Syrien kehrt in Arabische Liga zurück: Zeichen der Zeit

Meinung Mit der Entscheidung der Arabischen Liga, das 2011 suspendierte Mitglied Syrien wieder aufzunehmen, werden die Auswirkungen eines multipolaren Politikverständnisses im Nahen Osten deutlich. Über Realpolitik im Umgang mit Syrien
Ausgabe 19/2023
Der syrische Präsident Bashar al-Assad (r.) empfängt den Außenminister Saudi-Arabiens Faisal bin Farhan Al Saud (l.)
Der syrische Präsident Bashar al-Assad (r.) empfängt den Außenminister Saudi-Arabiens Faisal bin Farhan Al Saud (l.)

Foto: Imago/APAimages

Präsident Baschar al-Assad wird mit der Rückkehr Syriens in die Arabische Liga weder rehabilitiert noch hofiert. Vielmehr ist der Tatsache Rechnung getragen, dass er einen souveränen Staat führt, und das derzeit alternativlos. Sein Regime konnte internen wie externen Gegnern widerstehen, die seit 2011 dessen Sturz betreiben. Assads Armee und Milizen haben erbittert und gnadenlos um den Machterhaltgekämpft. Den 22 Mitgliedern des arabischen Staatenbundes dürfte das bekannt, manchen davon nicht fremd sein.

Wenn sie die Suspendierung aufheben, fällt das ins Fach „Realpolitische Entscheidung“. Die wird getroffen, um auf der Höhe des eigenen regionalen Geltungsanspruchs zu sein. Man sollte das nüchtern zur Kenntnis nehmen, statt wie in Deutschland aufgebrachte bis hysterische Reaktionen folgen zu lassen, bei denen die Furcht durchschimmert, von den Ereignissen überholt zu werden.

Längst betreiben die Arabischen Emirate, Ägypten, Jordanien und Tunesien wieder Botschaften in Damaskus. Der Irak, Algerien und Palästina wollten die ihren nie schließen. Ende April traf der saudische Außenminister Prinz Faisal Staatschef Assad, um ihm gleichfalls diplomatische Normalität zuzusichern. Diesen Stimmungsumschwung zu ignorieren, schien nicht länger opportun. Die von China moderierte Entkrampfung zwischen Teheran und Riad tat ihr Übriges. Womöglich lässt sich nun sogar der Jemen-Krieg beenden, zumindest aber eindämmen. Da der Iran und Saudi-Arabien jeweils jemenitische Konfliktparteien protegieren, scheinen Übereinkünfte über eine dauerhafte Waffenruhe denkbar. Wie viel damit gewonnen wäre, zeigt der vom Bürgerkrieg geflutete Sudan.

Wer sich in Syrien während der letzten zwölf Jahre mit dem Label „Opposition“ versah, konnte auf westlichen Beistand rechnen, ob es sich um Al-Qaida-Filialen, Hardliner der syrischen Muslim-Bruderschaft oder islamistische Freischärler aus dem Kaukasus handelte. Gerade weil Überzeugungstäter dieser Provenienz die einzige säkulare Ordnung im Nahen Osten schleifen wollten, hatte Assad stets einen Teil der Bevölkerung, vor allem die staatstragende alawitische Minderheit, auf seiner Seite. Es war eine Konsequenz des geopolitischen Kalküls bei der Schlacht um Syrien, dies in den USA oder im Westen überhaupt nach außen hin auszublenden. Assad abzuräumen, hieß, dessen Verbündeten Iran zu treffen.

Ein bislang missglücktes Unterfangen. Es reiht sich ein in Fehlschläge wie die Irak-Besetzung der USA nach dem Angriffskrieg von 2003 oder den durch eine NATO-Luftinvasion erzwungenen Abgang Muammar al-Gaddafis in Libyen. Im einen Fall hinterließen die Eroberer eine von Terror zerrissene Gesellschaft, im anderen einen gescheiterten Staat. Das westliche Dispositiv, durch Interventionen einen Regime Change voranzutreiben, sich aber aus der politischen Verantwortung zu stehlen, wenn darauf Krieg und Chaos, Leid und Vertreibung folgen, wurde zum Fiasko für alle Beteiligten. Weder in Syrien noch im Irak oder in Libyen wurde Demokratie und Menschenrechten gedient, wie es US-Präsidenten, angefangen mit George W. Bush, verkündeten. Den meisten arabischen Staaten dürfte inzwischen klar geworden sein, wie sehr das hegemoniale Prinzip der US-Nahostpolitik abgewirtschaftet hat. Die Arabische Liga wird regelrecht dazu gedrängt, sich als Teil einer multipolaren Weltordnung zu begreifen. Sie rafft sich zu Entschlüssen auf, als gäbe es die schon.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

Lutz Herden

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden