Schirmherr Trump

Nahost Die Interessen, die Trump mit seinen diplomatischen Vorstößen im arabischen Raum vertritt, liegen auf der Hand
Ausgabe 44/2020
Trump spricht mit Israels Premier Netanjahu über das Friedensabkommen mit dem Sudan. Seine Gefolgschaft ist begeistert
Trump spricht mit Israels Premier Netanjahu über das Friedensabkommen mit dem Sudan. Seine Gefolgschaft ist begeistert

Foto: Win McNamee/Getty Images

Wie nennt man das? Eine Kettenreaktion? Erst normalisiert das Königreich Bahrain sein Verhältnis zu Israel, es folgen am 13. August mit dem Abraham-Abkommen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Jetzt stellt die sudanesische Regierung in Aussicht, sie werde diplomatische Beziehungen mit dem jüdischen Staat aufnehmen. Es ist Donald Trump, nicht Außenminister Pompeo, der diese Absicht verkündet und den Sudan prompt von der Liste terrorverdächtiger Staaten streicht. Schließlich darf am 1. September erstmals eine in Israel gestartete Maschine durch den saudischen Luftraum fliegen und hat Trumps Schwiegersohn Jared Kushner an Bord. Wird sich demnächst die Arabische Liga in Gänze zur Koexistenz statt Konfrontation mit Israel bekennen?

Eine rhetorische Frage, aber nicht so abwegig wie noch vor einem Jahrzehnt. Woran die Trump-Administration einen Anteil hat. Sie kann in ihrer Nahostpolitik nicht darauf reduziert werden, 2018 den Atomvertrag mit dem Iran gekappt zu haben. Sie vermochte sich auch anderweitig wirkungsvoll in Szene zu setzen. Zum Beispiel als Schirmherr von mehr Normalität zwischen Israel und der arabischen Umgebung. Welche Interessen dabei im Spiel sind, liegt auf der Hand. Sie werden durch die Stoßrichtung dieser diplomatischen Offensive mühelos erkennbar. Die Verlierer der zitierten arabisch-israelischen Arrangements sind unschwer auszumachen – der Iran und die Palästinenser. Letztere büßen weiter ein, was bisher als Rückhalt der arabischen Welt galt, aber schon lange brüchig war und wirkungslos blieb. Es wird nochmals minimiert, was die Autonomiebehörde in Ramallah gegen die Annexion von Teilen der Westbank aufbieten kann, die sich unerbittlich abzeichnet. Die EU kann dagegen nichts ausrichten, auch wenn sie wollte. Die Arabische Liga wird dagegen nichts bewirken, auch wenn sie könnte. Spricht sie künftig von der „unabdingbaren“ Zwei-Staaten-Lösung für Palästina, kaut sie Asche und wird es eher früher als später ganz lassen.

Teheran verheißt der diplomatische Einbruch Israels in die arabische Phalanx, dass sich die geostrategische Situation ernsthaft verändert, daraus Einkreisung oder gar Belagerung werden kann. Die Islamische Republik wird einmal mehr unter Druck gesetzt, nicht weil sie mit Bahrain, den Emiraten, dem Sudan und demnächst womöglich Saudi-Arabien Verbündete verliert. Das waren diese Länder nie, im Gegenteil.

Worum es geht, das ist der Einbruch in eine Gemeinschaft von Staaten, die auf Abstand und Gegnerschaft zu Israel bedacht waren. Indem er einen nach dem anderen herauszulösen versteht, zeigt Donald Trump, über welche Facetten seine Politik des „maximalen Drucks“ gegenüber dem Iran verfügt. Es sind nicht nur massive Sanktionen, um die iranische Ökonomie zu ersticken und die Bevölkerung zum Aufruhr anzustacheln. Zum Repertoire zählen gleichsam die Angriffe auf die regionalmächtige Präsenz des Iran, die bisher nicht nur eine Frage der Macht, sondern auch ein Gebot der Sicherheit war, in Syrien nicht anders als im Irak oder Libanon.

Sollte Joe Biden die US-Wahlen gewinnen, muss er diesen Trump-Nachlass schlucken. Das übergeordnete Motiv dieser Politik wird ihn dazu zwingen. Breschen in das arabische Lager zu schlagen, das heißt aus amerikanischer Sicht, die Sicherheit Israels zu erhöhen. Und ein US-Präsident darf nicht einmal den Anschein erwecken, daran Abstriche zu machen.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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