Schweiß und Tränen

Obamas Fallbremse Präsident Obama hat ein Konjunkturprogramm unterzeichnet, das den Rettungsschirm für die Banken flankieren soll - und in der US-Wirtschaftsgeschichte ohne Beispiel ist

Die Sprache bringt es an den Tag, schrieb einst Victor Klemperer in seinem Notizbuch eines Philologen. Ja, sie tut es wirklich, denn als Obama sein Konjunkturprogramm in Denver unterschrieb, tat er das unter anderem mit den Worten: Dies sei „der erste Schritt, um die US-Wirtschaft auf eine solidere Grundlage zu stellen“. Das heißt im Klartext, die amerikanische Ökonomie muss augenblicklich ein solches Fundament entbehren. Was entscheidend damit zusammenhängt, dass es um eine „solide Grundlage“ dieses Konjunkturprogramms nicht zum Besten bestellt ist. Der US-Staat lebt damit weit über seine Verhältnisse, da es jetzt schon ein Budgetdefizit von mehr als 1.500 Milliarden Dollar gibt. Mit anderen Worten: Die Kreditofferten für US-Bundesstaaten und US-Kommunen, die Mittel für das große Infrastruktur-Programm sind ihrerseits kreditfinanziert. Die staatliche Bremskraft für den freien Fall der Privatwirtschaft ist quasi ausgeliehen. Die Gläubiger an den internationalen Kapitalmärkten, vor allem die Staatsfonds, gehen da nur mit, weil es sich beim Schuldner um den mutmaßlich mächtigsten Staat der Welt handelt, an den man sich halten kann. Bei anderen Schuldnerländern wie Island und demnächst vermutlich Irland wären sie damit schlecht beraten.

Der US-Präsident kann den Zusammenbruch des US-Arbeitsmarktes nur aufhalten, wenn er auch dem Bankensystem wieder Leben einhaucht, doch das wird so schnell kaum möglich sein. Inzwischen gehen seriöse Analysen davon aus, dass die Wertabschreibungen aller US-Banken in einer Größenordnung von zwei Billionen Dollar liegen könnten. Das bedeutet zweierlei, zum einen hat die Krise ihren Zenit noch nicht erreicht, zum anderen werden die Einbrüche in der Eigenkapital-Decke der betreffenden Institute so gravierend sein, dass sie als Antriebsmotor außer Tritt geratener geratener Unternehmen und Branchen ausfallen dürften. Die aber brauchen den Überlebensschub von außen, soll die Endlichkeit ihres Daseins nicht besiegelt sein.

Für den US-Automobilbau kann 2009 getrost zum Schicksalsjahr ausgerufen werden. General Motors und Chrysler ernähren sich längst aus dem staatlichen Kredittopf. Die gestern von GM noch einmal reklamierten 30 Milliarden Dollar sind nichts weiter als Fensterkitt, um ein baufälliges Haus vor dem Einsturz zu bewahren. Barack Obama muss sich damit herumschlagen, dass sein Vorgänger Bush fast aus dem Stand ein 700-Milliarden-Dollar-Paket an Bürgschaften und Kapitalauffrischungen geschnürt hat, als im Ende September der große Crash an der Wall Street nicht mehr aufzuhalten war. Der Nachfolger kann der Automobilindustrie nicht Gleiches zukommen lassen, auch wenn es dort um Zehntausende – die Zulieferer eingerechnet – Hunderttausende von Jobs geht.

Obama wird damit hadern, dass er die Amtsgeschäfte nicht unmittelbar nach seinem Wahlsieg am 4. November übernehmen konnte, denn erst im IV. Quartal wurde die Talfahrt der US-Wirtschaft endgültig zum freien Fall. Nur ein Beispiel: Von den 2,6 Millionen Arbeitsplätzen, die 2008 insgesamt verloren gingen, wurden 1,5 Millionen erst zwischen Oktober und Dezember gestrichen. Bush sah zu – Obama hätte gehandelt. Zu einem ungünstigeren Zeitpunkt konnte der Wechsel zwischen den Administrationen nicht stattfinden, bei dem eben auch Gesellschaftsbegriffe, Weltbilder und Wirtschaftsphilosophien einander abgelöst haben.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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