Provokation statt Politik

Israel/Palästina Donald Trumps „Friedensplan“ macht einmal mehr deutlich, dass die Zwei-Staaten-Lösung längst keine realistische Option mehr ist. Wer sollte sie wie durchsetzen?
Donald Trump und Benjamin Netanjahu
Donald Trump und Benjamin Netanjahu

Foto: Mandel Ngan/AFP/Getty Images

Dieser „Friedensplan“ schreibt fort, was seit dem Amtsantritt von Donald Trump Anfang 2017 die Maxime seiner Palästina-Politik ist: Sich ohne den Hauch eines Dissenses mit Israel, besonders aber der Regierung von Benjamin Netanjahu zu identifizieren. Erst im März 2019 wurde die Annexion der Golan-Höhen von der Trump-Regierung als rechtmäßig eingestuft, zuvor im Dezember 2017 Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt und zugleich verfügt, die US-Botschaft dorthin zu verlegen.

Das heißt, man ist mit der israelischen Besatzungspolitik inzwischen in einer Weise verbunden, wie das in der Regierungszeit Barack Obamas nie der Fall war, aber auch auf republikanische Vorgänger wie George W. Bush, dessen Vater George H. W. Bush oder Ronald Reagan bei aller Parteinahme für Israel kaum je zutraf. Allein das ist bemerkenswert. Es provoziert Präsident Abbas, seine Autonomiebehörde und die dort durchaus vorhandenen verhandlungswilligen Kräfte. Sie alle können nur das Gesicht verlieren, gehen sie darauf, was der US-Präsident soeben im Beisein von Netanjahu als „Jahrhundertdeal“ offeriert hat.

Welche Staaten-Lösung?

Damit wird eine Zwei-Staaten-Lösung von der denkbaren Option zu illusionären Fiktion. Wer wollte sie durchsetzen und wie? Weshalb bietet der US-Präsident den Palästinensern Vororte Ostjerusalems als Hauptstadt an, wenn er doch genau weiß (oder wissen müsste), dass sie darauf nie eingehen werden. Welcher Hohn, nun auch noch eine israelische Annexion des Jordantals, ein Drittel des Territoriums und die "Grüne Lunge" der Westbank, abzusegnen und so zu tun, als würden die Palästinenser dadurch erst recht Gefallen an einem Staat ohne Land finden.

Auf diesen „Jahrhundertdeal“ kann es nur eine Antwort geben: Man muss die Ein-Staaten-Lösung auf die Agenda setzen und Israel dazu auffordern, das gesamte Westjordanland zu übernehmen und allen Bewohnern die vollen Rechte von Staatsbürgern einzuräumen. Der Staat Israel würde zum multinationalen Projekt und wäre um seiner selbst willen auf inneren Frieden geeicht. Wer diesen Gedanken für total abwegig hält, sollte Folgendes bedenken: Keine israelische Regierung, wer sie auch immer stellt, hat den Willen, den Rückhalt und die Mittel, Siedlungen aufzulösen und deren Bewohner in israelisches Kernland zurückzuführen.

Die Landnahme in der Westbank erweist sich als irreversibler Vorgang. Wenn das so ist – und wer wollte das ernsthaft bestreiten? –, bleibt es unerlässlich, die Palästinenser wie ein kolonisiertes, kontrolliertes, in Westbank-Kantone gedrängtes Volk zu behandeln. Was auf Dauer keine Lösung sein kann. Der Preis für die Sicherheit wie das Verteidigungsvermögen Israels in der Region wäre zu hoch. Weil sich auch die Trump-Regierung dessen natürlich bewusst ist, stellt sie mit ihrem Friedensplan den Palästinensern Finanzhilfen von bis zu 50 Milliarden Dollar in Aussicht, falls sie dem Terror abschwören.

Immerhin zirkusreif

Im Klartext, wenn sie das ihnen zugedachte Schicksal einer domestizierter Community widerstandslos hinnehmen und sich mit einem Scheinstaat begnügen. Geld gegen Land, Ehre und Gewissen, ein oligarchisches Gebaren, als Politik missverstanden, aber immerhin zirkusreif. Diese Anmaßung hat es redlich verdient, beim Wort genommen zu werden und zu sagen: Wenn ihr Israel stetig vergrößert und so den Palästinenserstaat verhindert, warum dann nicht gleich einen Bundesstaat aller Nationalitäten in Palästina schaffen? Was Trump und Netanjahu nicht wollen, aber heraufbeschwören, sollten die Palästinenser nicht ausschließen.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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