Schlag auf die nukleare Pauke

Atomtest Pjöngjang handelt in dem Glauben, dass sich die USA grundsätzlich mit der Atomacht Nordkorea abgefunden haben und derzeit mit dem Iran genug beschäftigt sind

Nun scheinen die Fronten endgültig verhärtet. Die nordkoreanische Regierung hat noch einmal zum Schlag auf die nukleare Pauke ausgeholt und damit ihren Anspruch erhärtet, ein Outlaw der internationalen Gemeinschaft zu sein, die es sich nun erst recht als Verdienst anrechnen dürfte, den kommunistischen Staat schon immer so behandelt zu haben. Schon lange, bevor Pjöngjang auf die Idee kam, sich durch seine nukleare Ertüchtigung auf die Rolle festlegen zu lassen, für es längst besetzt war. Einmal Schurke, immer Schurke. Eine späte Genugtuung für George Bush? Eher das verkorkste Erbe seiner Konfrontationspolitik, die Nordkorea in seinem Hang zur Selbstisolation nach Kräften bestärkt hat, weil das Agreed Frameworkdie amerikanisch-nordkoreanische Rahmenvereinbarung von 1994 – schon unter Bill Clinton, erst recht aber zu Zeiten der Bush-Regierung schuldig blieb, was damit einst versprochen wurde: Ökonomische Vergünstigungen gegen nuklearen Verzicht – Kooperation statt Konfrontation.

Es wäre auch zu fragen, ob es sich als kluge, vorausschauende Entscheidung erwiesen hat, nach dem Start einer nordkoreanischen Mittelstrecken-Rakete Anfang April im UN-Sicherheitsrat ein Land zu maßregeln, das kaum anderes tat als andere Atommächte gelegentlich auch. Es ist beispielsweise nichts über den Versuch bekannt, Frankreich im Sicherheitsrat dafür anzuklagen, dass sich Jacques Chirac im Frühsommer 1996 mit einer ganzen Testserie auf dem Mururoa-Atoll als Präsident einführte. Vom Umgang mit Indien und Pakistan ganz zu schweigen.

Seit April boykottiert Pjöngjang die so genannte Sechser-Runde mit Südkorea, Japan, China, Russland und den USA. Nach dem jetzigen Test scheint klar zu sein, in absehbarer Zeit werden Emissäre von Kim Jong-Il in dieses Gremium nicht zurückfinden. Schon die feindselige Position der derzeitigen Administration in Seoul unter Präsident Lee Myung-bak bürgt zuverlässig für der fortgesetzten Schlagabtausch. Um wieder am Verhandlungstisch Platz zu nehmen, müsste Nordkorea eingeladen und mit einer Geste des Respekts (offiziell wird eine Entschuldigung gefordert) bedacht werden. Alles sonst liefe für Kim Jong-Il auf Gesichtsverlust hinaus und würde die Frage aufwerfen, wozu einen solchen Konflikt riskieren, wenn danach nichts weiter übrig bleibt als der reumütige Kotau auf diplomatischem Parkett?

In Pjöngjang dürfte der Eindruck bestimmend sein, dass sich die USA grundsätzlich mit der Atomacht Nordkorea abgefunden haben und früher oder später zu Umgangsformen durchringen, wie sie auch mit den Atommächten Pakistan, Indien und Israel üblich sind. Ein Poker-, vor allem aber ein Zeitspiel. Barack Obama bedrängt die Iran-Frage auf absehbare Zeit sehr viel mehr als die nuklearen Sündenfälle der Nordkoreaner.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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