Stichtag 1. Februar 2014

Mindestlohn Schon in den ersten 100 Tagen des gemeinsamen Regierens würden SPD und Grüne dafür sorgen, dass jeder Arbeitnehmer in Deutschland mindest 8,50 Euro/Stunde verdient

Sie wollen keine Koalition in der Opposition sein, aber ein Bündnis der konzertierten Aktion dann doch. Deshalb plädieren die grüne Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt und SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück für einen deutschlandweiten Mindestlohn von 8,50 Euro und scheren sich wenig darum, dass ihre Parteien einem solchen Projekt während der gemeinsamen Regierungszeit zwischen 1998 und 2005 nicht viel abgewinnen konnten. Möglicherweise hätte eine allseits bindende Lohnuntergrenze seinerzeit die Wirkung der „Agenda 2010“ abgeschwächt. Oder deren soziale Härten?

Weder Kanzler Schröder noch Vizekanzler Fischer wollten etwas davon hören, auch die Gewerkschaften hielten sich bedeckt und Mindestlöhne für keinen gelungenen Beitrag zu Arbeitsplatzsicherheit und Tarifautonomie. Nur die Linkspartei ließ sich nie beirren, so sehr sie auch belächelt und ihr ökonomischer Sachverstand bezweifelt wurde.

Im Sommer 2013 allerdings, gut zwei Monate vor der Bundestagswahl, haben die avisierten 8,50 Euro für die bisherigen „Niedriglöhner“ (Steinbrück) einen solchen Stellenwert, dass sie im Programm der ersten 100 Tagen eines SPD-Kanzlers und Merkel-Nachfolgers bestens aufgehoben scheinen. Es gibt bereits einen stringenten Zeitplan: Als Regierungspartner würden SPD und Grüne noch im Herbst ein entsprechendes Gesetz auf den Weg bringen. Im November oder Dezember könnte der Bundesrat sein Plazet geben, was angesichts der dort herrschenden Mehrheitsverhältnisse – möglicherweise hat dann auch Hessen (dort wird am 22. September ein neuer Landtag gewählt) keine CDU-Regierung mehr – auf einen glatten Durchmarsch hinausliefe.

Am 1. Februar 2014 schon, so Peer Steinbrück vor der Bundespressekonferenz, könnte das Gesetz in Kraft treten. Was sozial gerecht und ökonomisch vernünftig sei, müsse zu seinem Recht kommen. Man solle an den Kaufkrafteffekt denken. Steigen dank des Mindestlohnes die Einkommen tatsächlich um 19 Milliarden Euro im Jahr, erscheint das Label „eigenständiges Konjunkturprogramm“ vertretbar, wie es der SPD-Spitzenmann bereits vergeben hat, als wollte er sich diese Vorschusslorbeeren gönnen, solange ihm die Umfragen nichts schenken.

Hunderte von Mindestlöhnen

Eines steht außer Frage, wenn die 6,8 Millionen Gering-Verdiener in Deutschland ihre Bezüge nicht mehr „aufstocken“ müssen, wie es in der Transfersemantik der Jobcenter und Sozialämter heißt, bringt das dem Staat wegen des höheren Steueraufkommens und den Sozialkassen wegen der steigenden Versicherungsbeiträge einen Finanzschub von sieben bis acht Milliarden Euro. Wer in Berlin regiert und eine für den Bund ab 2016 gültigen Schuldenbremse vor Augen hat, wird das zu schätzen wissen.

Für SPD und Bündnis90/Die Grünen sind hingegen die von CDU/CSU und Kanzlerin Merkel propagierten „Lohnuntergrenzen“, die allein von den Tarifpartnern ausgehandelt werden sollten, nicht sonst als eine Mogelpackung. Es werde dann Hunderte von Mindestlöhnen geben, ist Peer Steinbrück überzeugt – branchenabhängig, unternehmensabhängig, konjunkturabhängig, regional abhängig. Und damit hat er wohl recht.

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