Syriens falsche Freunde

EU-Außenminister Das Waffenembargo gegenüber den Rebellen läuft aus, das Wirtschaftsembargo gegen Assad bleibt. Ein fatales Signal kurz vor einer internationalen Syrien-Konferenz
In Aleppo hat ein Rebell sein Raketenarsenal aufgebaut
In Aleppo hat ein Rebell sein Raketenarsenal aufgebaut

Foto: Tauseef Mustafa / AFP-Photo

Für Europa ist es alles anderes als ein „starkes Zeichen“, das der britische Außenminister William Hague wahrgenommen haben will. Wenn sich die EU-Außenminister auf kein verlängertes Waffenembargo gegen alle syrischen Bürgerkriegsparteien einigen, ist das eher eine irritierende oder fatale Nachricht. Zudem eine Botschaft zur falschen Zeit. Ausgerechnet jetzt, da sich die Konturen einer internationalen Syrien-Konferenz in Genf abzeichnen und die Diplomatie zu ihrem Recht kommen soll, sind hochrangige EU-Diplomaten der Situation nicht gewachsen. Von Brüssel aus hätten sie dazu aufrufen können, jedweden Rüstungstransfer zu stoppen, indem sie auf das eigene Beispiel – den eigenen Mut zur Zurückhaltung – verweisen. Wann sonst als in einem Augenblick wie diesem sollte die 1992 mit den Verträgen von Maastricht proklamierte Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) ihren Ansprüchen gerecht werden?

Parteilich statt neutral

Die EU wolle mit einer Stimme sprechen, um jederzeit als weltpolitischer Akteur respektiert zu werden, intoniert Außenminister Westerwelle bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Wenn der Staatenbund stattdessen faule Kompromiss schließt und zerstritten auseinander läuft, kann von globalem Ranking keine Rede sein. Es fehlen der Wille und die Entschlossenheit über den eigenen Schatten zu springen und wenigstens so etwas wie den gleichen Abstand – die berühmte Äquidistanz – gegenüber sämtlichen Konfliktparteien zu wahren.

Frankreich und Großbritannien stellen ab August Waffennachschub an die Rebellen in Aussicht, während das Wirtschaftsembargo gegen den syrischen Staat aufrechterhalten bleibt. Das ist Parteilichkeit der plumpen Art und – nicht eben nebenbei – ein Spiel mit dem Feuer. Wer garantiert, dass Geschütze, Panzerwagen, Schnellfeuerwaffen und Munition aus französischen Beständen nicht in die Hände der Al-Qaida-Gruppen in Syrien fallen, deren Gesinnungsgenossen das französische Interventionskorps seit Januar in Mali und Niger niederzukämpfen versucht?

Verhöhnung der Geschichte

In Paris und London wird argumentiert, es gehe um das Kräfteverhältnis zwischen den Rebellen und der Assad-Armee, das sich seit Monaten zugunsten des staatlichen Militärs verlagere. Es gehe insofern um Gerechtigkeit. Wer soll diesen Unsinn glauben? Kriege werden durch immer mehr Waffen nicht „gerechter“, sondern zerstörerischer, barbarischer und endloser.

Dass sich ausgerechnet Frankreich und ausgerechnet eine sozialistische Regierung in Gestalt ihres Außenministers in der Syrien-Frage derart exponiert, verhöhnt die Geschichte. Laurent Fabius muss auf ein absolut gnädiges Gedächtnis unter den Europäern wie im Orient vertrauen, das ausblendet, wie gerade die französische Kolonialpolitik Anfang der vierziger Jahre in Syrien und im Libanon den Keim für ethnischen und konfessionellen Hader legte, der seit Jahrzehnten in bewaffneten Konflikten aufgeht. Der jetzige Bürgerkrieg in Syrien hat seinen Vorläufer in einer vergleichbaren Konfrontation im Libanon. Sie begann 1975 und endete erst 1990.

Es würde zu weit gehen, auf die Grenzziehung zwischen dem Libanon und Syrien einzugehen , als beider Staaten 1943 bzw. 1946 ihre Unabhängigkeit erklärten. Nur das sei gesagt: Frankreich hat als Mandats- und Kolonialmacht in Syrien dafür gesorgt, dass einst die alawitische Minderheit die Kontrolle der Armee übernahm und der sunnitischen Mehrheit vorgezogen wurde. Erst dadurch konnte auch der Assad-Clan jenen Einfluss gewinnen, aus dem schließlich Regierungsmacht und Staatsautorität wurden.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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