Ausgerechnet zum Jahreswechsel mit seinen Heilsbotschaften wirkt der Friede in der Währungsunion brüchig, weil durch Demokratie bedroht. Die Aussicht auf eine Wahlentscheidung am 25. Januar in Griechenland ist daran schuld. Eigentlich sollten Wahlen für eine Demokratie keine Gefahr sein, sondern deren Existenz bestätigen. Was allerdings voraussetzt, dass Demokratie ein Existenzrecht genießt und keinen Duldungsstatus hat.
Für Griechenland ist leider genau das der Fall. Zumindest in den Augen der politischen und medialen Parteigänger der seit 2011 verfolgten Euro-Rettungsakte. Für sie sind in Athen nur Regierungen zulässig, die sich einem harten Sanierungs- und Sparkurs fügen, der große Teile der Bevölkerung seit fünf Jahren ei
rung seit fünf Jahren einem sozialen Aderlass sondergleichen aussetzt. Wer dies für angemessen hält, dem gelten Neuwahlen als Anmaßung und überflüssig. Der fühlt sich berufen, möglichen Wahlsiegern vorsorglich die Instrumente zu zeigen, als sei das Votum schon entschieden. Schlimmer denn jeZwar rangiert die Linksallianz Syriza bisher in den Prognosen mit etwa 30 Prozent ganz vorn, doch bleibt offen, ob sich daraus nach dem 25. Januar ein Regierungsauftrag ergibt. Die von der EU geschürte Angstkampagne wird Wirkung zeigen. Zudem kann sich die angeschlagene Nea Dimokratia (ND) von Premier Antonis Samaras erholen und vielen Wählern als das kleinere Übel der minimierten Risiken erscheinen. Nicht zu vergessen, Syriza würde auf Koalitionäre angewiesen sein. Es wird mit einer sozialdemokratischen Neugründung durch PASOK-Politiker wie Ex-Premier Giorgos Papandreou gerechnet. Doch ob es dazu kommt? Und daraus ein Partner für Syriza erwächst? Sicherheitshalber wird Syriza-Führer Alexis Tsipras bereits verwarnt, ermahnt, angefeindet und durch die Lüge diffamiert, er wolle für sein Land den Euro abschaffen. Gebetsmühlenartig wird insistiert: Wer sich den Troika-Auflagen nicht beugt und stattdessen über das gesamte Hilfsprogramm neu verhandeln will, ist des Teufels und riskiert den Ruin Griechenlands. Es werden Kausalketten simuliert: Ende des Hilfsprogramms, Kreditentzug, Staatsbankrott, Ausstieg aus der Eurozone, Rückkehr zur Drachme, ökonomisches Chaos, Fall ins Bodenlose – alles wird schlimmer, als es je war. Es sind die üblichen Szenarien, mit denen seit 2010 jede Regierung in Athen zur Räson gebracht worden ist. Totalausfall für die GläubigerFreilich würde die Währungsunion gleichsam Schaden nehmen, gäbe es das angedeutete Worst-Case-Szenario wirklich. Vor aller Welt wäre der Nachweis erbracht, dass in der Eurozone ein Krisenmanagement gescheitert ist, das besonders aus deutscher Sicht als alternativlose galt. Das ökonomische Konstrukt Eurozone hätte sich einmal mehr als hinfällig erwiesen. Das würde bei Geldgebern die Neigung verstärken, vergebene Kredite durch hohe Zinsen absichern zu lassen oder auf Investitionen im Euroraum ganz zu verzichten. Man darf gespannt sein, wie die EZB solchem Vertrauensverlust begegnet, der verheerend wäre. Und das aus einem fatalen Grund: Bei einem Totalausfall Griechenlands müssten dessen staatliche Gläubiger – alle an den Hilfsprogramm beteiligten Euroländer – mit einem Totalausfall ihrer Griechenland-Bürgschaften aus der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und dem Stabilitätsmechanismus (ESM) rechnen. Da nun aber die EZB nur so viel finanzielles Gewicht auf die Waage bringen kann, wie das die Eurostaaten als ihre Gesellschafter vermögen, würde ein nochmaliger Eurorettungsschwur von EZB-Präsident Mario Draghi wie der vom Sommer 2012 von heftigen Zweifeln begleitet. Die deutsche Kanzlerin wird sich daher mit aller Vehemenz dagegen stemmen, dass in Athen ein Widersacher wie Alexis Tsipras den Kopf hebt, um ihr die Stirn zu bieten. Sie hat im Namen eines deutschen Euro-Nationalismus Resteuropa ihre Stabilitätspolitik aufgezwungen – von Anfang an kompromisslos, zuweilen nachsichtig gegenüber Italien und Frankreich, stets gnadenlos gegenüber Griechenland oder auch Zypern. Ein Syriza-Premier, der das nicht länger hinnimmt, wäre als politisches Fallout der bisherigen Euro-Rettungsdogmen die Herausforderung für Berlin.Man würde alles tun, um ein Exempel zu statuieren, damit bisherige Dominanz unangefochten bleibt. Es dürften eine Erfahrung bemüht werden, die sich schon einmal im Umgang mit einem Athener Regierungschef sammeln ließ. Anfang November 2011 war der damalige PASOK-Premier Papandreou plötzlich auf die Idee verfallen, ein Referendum zu den Spardiktaten abzuhalten, die seinerzeit von der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zur Bedingung für Hilfen erhoben wurden. Papandreous DemütigungMerkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy stoppten daraufhin umgehend die Auszahlung von acht Milliarden Euro Hilfsgeldern. Griechenland winkte die Insolvenz, Papandreou musste kapitulieren, die Volksabstimmung absagen und für den Nachfolger Lucas Papademos Platz machen. Was ihn bewogen hatte, das Volk zu befragen – Scheu vor der Verantwortung für das heraufziehende ökonomische Strafgericht oder Trotz und Widerstand oder die Hoffnung auf Konzessionen seitens der EU und des IWF – es ließ sich nie mit Bestimmtheit entschlüsseln. Doch lässt sich unschwer prophezeien, dass für Tsipras ein vergleichbarer Kotau ausersehen ist. Nur mit dem Unterschied, dass vermutlich drakonischer vorgegangen wird, um ein Zeichen der allgemeinen Disziplinierung im Euroraum zu setzen, Nachahmer zu warnen und die neoliberale Ausrichtung EU-Europas gerade gegenüber einem linken Volkstribun und seinen Anhängern durchzusetzen. Eklat und EffektWenn Merkel die Kraftprobe wagt, darf sich nicht verlieren. Die „Märkte“ würden ihr das nie verzeihen. Freilich sollte man schon fragen, ob der politische Eklat den ökonomischen Effekt wert ist, der alle Eurostaaten träfe, sollte Griechenland tatsächlich gezwungen werden, aus der Währungsunion auszuscheiden. Besser, man verhandelt mit Athen – egal, wer da ab Februar dort regiert – über einen erneuten Schuldenschnitt. Der ist unumgänglich.