Stop and Go

Konjunktur Die externen Krisenfaktoren zeigen Wirkung. Für die deutsche Wirtschaft gelten sowohl 2014 wie im Blick auf das kommende Jahr nur noch abgespeckte Wachstumsprognosen

Dieser Befund kann nicht über Gebühr erstaunen. Er hat sich abgezeichnet, als im zweiten Quartal der deutschen Wirtschaft ein Wachstumsminus von 0,2 Prozent attestiert werden musste und von anhaltendem Aufschwung keine Rede mehr war. Nun ist es quasi amtlich. Das unternehmernahe Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) schreibt in seiner Herbstprognose das laufende Jahr mehr oder weniger ab. 2014 werde eine Phase der Stagnation sein mit einem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von bestenfalls 1,5 Prozent – 0,5 Prozent weniger als zum Jahresauftakt prophezeit. Offenkundig wollten allzu kühne Konjunkturträume nicht reifen. Es bleibt bei einem Stop- and-Go-Modus der bundesdeutschen Ökonomie, woran sich auch 2015 nichts wesentlich ändert werde, sagen die IW-Analytiker. Vorerst kalkuliere man mit einem Plus von 1,5 Prozent.

Das also kommt dabei heraus, wenn externe Krisenfaktoren ihr Recht beanspruchen und Wirkung zeigen. Und wenn allein mit der Russischen Föderation 145 Millionen Menschen nur noch in Maßen Teil der globalen Arbeitsteilung sein dürfen, weil die EU mit Sanktionen eine gescheiterte Ukraine-Politik auffangen will. Zum Teil würden „die vielfältigen deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen“ auf dem Prüfstand stehen, so das IW. Ausgang offen.

Kollateralschäden der Sanktionen

Vielleicht muss die Ukraine-Krise bald anders erzählt werden, da maßgebliche EU-Regierungen wie die in Berlin der Frage kaum länger ausweichen können, was sie eigentlich erreicht haben mit ihrer politischen Intervention in Kiew und der Blockbildung gegen Russland.

Die Regierung von Präsident Poroschenko klammert sich in ihrem wirtschaftlichen Überleben an die EU und beruft sich auf eine Tribut-Pflicht Europas, wenn mit dem heraufziehenden Winter der ukrainische Energiehaushalt nach Deckung schreit, aber nur gedeckt werden kann, wenn von außen kreditiert wird. Noch-EU-Energiekommissar Günther Oettinger hat bereits den Internationalen Währungsfonds (IWF) ins Gespräch gebracht. Solange jedoch der Gasstreit zwischen Kiew und Moskau schwelt, bleiben ungeklärte Fragen über die Energiesicherheit einiger, nicht eben kleiner EU-Staaten vor dem Winter 2014/15.

Das lässt sich schwerlich als konjunkturfördernd begreifen. Viel mehr trägt es zur Verunsicherung von Investoren in einem ohnehin volatilen makroökonomischen Umfeld bei. Wer nach Kollateralschäden der Embargomaßnahmen gegen Moskau auf Seiten des Verursachers EU sucht, wird hier fündig.

Schließlich gilt der stabile Bezug von Energieträgern gemeinhin als wachstumsfördernd. Wie aber soll es einen solchen Effekt geben, wird Russland nicht das Recht zugestanden, die Gasschulden der Ukraine einzutreiben, bevor über den künftigen Gaspreis entschieden wird?

Verlorener Wirtschaftsraum

Freilich sorgen auch die Kämpfe in Syrien wie im Irak und der neuerliche Anti-Terrorkrieg des Westens für Verunsicherung. Noch verhält sich der Ölpreis atypisch weil antizyklisch, allerdings ist damit zu rechnen, dass es nicht dabei bleibt, falls im Nahen und Mittleren Osten die Förderung des Rohstoffs aufwendiger, vor allem deren Transport über Tanker und Pipelines kostspieliger wird.

Und eines dürfte außer Frage stehen: Nicht nur der neue Anti-Terror-Krieg im Irak und in Syrien, auch der fundamentalistische Rumoren in Algerien, die Al-Qaida-Filialen in Mali, die Anarchie und Unregierbarkeit von Ländern wie Libyen und Somalias oder der nicht abschwellende Bürgerkrieg im Südsudan bewirken, dass ein großer Wirtschaftsraum, der weit nach Afrika hineinreicht, derzeit weder eine politische noch wirtschaftliche Perspektive hat.

Zusätzlich belastet wird die Lage durch teils akute Governance-Probleme wichtiger Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien und Südafrika. Für eine Exportnation wie Deutschland brechen da sicher nicht gleich Welten zusammen, aber doch Märkte weg. Von der nach wie vor labilen Finanzlage Europas mit seinen Hochschulden-Staaten Griechenland, Italien oder Frankreich ganz zu schweigen.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

Lutz Herden

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