Steinmeier und die Kriegsfurie

Schlacht um Gaza Keine Regierung in der EU reagiert auf den Krieg in Gaza pro-israelischer als die deutsche, wie die Reise von Außenminister Steinmeier ins Kriegsgebiet gezeigt hat

Vom 1995 ermordeten israelischen Premier Yitzhak Rabin ist die Bemerkung überliefert, die Deutschen könnten im Nahen Osten tun, was sie wollten, das sei egal: „Ihr spielt keine Rolle“. Angela Merkel hat dieses Verdikt durchbrochen, wird sie doch von Premier Olmert inzwischen als „strategische Verbündete“ hofiert. Die Formulierung fiel während des Israel-Besuches der Kanzlerin im März 2008, als Merkel eine Rede in der Knesset hielt, deren zionistisches Pathos unverkennbar war. Aus Sorge um eine gewisse Ausgewogenheit während dieser Visite auch den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas im palästinensischen Ramallah zu treffen, schien Merkel nicht erforderlich.

Außenminister Steinmeier hat sich nun mit den Aufenthalten in Ägypten und Israel sowie dem Besuch eines Beobachtungsposten, von dem aus sich der Krieg ohne Risiko besichtigen ließ, einen ebensolchen Ritterschlag wie Merkel verdient. Ganz im Stil eines strategischen Verbündeten kündigte er an, dass Deutschland von ägyptischer Seite aus die Abriegelung des Gaza-Streifens zu unterstützen gedenke, um Nachschub für Hamas zu unterbinden.

Steinmeiers Offerte, formuliert in einem Augenblick, da die Gefechte so heftig und opferreich sind wie nie zuvor seit dem 27. Dezember, wirkt nicht nur so – sie ist eine klare Parteinahme für eine der beiden Kriegsparteien. Israel kann sich in seiner Kriegführung, der Wucht der Zerstörung, der Rücksichtslosigkeit gegenüber der Zivilbevölkerung bestätigt fühlen. Der deutschen Außenminister hat – öffentlich zumindest – mit keinem Wort dieses Austoben der Kriegsfurie, geschweige denn die menschenverachtende Blockade von anderthalb Millionen Bewohnern des Gaza-Streifens in den vergangenen drei Jahren erwähnt. Anstatt sich derer anzunehmen, will Deutschland lieber etwas tun, damit der Zugang zur Isolierstation Gaza künftig noch gründlicher verbarrikadiert ist.

Und um das auch einmal zu sagen: Waffen für Hamas, hin oder her – haben diese Palästinenser eigentlich kein Recht auf Selbstverteidigung? Sind nicht Hunderte ihrer Aktivisten seit 2005 bei den „gezielten Tötungen“ der Israelis umgebracht worden? Sitzen nicht Tausende in israelischen Gefängnissen?

Keine Regierung in der EU hat bisher auf den Krieg um Gaza pro-israelischer regiert als die deutsche, in der einseitigen Schuldzuweisung an Hamas wie mit der Weigerung, auch nur ein Minimum an Kritik gegenüber der israelischen Gaza-Politik seit dem Abzug der israelischen Armee im August/September 2005 zu üben.
Wer Schuldgefühle wegen des Holocaust zu Recht nicht aus seiner Israel-Politik heraushält, der sollte Israel anders helfen als durch eine Parteilichkeit, die in die stillschweigende Billigung des Vernichtungsfeldzug gegen die palästinensische Bevölkerung im Gaza-Streifen mündet. Das bezeugt nicht nur mangelnden Respekt gegenüber Israel und seinen Interessen, sondern gleichermaßen eine politische Wahrnehmung jenseits der Realitäten, die einfach respektiert werden müssen, soll es irgendwann einen Ausgleich zwischen Israelis und Palästinensern geben. Zehn- oder Hunderttausende junger Palästinenser, die in diesen Tagen erleben, was im Gaza-Streifen geschieht, und das Glück haben zu überleben, was kann in denen anderes wachsen als Todfeindschaft gegenüber Israel? Rache als Raison d'etre. Was sonst? Wie lang noch kann und will Israel das aushalten?

Nach Steinmeiers Auftritten bei Mubarak, Olmert und Barak erscheint die Bundesrepublik Deutschland noch weniger als zuvor prädestiniert, sich an einer möglichen Mission von UN-Beobachtern in Gaza zu beteiligen. Man kann Hamas verstehen, wenn sich die Organisation vehement dagegen wehrt. Ganz abgesehen davon, dass auch Israel eine solche Entsendung nicht will. Entscheidend für eine wie auch immer geartete Vermittlung, ist die absolute Neutralität der Vermittler. Wie sollten die sonst für beide Seiten glaubwürdig sein? Deutschland hat einen solchen Status nach Kräften verspielt und viel dafür getan, dass ihn auch die EU nicht im Geringsten beanspruchen kann.


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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

Lutz Herden

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