Puzzeln bis zum Proporz

Europäische Union Es muss viel passen, um die EU-Spitzenposten so zu besetzen, dass alle 28 EU-Staaten zustimmen. Ein Gipfel Ende August soll den Durchbruch bringen. Sicher ist das nicht
Ausgabe 31/2014
Fest steht bisher nur der Luxemburger Jean-Claude Juncker als gewählter Kommissionspräsident
Fest steht bisher nur der Luxemburger Jean-Claude Juncker als gewählter Kommissionspräsident

Foto: Axel Schmidt/ AFP/ Getty Images

Mann oder Frau, Nord oder Süd, West oder Ost, Eurostaat-oder Nicht-Euro-Staat, Rechts oder Links, Altmitglied oder EU-Debütant – es sind so viele Kriterien zu berücksichtgen, wenn über den künftigen EU-Ratspräsidenten, den EU-Außenminister oder die Ministerin, die kommenden EU-Kommissare und nicht zuletzt über den Chef der Eurogruppe zu befinden ist, damit die Melange auch wirklich stimmt.

Fest steht bisher nur der Luxemburger Jean-Claude Juncker als gewählter Kommissionspräsident. Dem muss sich alles zuordnen, einem Konservativen aus dem christdemokratischen Lager der Europäischen Volkspartei (EVP), damit die anderen Lager, besonders die europäischen Sozialdemokraten, gleichfalls zu ihrem Recht kommen. Dass Martin Schulz zunächst einmal Präsident des EU-Parlaments bleibt, dürfte ihnen nicht reichen.

Vermutlich wird das ideale Personalpaket nur schwer zu finden sein. Es gibt Aspiranten für die Ratspräsidentschaft wie die Koordination der EU-Außenpolitik, die in Betracht kommen, aber alles andere als gesetzt sind.

http://imageshack.com/a/img673/9940/bx6frl.jpg Werner Faymann (54)

Da die Arrangements bei den EU-Spitzenjobs an Große Koalitionen erinnern, wäre Österreichs Kanzler schon geeignet für die Ratspräsidentschaft. Der Sozialdemokrat führt seit 2008 in Wien die Regierungsallianz aus SPÖ und ÖVP. Mit Faymann könnte sich Paris anfreunden, müsste dafür aber Élisabeth Guigou als eigene (sozialistische) Bewerberin für das EU-Außenamt aufgeben. Schon denkbar, würde Pierre Moscovici dafür EU-Wirtschafts- und Währungskommissar.

http://imageshack.com/a/img538/7181/j6N9xl.jpg Helle Thorning-Schmidt (47)

Eine potente Ratspräsidentin, keine Frage. Nur kommt sie aus einem Nicht-Euroland – und ist Sozialdemokratin. Andererseits ging Dänemark bei EU-Spitzen-posten oft leer aus. Im Sinne des West/Ost-, Frau/Mann- wie Links/Rechts-Proporzes könnte Thorning-Schmidt der konservative Pole Sikorski als Außenbeauftragter beigestellt werden. Nicht jedoch Kristalina Georgieva (Frau/Frau), Junckers Favoritin aus Bulgarien.

http://imageshack.com/a/img537/7751/Zsh116.jpg Mark Rutte (47)

Wenn die deutsche Kanzlerin den Sozialdemokraten keinen Trostpreis für den als Kommissionspräsident gescheiterten Martin Schulz gönnt, könnte der rechtsliberale niederländische Premier ihr Mann für die Ratspräsidentschaft sein. Der Nachteil: Jeroen Dijsselbloem, einst Ruttes Finanzminister, könnte nicht Chef der Eurogruppe bleiben und müsste Spaniens Finanzminister Luis de Guindos weichen. Aber das zeichnet sich sowieso ab.

http://imageshack.com/a/img538/3446/RUjkzW.jpg Kristalina Georgieva (60)

