Quereinsteiger Iran

Nahost Im Persischen Golf tobt ein asymmetrischer Wirtschaftskrieg
Ausgabe 30/2019
Iranische Soldaten während einer jährlichen Militärparade
Iranische Soldaten während einer jährlichen Militärparade

Foto: Majid/Getty Images

Ein Recht auf Widerstand hat die Regierung in Teheran spätestens in dem Moment reklamiert, als sie den USA vorwarf, einen Wirtschaftskrieg gegen ihr Land zu führen. Dass sie darauf antwortet, gehört zum Recht auf Selbstverteidigung. Dass es sich um eine asymmetrische Antwort handelt, resultiert aus dem Kräfteverhältnis zwischen den Kombattanten. Wie eine asymmetrische Konfrontation zum asymmetrischen Wirtschaftskrieg mutieren kann, ist die Erfahrung dieser Tage.

Was sich derzeit im Persischen Golf, besonders in der Straße von Hormus, abspielt, ist genau das. Wie ein Kunstgegenstand für ein kunstsinniges Publikum sorgt, beansprucht jeder Konflikt das ihm eigene Konfliktmuster. Worin besteht es in diesem Fall? Dass sich der Schwächere gegenüber dem Starken durch maritime Partisanenaktionen zu behaupten sucht? Vom ersten Eindruck her mag das zutreffen. Tatsächlich jedoch erweist sich die Interventionsmacht der Islamischen Republik im internationalen Schiffsverkehr nicht als schwach. Sie ist wirksam, flexibel und agil. Immerhin sind die iranischen Revolutionsgardisten darauf bedacht, im Persischen Golf ihr Druckpotenzial auszuspielen, wenn nicht gar eine Drohkulisse aufzubauen. Je länger der Öltransfer durch die Kontrolle und die Konfiszierung von Tankern wie dem britischen Schiff Stena Impero beeinträchtigt wird, desto mehr wird das dem internationalen Ölhandel zusetzen, sich auf Absatz, Preise und Liefersicherheit auswirken.

Damit keine Unklarheiten über Ursache und Wirkung aufkommen: Diesen asymmetrischen Schlagabtausch haben die USA mit ihrer Sanktionswut ausgelöst. Der Iran ist eine Art Quereinsteiger. Er hat keine Wahl, als darauf mit den Mitteln zu reagieren und zu kämpfen, die ihm geblieben sind. Dabei dürften die Regierung von Präsident Rohani und die Kommandeure der Revolutionswächter genug Realismus aufbringen, um zu wissen, dass sie bei einer Auseinandersetzung dieses Zuschnitts nicht viel gewinnen. Allerdings lässt sich der Gegner zermürben, wenn nicht zum vorübergehenden Einlenken bringen.

Gebraucht wird taktisches Geschick, das von den taktischen Fehlern des US-Präsidenten profitiert. Und die sind kaum zu vermeiden, solange die innenpolitischen Effekte von Donald Trumps Iran-Politik so extrem wichtig sind – gut 15 Monate vor der nächsten Wahl, die schließlich eine Wiederwahl sein soll.

Als der Commander-in-Chief Mitte Juni nach dem mutmaßlichen Abschuss einer US-Drohne durch den Iran erst zu einer Vergeltungsaktion ausholte, um sie dann angeblich zehn Minuten vor dem Vollzug zu stornieren, sollte das den Amerikanern wohl bedeuten, wie verantwortungsvoll das Weiße Haus doch agiert. Der Iran konnte dem abgesagten Angriff entnehmen: Trump ist sich der Risiken einer militärischen Eskalation sehr wohl bewusst. Er muss vorsichtig sein. Einen Militärschlag schließt das natürlich nicht aus, aber man kann sich wehren, ohne sofort bestraft zu werden.

In Indochina, speziell in Vietnam, in Afghanistan oder im Irak sind Großmächte am asymmetrischen Widerstand ihrer Gegner gescheitert und traten demoralisiert den Rückzug an. Als es dazu kam, erschien das nachvollziehbar, unausweichlich, legitim. Noch wird dem Iran diese Optik nicht zuteil, aber er hat sie verdient. Wo steht im Völkerrecht geschrieben, wie das verbürgte Recht auf Selbstbehauptung wahrzunehmen ist?

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen.

Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zur Wochenzeitung Freitag. Dort arbeitete es von 1996-2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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