Niemals hätte sich die Frente Farabunda Marti (FMLN) des Comandante Jorge Shafik-Handal in den achtziger Jahren träumen lassen, auf einem solche Weg die Macht in El Salvador zu erobern. Doch bestehen nach dem Triumph bei den Parlamentswahlen vom Wochenende nun beste Aussichten, dass der FMLN-Kandidat, der populäre Journalist Mauricio Funes, beim Präsidentenvotum am 15. März Rodrigo Aviles, den Bewerber der regierenden rechtskonservativen ARENA-Partei, schlägt. Und das überzeugend, vielleicht mit absoluter Mehrheit.
Während eines zwölf Jahre dauernden Bürgerkrieges zwischen 1980 und 1992 hatte sich die FMLN,vergeblich bemüht, als Guerilla des Volkskrieges ein System der Oligarchen zu erschüttern, das El Salvador nicht weniger in Schach hielt, als es bis 1979 der Somoza-Clan im weiter südlich gelegenen Nicaragua getan hatte. Als die Muchachos der Frente Sandinista (FSLN) am 19. Juli 1979 in Managua einzogen, sprach der Dichter Ernesto Cardenal vom „Frühling der Völker Zentralamerikas“. Man hoffte, dass der bald auch für El Salvador anbrechen und für einen „Herbst der Oligarchen“ im kleinsten Staat auf der Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika sorgen würde.
Doch nach dem Verlust Nicaraguas, das für einige Jahre weit nach links ausscherte, ohne ein zweites Kuba zu sein, schnürte das Amerika Ronald Reagans einer salvadorianischen Revolution den Atem ab. Freilich erreichte die Frente Farabundo Marti auch nie die militärische Stärke der FSLN in Nicaragua. Sie konnte nicht siegen, aber sie konnte auch nicht besiegt werden und musste deshalb von der herrschenden ARENA-Partei als Partner geduldet werden, als am 16. Januar 1992 in Chapultepec (Mexiko) unter UN-Vermittlung ein Friedensabkommen unterzeichnet wurde. Das verfügte nicht nur eine Waffenruhe, sondern auch politische Reformen, die eine 60-jährige Hegemonie der Oligarchie ebenso wenig schonten wie die revolutionäre Aura der FMLN.
Aus ihrer angekündigten Revolution wurde eine verordnete Evolution, aus der Guerilla eine Partei, aus dem radikalen Programm eine reformerische Plattform. Von Sozialdemokratisierung zu sprechen, wäre nicht unbedingt falsch, wenn auch etikettenhaft. Als FMLN-Gründer Shafik-Handal Anfang 2006 verstarb, wurde jedoch die Metamorphose beschleunigt. Mit der Normalisierung der politischen Verhältnisse im Staat El Salvador wurde auch die FMLN zur normalen parlamentarischen Kraft, die schon bei der Präsidentenwahl vom März 2004 nur knapp gegen den ARENA-Kandidaten Elias Antonio Saca gescheitert war. Inzwischen kann sie sich auch eines wachsenden Vertrauens in den Städten erfreuen.
Mauricio Fundes auf der Siegesstraße
Das etwa sieben Millionen Einwohner zählende Land ist trotz gewisser Fortschritte in den vergangenen Jahren nicht über Gebühr vorangekommen. Das Durchschnittseinkommen liegt bei 2.000 Dollar pro Jahr. Salvadorianer in der Diaspora sichern mit ihren Überweisungen vier Prozent der Bruttosozialprodukts – die Zahl der Armen ist zwar gesunken, liegt aber nach Angaben der UN-Entwicklungsorganisation UNDP noch immer bei 40 Prozent. Die FMLN erkennt darin die Folgen eines fundamentalistischen Neoliberalismus der ARENA-Regierungen, die den Markt statt den Menschen ins Zentrum stellen.
Zu Zeiten einer Weltrezession zeigt das Wirkung. Der ungebrochene Linkstrend in Lateinamerika tut ein Übriges. Sollte sich Mauricio Fundes am 15. März durchsetzen, wäre damit nach Brasilien, Venezuela, Bolivien, Paraguay, Ekuador, Uruguay, Chile und Nicaragua das neunte Land des Subkontinent links regiert. Wieder einmal könnte Nicaragua das Vorbild sein, und der dort 2007 - nach drei vergeblichen Anläufen – wieder zum Staatschef gewählte FSLN-Führer Daniel Ortega sich durch einen politisch verwandten Präsidenten in El Salvador bestärkt fühlen.
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