Supercop Fed

USA Ein Jahr hat Präsident Obama gebraucht, um seine Finanzmarktreform durch den US-Kongress zu bringen. Ob die Wall Street damit zu zügeln ist, wird sich zeigen

Es dürfte künftig in den USA keine Wiederholung eines 15. September 2008 mehr geben. An jenem Tag, der gemeinhin als Initialzündung der Weltfinanzkrise gilt, war mit Lehman Brothers eine der führenden US-Investmentbanken abstürzt. Andere Institute drohten, mitgerissen zu werden, bis der Auffanggesellschafter Staat das Schlimmste verhinderte und etliche Privatbanken – nicht zuletzt die Immobilien-Versicherer Freddie Mac und Fannie Mae – vor dem Fall ins Bodenlose rettete. Bis auf Widerruf schließt nun die vom Senat mit knapper Mehrheit abgenickte Finanzmarktreform eine Neuauflage dieser Prozedur aus. Das Dodd-Frank-Gesetz – so hieß der Verhandlungsführer im Kongress, der beide Häuser zum Konsens führte – gibt dem Staat künftig das Recht, marode oder gefährdete Banken zu übernehmen – und notfalls zu liquidieren. Die Kosten dafür werden nicht länger dem US-Haushalt aufgebürdet, sondern sind durch einen von den Finanzinstituten selbst geschaffenen Fonds zu schultern. Das deutet auf Selbstreinigung und Selbstkontrolle im System, muss aber den Praxistest noch bestehen.

Als Präsident Obama vor gut einem Jahr das Gerüst dieser Reform entwarf und vorstellte, sah das nach keinem Heimspiel für das Weiße Haus im Kongress aus. Aber der Schock aus den Jahren 2008 und 2009 saß zu tief, gleichsam waren die Lasten für das US-Budget zu schwer, als dass Senatoren und Abgeordnete aus der Demokratischen Partei, aber auch einzelne Republikaner dem Status quo noch viel abgewinnen konnten. Sie müssen freilich in Zukunft hinnehmen, dass die US-Notenbank zum Supercop des Finanzmarktes aufsteigt. Sie wird nicht nur die ständige Aufsicht über Großbanken übernehmen, sondern mit dem neuen Financial Services Oversight Council (FSOC) eine Institution an ihrer Seite haben, die als Frühwarnsystem gedacht ist, um über Risiken im System zu informieren und hautnah bei der Regierung angesiedelt zu sein. Genauer bei Finanzminister Timothy Geithner, der den FSOC gar als eine Art Ethikrat betrachtet. Auch wenn ein solcher Button eher an die ebenfalls mit der Reform vorgesehene Verbraucherschutzagentur (Consumer Financial Protection Agency/CFPA) zu vergeben wäre. Sie wird demnächst alle Finanzdienstleister verpflichten, ihre Produkte aus den Nischen zu holen und vor allem in einer Hinsicht transparenter zu präsentieren: bei der Erklärung der Risiken.

Es ist nicht gelungen, die Höhe der Zinsen bei Kreditkarten zu begrenzen, aber wenigstens gibt es Mindeststandards bei Hypotheken – damit fing bekanntlich alles an. Gleiches ließe sich von den so genannten verbrieften Finanzprodukten sagen, die es weiter geben wird, wenn auch in minimierter Form. Denn Banken, die sich dazu entschließen, die Einlagen ihrer Kunden staatlich abzusichern, müssen der riskanten Emission derartiger Wertpapieren entsagen. Barack Obama wollte das Mega-Gesetz am 4. Juli und damit am Nationalfeiertag unterzeichnen. Diesen Gefallen konnte oder wollte ihm der Kongress nicht tun, auch wenn die Symbolik durchaus angemessen schien, beschert doch das Gesetzeswerk dem US-Finanzsektor die größte Zäsur seit der Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1933.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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