Tragischer Held Sanogo

Mali Mit ihrem Putsch wollten Militärs im März den Zerfall des Landes aufhalten. Sie wurden von denen geschmäht, die sich jetzt hinter die Intervention Frankreichs stellen
Bis heute hat Sanogo viele Anhänger in der Armee, die sich mit seinen Zielen identifizieren
Bis heute hat Sanogo viele Anhänger in der Armee, die sich mit seinen Zielen identifizieren

Foto: Issouf Sanogo / AFP

Es war schon ein bizarrer Vorgang, der es verdient, im Lichte der französisch Mali-Intervention erinnert zu werden: Am 21. März putschte in Bamako Hauptmann Amadou Sanogo gegen eine korrupte und dekadente Regierung, die der Sezession im Norden und dem Verlust großer Territorien untätig, fast gleichgültig zusah. International stieß der Staatsstreich auf Unverständnis, teils harsche Kritik. Genau jene Staaten-Gemeinschaft, die sich jetzt mit dem Vorstoß Frankreichs identifiziert, reagierte ungehalten bis repressiv. Die Afrikanische Union (AU) und die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) setzten Mali krachend den Stuhl vor die Tür und verhängten Sanktionen. Die EU regierte ähnlich. Besonders die Außenminister Deutschlands und Frankreichs – Guido Westerwelle und Alain Juppé – taten sich hervor. Die Aufrührer wurden des fehlenden Respekts vor der Demokratie wie der Verfassung Malis gescholten.

Nur was war die Magna Charta eines Landes noch wert, das zu zerfallen drohte? Sanogo hatte immerhin begriffen, dass Mali als Staat existenziell herausgefordert war, seit Sezessionisten im Norden – seinerzeit zunächst die Tuareg-Rebellen – munter eigene Staaten ausriefen. Sanogo wollte handeln. Da ihm die eigene Regierung Auftrag und Mandat verweigerte, holte er sich, was er brauchte.

Das Exemplarische des Vorgangs

Letzten Endes wollte der aufsässige Hauptmann genau das bewirken, was jetzt Frankreich für geboten hält – ja, halten muss, damit seine Intervention, die inzwischen zum Einsatz von Bodentruppen führt, nicht in den Geruch von Eroberung und Landnahme gerät. „Übergeordnetes Ziel aller Bemühungen“ müsse es sein, so Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian, möglichst bald die malischen Streitkräfte zu reformieren und in die Lage zu versetzen, im Norden wieder Präsenz zu zeigen.

Damit ist wohl gemeint, eine aktionsfähige Nationalarmee solle den Franzosen Entsatz verschaffen, das heißt, ihnen als Hilfstrupp den Rücken freihalten und die Flanken sichern. Bis es soweit ist, ersetzt Fremdbestimmung genau das, was Sanogo vor Monaten in freier Selbstbestimmung vollziehen wollte – den weitgehenden Erhalt territorialer Integrität.

Schon bald nach seinem Coup gegen Präsident Amadou Toumani Touré konnte sich der Putschist übrigens durch die Vereinten Nationen bestätigt fühlen. Der Weltsicherheitsrat hatte nach dem 21. März 2012 bereits drei Mali-Resolutionen verabschiedet, bevor am 21. Dezember 2012 das Dokument Nr. 2085 die African-led International Support-Mission in Mali (AFISMA) ins Leben rief. Deren Zukunft hängt momentan vom Ausgang der französischen Operation ab. Vermutlich wird AFISMA nicht überflüssig sein, aber keinesfalls das Mandat ausfüllen, das ursprünglich vorgesehen war, sondern bestenfalls den Franzosen assistieren dürfen.

Doch das ist nicht entscheidend – das Exemplarische des Vorgangs besteht in der Marginalisierung afrikanischer Krisenreaktionskräfte, denen von der UNO, nicht zuletzt von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon, Priorität eingeräumt wurde. Natürlich geschah das nicht ohne Grund. Wenn Senegalesen, Ghanaer oder Nigerianer die Federführung einer Mali-Operation übernommen hätten, wäre ein Einstieg in Verhandlungen mit den islamistischen Kombattanten und ihren Führern in Nordmali vielleicht möglich. Aber glaubt jemand ernsthaft, dass Ansar-Dine-Chef Iayd Ag Ghaly mit den Franzosen verhandelt oder die Franzosen etwa mit ihm?

Peripherie und Zentrum

Es ist bei alldem entschieden der Behauptung zu widersprechen, die seit Beginn der französischen Alleingangs ständig medial kolportiert wird, es gab keine Alternative – es hätte zu lange gedauert, die ECOWAS-Einheiten aufzustellen und zum Einsatz zu bringen. Bis dahin wäre Bamako längst von islamistischen Verbänden der Ansar Dine und der Al-Qaida-Ableger in Nordafrika überrollt worden. Richtig ist, dass im UN-Sicherheitsrat zunächst Konsens bestand, die AFIOSMA erst nach der im März beginnenden Regenzeit in Marsch zu setzen. Sollte es die Lage erfordern, aber notfalls auch früher.

Soviel steht fest, sollte Frnakreichs Militäreinsatz innere Reformen in Mali blockieren, wird er erfolglos bleiben, weil sich dann an den inneren Konflikten des nordafrikanischen Landes nichts ändert. Das beginnt schon mit der Vernachlässigung des Nordens, um dessen Nomadenvölker sich die sesshaften Bambara-Eliten im Süden noch nie wirklich gekümmert haben. Im Bewusstsein, in der Überzeung, das Zentrum zu sein, ließen sie verkommen, was als lästige Peripherie galt. Auch das wollte Hauptmann Sanogo dringend ändern.

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