Kom Jong Il hat es diesmal mit Glasnost versucht. Aber statt der erhofften Anerkennung hat er seine regionale Umgebung, vor allem Japan, verstört, die USA verärgert und Russland irritiert. Alles wurde beflissen kommuniziert: der geplante Abschusstermin zwischen dem 4. und 8. April, der Typ der Trägerrakete zum Zweck des Satellitentransfers, die etwaige Flugbahn sowie der voraussichtliche Abwurf der einzelnen Stufen des Flugkörpers (sofern technische Pannen ausbleiben).
Nur eines blieb unerwähnt – die politische Botschaft des Unternehmens. Hier verhält sich die Demokratische Volksrepublik Korea wie jeder Staat. Sie spricht nicht aus, was für sich selbst spricht. Sie bestreitet, was ihr unterstellt wird. Sie tut, was ihr aus Staatsräson und Selbsterhalt geboten scheint. Das ist per se weder gut noch schlecht, sondern politisch üblich und aus nordkoreanischer Sicht vermutlich rational. Die Botschaft des geplanten Raketencoups lautet schlicht: Wer uns zum Atomstaat erklärt, wird damit leben können, dass wir in den Weltraum vorstoßen. Andere tun das auch, niemand stört sich daran. Wer uns davon abhalten will, muss mit uns aushandeln, zu welchem Preis wir uns abhalten lassen sollen. Wer etwas über dessen Höhe wissen will, denke an die eine Million Tonnen Rohöl, die von den Amerikanern geliefert wurden, als wir 2007 unseren Atomreaktor Yongbyon abgeschaltet hatten.
Die USA und Japan scheinen freilich Preistreiberei zu wittern, wenn der ökonomische Zwerg so kräftig auf die Raketen-Pauke haut. Darin liegt schließlich die dezente Andeutung: Wir verfügen über Trägerraketen, die notfalls Atomsprengköpfe tragen können, mit denen sich andere Staaten erreichen lassen. Doch deshalb Nordkorea aggressive Absichten zu unterstellen, ist schlichtweg lächerlich angesichts des militärischen und auch nuklearen Potenzials, das die USA gegen den Staat auf der koreanischen Halbinsel in Reserve halten. Nicht nur Kriegsführung, auch Selbstverteidigung kann heutzutage asymmetrisch sein.
Davon abgesehen gibt es einen zwielichtigen Umgang amerikanischer Regierungen mit den atomaren Ambitionen von Staaten, die im Interesse ihres Handlungsspielraums diesen Trumpf gern im Ärmel wissen. Während sich Teheran durch die Bush-Administration wegen eines friedlichen Gebrauchs der Kernenergie mit Kriegsdrohungen konfrontiert sah, wurde mit Pjöngjang stets konzilianter umgegangen. Wohl gehörte auch das Regime von Kim Jong Il in die Kategorie „Schurkenstaaten“, andererseits schien sich das Weiße Haus damit abzufinden, dass es eine potenzielle Atommacht Nordkorea gibt. Die Regierung in Pjöngjang hat es im Gegenzug bei den Sechser-Gesprächen mit den USA, Russland, China, Südkorea und Japan nicht an Kompromissen fehlen lassen, wie die Stilllegung von Yongbyon bezeugt. Dennoch blieb die zugesagte Wirtschaftshilfe der USA marginal und die Koexistenz mit dem Süden Koreas fragil.
Kim Jong Il möchte das offenkundig nicht länger hinnehmen und mit den Amerikanern auf Augenhöhe umgehen. Da sein Land weltpolitisch isoliert ist und ökonomisch entkräftet wirkt, bleibt die Zahl der Joker überschaubar, die sich spielen lassen. In dieser Lage eine Rakete steigen zu lassen, mag in diplomatischer Hinsicht nicht elegant sein. Sinn für Timing beweist es auf jeden Fall: In einer Woche beginnt der NATO-Gipfel, die neue US-Regierung ist gerade dabei, ihre Außenpolitik zu justieren.
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