Einst Vizepräsidentin der Weltbank, hat die Bulgarin als EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe einen exzellenten Ruf. Jean-Claude Juncker will mit ihr die EU-Außenpolitik betreiben. Georgieva wäre als EU-Außenbeauftragte zugleich seine Vizepräsidentin in der Kommission. Damit würde der Osten zwar in der EU-Spitze vorrücken, aber mit Bulgarien auch ein EU-Debütant und traditioneller Russland-Versteher exponiert. Gefällt das Polen? Ungarn? Den Balten?

http://imageshack.com/a/img539/4856/P08VFQ.jpg Radek Sikorski (51)

Wenn jemand als EU-Außenbeauftragter Moskau die Kante geben will, dann Polens Außenminister, den aber eine Abhöraffäre belastet. Es geht um Gespräche, bei denen er sich obszön und abfällig über die USA äußert. Lange schien er der Wasserträger Washingtons in Osteuropa zu sein – das ist vorbei. Sikorski gibt sich forsch und zielstrebig. Er könnte für eine EU-Außenpolitik sorgen, die diesen Namen tatsächlich verdient.

http://imageshack.com/a/img540/7338/h7dpDu.jpg Federica Mogherini (41)

Folgt Italiens Außenministerin auf Catherine Ashton, hätte Premier Matteo Renzi einen verwegenen Coup gelandet, sich aber das Leben nicht leichter gemacht. Ratspräsident müsste dann ein Mann, noch dazu ein Konservativer werden – das Aus für die Dänin Helle Thorning-Schmidt. Ganz abgesehen davon, dass Mogherini nach einer Blitzkarriere (vier Monate im Amt) kaum mit Erfahrung glänzt und ihr Jean-Claude Juncker nicht eben gewogen scheint.

http://imageshack.com/a/img633/5271/Tt0AoT.jpg Élisabeth Guigou (67)

Die französische Sozialistin hätte als EU-Außenministerin das Plazet von einem Dutzend EU-Staaten, nicht zuletzt Italiens. Die ehemalige Justizministerin wäre ein linkes Pendant zum Christdemokraten Juncker an der Kommissionsspitze. Freilich müssten dann wohl mögliche sozialdemokratische Ratspräsidenten wie der Österreicher Faymann und die Dänin Thorning-Schmidt die Segel streichen.

http://imageshack.com/a/img674/9599/Ye6sg0.jpg Karel De Gucht (60)

Der flämische Liberale könnte die Überraschung sein, wenn Mogherini, Sikorski und Georgieva leer ausgehen. Er hat als früherer Außenminister Belgiens beste Referenzen und kennt als derzeitiger Handelskommissar die EU-Bürokratie. Mit De Gucht wäre wieder Thorning-Schmidt als Ratspräsidentin im Spiel. Wegen der Ost-West-Balance sogar Polens Premier Donald Tusk, den Angela Merkel sehr schätzt.

http://imageshack.com/a/img911/7016/FGIeQF.jpg Carl Bildt (65)

Schwedens Außenamtschef könnte zeigen, was Catherine Ashton alsEU-Außenbeauftragter so fehlte – Format und Durchsetzungskraft. Bildt passt als moderater Konservativer zu einer sozialdemokratischen Ratspräsidentin Thorning-Schmidt, nicht aber geo-grafisch (zwei aus dem Norden). Auch scheint die Paarung Juncker-Bildt problematisch. Zwei Männer und beide rechts von der Mitte: Frankreichs Veto wäre sicher.

Für Sie oder Ihren Hasen

6 Monate den Freitag mit Oster-Rabatt schenken und Wunschprämie aussuchen

Geschrieben von

Verändern Sie mit guten Argumenten die Welt. Testen Sie den Freitag in Ihrem bevorzugten Format — kostenlos.

Print

Die wichtigsten Seiten zum Weltgeschehen auf Papier: Holen Sie sich den Freitag jede Woche nach Hause.

Jetzt kostenlos testen

Digital

Ohne Limits auf dem Gerät Ihrer Wahl: Entdecken Sie Freitag+ auf unserer Website und lesen Sie jede Ausgabe als E-Paper.

Jetzt kostenlos testen

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden