredet, der regelmäßig vergessen wird, wenn wertfreie Interessen im Spiel sind – wie gegenüber der Türkei, Saudi-Arabien und den Golfemiraten, Ägypten und so weiter.
Schwester Ratched
Sicher, vor allem für die deutsche Regierung oder die französische wäre Hillary Clinton besser gewesen als Trump, auch besser als Obama. Von einer solchen Präsidentin konnte man annehmen, dass sie darauf bedacht gewesen wäre, möglichst schnell aus dem Schatten des in den vergangenen Monaten außenpolitisch eher introvertiert wirkenden Barack Obama zu treten.
Die Kandidatin hatte im Wahlkampf mehrfach für Flugverbotszonen über Syrien plädiert, was unweigerlich zum Konflikt mit der Assad-Armee und dem russischen Syrien-Korps geführt hätte. Clinton verstand es, als Außenministerin der ersten Obama-Administration 2011 die Intervention gegen Muammar al-Gaddafi in Libyen voranzutreiben. Man sah sie jüngst in einer Arte-Dokumentation in ein entzücktes Lachen ausbrechen, als die Nachricht eintraf, dass Gaddafi gefangen und von einem Mob gelyncht wurde.
Da erinnerte sie lebhaft an die skrupellose Oberschwester Ratched aus Miloš Formans Spielfilm Einer flog über das Kuckucksnest von 1975, die notfalls über Leichen geht, um sich durchzusetzen. Beim "Unternehmen Libyen", das einen weiteren Failed State hinterließ, hatte es ab Frühjahr 2011 eine von NATO-Kräften durchgesetzte Flugverbotszone gegeben, gegen die Gaddafi nichts ausrichten konnte, weil er keine Verbündeten hatte – bei Baschar al-Assad ist das anders. Trump dürfte das nicht entgangen sein.
Kommentare 24
Dem stimme ich vollinhaltlich zu
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Guter Beitrag! “Trump dürfte das nicht entgangen sein“ Ich hoffe ja immer noch, bin manchmal etwas irritiert - wie ein Milliardär der Anwalt der kleinen Schlucker seien soll … usw. Aber Realpolitiker ist er vielleicht wie Franz-Josef-Strauß! … Strauß beantwortete während eines Staatsbesuchs in Moskau mit diesen Worten die Frage des damaligen Präsidenten der UdSSR, Michail Gorbatschow , ob er denn das erste Mal in der Sowjetunion sei.
"Nein, das zweite Mal. Das erste Mal kam ich nur bis Stalingrad" -;)))!
>>...ich hoffe ein kleiner Teil deiner Vorschläge ist realisierbar.<<
Gross ist die Chance nicht.
Aber das ist kein Grund, nicht mal was Vernünftiges zu sagen und zu schreiben.
Was soll's? Clinton ist raus. Trump ist gewählt – und niemand weiß was er machen wird. Was nützt all das vergangenheitsbezogene Gejammer und das zukunftsbezogene Spekulieren? Was steht an für einen souveränen Europäer? Er nutzt die Gelegenheit endlich einmal seine eigenen (unabhängig vom großen Einflüsterer aus Übersee) Vorstellungen einer bürgerfreundlichen europäischen Politik zu artikulieren.
Korr.: „...Vorstellungen einer weltbürgerfreundlichen europäischen Politik zu artikulieren.“
Gut kombiniert. Aber wie ich bei anlitik lesen kann, tut sich hier schon etwas an dem, was man Lesart der neuen Zeiten nennen könnte. Die Glückwünsche der Kanzlerin für Trump waren nicht ganz so salopp, wie sonst üblich.
http://analitik.de/2016/11/11/deutschlands-meuterei/
Man kann nur hoffen, dass Frau Merkel Ihr Fähnchen auch dieses mal wieder schneller nach dem neuen Wind ausrichten kann, als andere für möglich halten.
... oder wir fangen endlich an, eine eigene europäische Agenda zu schaffen und uns von den USA zu emanzipieren. Wenn nicht jetzt, wann dann?
Das halte ich allerding aktuell für sehr schwierig, schaut man sich die missglückte "Union" mal an und all die Rufe nach mehr nationaler Selbstständigkeit. Diese führen am Ende eben nicht zu einer gemeinsamen Haltung, mit der man sich international auch sinnvoll durchsetzen kann.
Aber sicherlich wird sie das! Mit den Irak-Kriegs-Lügner George W. Bush
43. Präsident der Vereinigten Staaten
hat sie doch auch in Stralsund ein totes Schwein gegrillt, da kommt auch ähnliches mit den 45. US – Präsidenten D. Trump – ich vermute “Liebesknochen mit Puddingfüllung“ ( Eclair ) !;-)))
"Der künftige US-Präsident will enger mit Wladimir Putin zusammenarbeiten. Das derzeitige Verhältnis zwischen Russland und den USA sei nicht zufriedenstellend." Ob er das mit Berlin abgesprochen hat?
Ich hoffe mal, er hat es nicht getan.
ich kann gut folgen bis hier:
"Sicher, vor allem für die deutsche Regierung oder die französische wäre Hillary Clinton besser gewesen als Trump, auch besser als Obama. Von einer solchen Präsidentin konnte man annehmen, dass sie darauf bedacht gewesen wäre, möglichst schnell aus dem Schatten des in den vergangenen Monaten außenpolitisch eher introvertiert wirkenden Barack Obama zu treten."
denn inwiefern wäre es denn im originär deutschen bzw. französischen oder sagen wir ruhig europäischen interesse gewesen, den syrienkonflikt weiter hochzukochen und damit die spannungen zwischen europa und russland (und china) zu verstärken?
im vergleich steht europa doch jetzt (wahrscheinlich) vor einer entspannungsphase mit russland, die mit clinton erst in ungewisser zukunft zu erwarten gewesen wäre. und das sollte, aus deutscher sicht, doch eine menge der nachteile der wahl stechen.
… “vergleich steht europa doch jetzt (wahrscheinlich) vor einer entspannungsphase mit russland, die mit clinton erst in ungewisser zukunft zu erwarten gewesen wäre.“ Das sehe ich auch so! Und den Planeten braucht auch der Geschäftsmann Trump um Gewinn zu machen … irgendwie scheint das Frau C. Vergessen zu haben! ( Vergessen wurden auch die Kriege und völkerrechtswidrigen Drohnen unter Friedensnobelpreisträger Obama ... und als Außenministerin hat nicht nur in Libyen versagt )!
Das Wirtschaftsmagazin "Forbes" hat doch Angela Merkel zur mächtigsten Frau der Welt gewählt - zum sechsten Mal in Folge. Auf Platz zwei folgt Hillary Clinton! Und beide haben auch die tollen Hosenanzüge! Das verbindet!
Wie es aussieht, weiß Trump gar nicht mal, was die Aufgaben eines US-Präsidenten beinhalten. Darin läge durchaus eine Chance für europäische Politik, wenn diese nicht schon lange ein Abziehbild bzw. orthodox-amerikanischer als die amerikanische selbst wäre. Die Gefahr, die gegeben ist, ist die, daß Trump sich wegen seiner (politischen) Unbedarftheit ggf. sehr manipulierbar erweisen wird. Dritte Variante: er füllt das Amt unorthodox aus und wird somit ein Überraschungskandidat werden, der gegenüber vermeintlich Festgezurrtem mit Überraschungen aufwarten wird.
Jedenfalls: Ich schätze, Trump wird n a c h seiner Amtszeit Philosoph sein. - lol
"orthodox-amerikanischer als die amerikanische selbst wäre." Wie das bei Konvertiten allgemein üblich ist.
"Jedenfalls: Ich schätze, Trump wird n a c h seiner Amtszeit Philosoph sein. - lol" Oder tritt mit einer Klampfe im Bundestag auf!
Der Tiger kommt.
Europa könnte nur dann wieder mäher zusammenrücken, wenn Deutschland seine austeritätspolitischen Diktate und den sich darauf gründenden Kurs aufgibt. Aber dazu dürfte es kaum kommen.
Sie haben ein gefährlich gutes Gedächtnis, aber danke - war nè nette Geste!
Ach ja,..wer dem elenden russichen Spiel nichts entgegensetzen kann, der darf sich hier im eigenen Land nicht als Hüter irgendwelche Werte aufspielen
Also ganz kurz nur , macht Geschäfte mit den Korruptis in RU , blockiert den Hackerzustrom aus dem Land des kaputten Menschenbildes und schickt die 5. Kolone der Typen, die wir mit Waffenschnidts Hilfe nach Deutschand gelassen haben, wieder dahin wo die kaputten Typen hingehören..hinter den Ural.
>>Er nutzt die Gelegenheit endlich einmal seine eigenen (unabhängig vom großen Einflüsterer aus Übersee) Vorstellungen einer bürgerfreundlichen europäischen Politik zu artikulieren.<<
Solange wir die Herrschaftverhältnisse nicht grundlegend ändern ( zeitnahe wohl nicht gelingen wird) haben wir die Wahl zwischen einer für den nichtbesitzenden Teil der Bürger schlechter Politik oder katastrophaler Politk.
Stichwort Obama. Eine große Enttäuschung für mich und hat mir zum wiederholten male aufgezeigt, wer die Suppe kocht und das man sogar eine neue Definition für Demokratie benötigt! Und dieses “Achselzucken“ sind doch die Symptome einer arroganten westlichen (“Schüttellähmung“) - die ich auch für überwunden gehalten habe! Pustekuchen!
Ja, richtig, aber Herrschaftsverhältnisse ändern können die Bürger nur, wenn sie (sinnvollerweise in einem konstruktiven demokratischen Verfahren) eine Vorstellung davon entwickeln, wie eine Gesellschaft frei von Ausbeutung und Herrschaft über andere aussehen könnte; und von ihrem gut bezahlten politischen Personal verlangen, diese zu verwirklichen. Insofern immer gut, wenn dies von Einzelnen oder kleinen Gruppen begonnen wird.
Die Unzufriedenen müssen raus aus dem Jammertal. Und statt die Verhältnisse weitere Jahrhunderte zu beklagen und sich allzu übermäßig an der politischen 'Konkurrenz' abzuarbeiten, endlich einmal sagen, was sie eigentlich wollen.