Große Schlachten können, müssen aber keinen Krieg beenden. Die um Aleppo ist geschlagen, Syrien damit nicht befriedet, wie die Nachrichten aus dem erneut umkämpften Palmyra zeigen, gegen das der Islamische Staat (IS) Material und Mannschaften aufbietet, als wollte er all die Experten Lügen strafen, die seinen unabwendbaren Niedergang prophezeien.
Ungeachtet dessen hat die Assad-Armee in Aleppo einen Sieg errungen, der in seiner Symbolik weit über diese Stadt hinausgeht. Die USA, die EU, die Golfstaaten und die Türkei waren seit 2011 in einer globalen Front vereint, um das Baath-Regime unbedingt zu stürzen. Und sei es durch Kollaboration mit Islamisten, die sonst in Europa und Nordamerika als Terroristen verfolgt werden. Worauf sie nicht eingestellt waren, damit eine globale Konfrontation auszulösen. Nur davon – nichts sonst – muss die Rede sein, seit sich Russland als Alliierter Baschar al-Assads militärisch exponiert, der Iran die schiitisch-alawitischen Glaubensbrüder in Syrien schützt und China für diplomatischen Beistand sorgt, wann immer der gebraucht wird. Was diese Mächte eint: Sie wollen nicht zulassen, dass sich der Westen eine Schneise in Syrien schlägt. Und sei es, indem ein sunnitischer Satellitenstaat als Mündel einer regionalmächtigen und NATO zugehörigen Türkei ausgerufen wird.
Es gibt in diesem Konflikt zwischen auf Dominanz bedachten Großmächten spätestens seit 2015 keine Koalition, die ähnlich entschlossen agiert wie die zwischen Syrien, Russland und Iran. Weder harmonieren Saudis und Amerikaner in solcher Weise, noch Amerikaner und Türken, noch Riad und die anderen Golfstaaten, geschweige denn Amerikaner und Kurden. Auch sind die Anti-Assad-Affinitäten der Arabischen Liga längst kein kollektives Begehren mehr, seit die Entfremdung zwischen Ägypten und Saudi-Arabien voranschreitet. Nicht zuletzt deshalb hat sich erledigt, was als strategisches Motiv der regionalen Anti-Assad-Front galt – die schiitische Brücke aus dem Iran über Syrien zur Hisbollah im Libanon zu zerstören. Das Gegenteil ist eingetreten. Deren Pfeiler scheinen derzeit belastbarer denn je.
Man darf den über Assad und sein Baath-Regime gespannten Schutzschirm getrost eine Kampfansage nennen. Sie anzunehmen, birgt für den Westen extreme Risiken. Ihr auszuweichen, käme einer Kapitulation gleich. Damit umzugehen, kann heißen, nach einem Vergleich zu suchen, der auf Schadensbegrenzung hinausläuft.
Vielleicht wurde beim Kampf um Aleppo damit begonnen. Gab es einen Deal zwischen Moskau und Ankara, den Dschihadisten keine Waffen aus der Türkei mehr zu schicken, um deren Fall zu beschleunigen? Trifft das zu, und dafür spricht einiges, bestehen Aussichten, diesen Krieg durch einen Interessenabgleich seiner externen Paten wenigsten einzudämmen und zu leisten, wozu die innersyrischen Konfliktparteien nicht mehr in der Lage sind. Schließlich wird sich Präsident Erdoğan als Lohn für sein Entgegenkommen die Zusage geholt haben, gegen die Kurden bei sich und in Nordsyrien freie Hand zu haben. Eine Konzession, über die weniger Russland als die USA, die selbsternannte Schutzmacht der Kurden, zu entscheiden hatten.
Wer weiß schon, wem Präsident Assad seinen Sieg in Aleppo alles zu verdanken hat. Russland und Syrien werden gewusst haben, warum sie die dschihadistischen Rebellen in auswegloser Lage sahen und seit Monaten immer wieder zur Kapitulation aufforderten.
Kommentare 22
das grösste Problem ist die Arroganz der USA die die NATO Staaten in die Kriege "mitschläppt"
Was ist falsch gelaufen? | Journal21
und das dieser Friedensnobelpreisträger Russland als Regionalmacht abgetan hat zeugt von noch mehr Blindheit und diplomatischem Unvermögen. Eigentlich müsste ihm gerechterweise der Preis entzogen werden!!!
dschihadistische Rebellen
Ach Herr Herden, was ist nur mit Ihnen los?
Allein, dass Lutz Herden schon seit längerem nicht mehr "auf Linie" mit Ihnen ist, macht ihn sicher nicht nur für mich wieder zunehmend glaubwürdiger und somit lesbarer, und das ist auch gut so.
Damit sind Sie hier aber leider noch lange nicht allein.
Lieber Herr Herden,
Warum schreiben Sie nicht klar und eindeutig, dass die Russen sich in Aleppo auch für den Westen die Hände schmutzig gemacht haben. Denn wer in Berlin oder Paris hat ein Interesse daran, dass die Al Nusra Brigaden die Macht in Syrien erringen. Keiner.
>))))°>
Ich find den Artikel gut. Insbesondere, dass der Konflikt ganz wesentlich ein Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und Iran ist gerät hier gerne in Vergessenheit.
An einen Deal rund um Aleppo glaube ich nicht wirklich. Es ist noch nicht lange her, da hat die syrische Luftwaffe vorrückende Türken+Islamistenanhang bombadiert. Die Türkei dürfte eher von den USA auf die Finger geklopft bekommen haben. Dazu passt, dass es wieder US-Waffenlieferungen an die SDF gegeben haben soll. Die SDF soll schließlich nach wie vor Rakka einnehmen, auch wenn sie es damit offensichtlich (und nachvollziehbarer Weise) nicht sehr eilig haben.
Ich habe auch nichts gegen den Beitrag an sich, nur manche Formulierung lässt mich denken, dass auch Herr Herden gewissermaßen der "Tendenz"-Rechtsprechung unterworfen ist ... Aber das kann ich ihm nicht übel nehmen.
Der Ausdruck "Rebellen" ist eigentlich erst mal wertneutral. Da wo lediglich von "Rebellen" die Rede ist kann man das kritisieren, weil Wertneutralität nicht angebracht ist im Angesicht von dschihadistischen Schlächterbanden, aber was es an der Kombination "dschihadistische Rebellen" auszusetzen geben soll ist mir unklar.
Gut, nach einem Blick in den Duden gebe ich Ihnen mal Recht und nehme den kleinen Vorwurf an Herrn Herden zurück:
"Herkunft
französisch rebelle = Rebell; rebellisch < lateinisch rebellis, eigentlich = den Krieg erneuernd, zu: bellum = Krieg"
Passt doch besser als ich dachte
Hans Springstein 15.12.2016 | 19:43
Man muss sich natürlich ausführlicher mit dem beschäftigen, was gerade an propagandistischem Trommelfeuer abgebrannt wird und der deutschen Regierung, vor allem Merkel, dazu dient, die EU für ihre Russland-Politik und -ächtung einigermaßen zusammenzuhalten.
Wer weiß schon, wem Präsident Assad seinen Sieg in Aleppo alles zu verdanken hat.
Ich finde das die Siege der Syrischen Truppen, mehr als alles andere, der Unterstuetzung eines grossen Teils der Syrischen Bevoelkerung zu Verdanken sind. Und zwar nicht nur der syrischen Allewiten und ander Miderheiten wie der Christen, sondern auch zunehmend groessere Teile der sunnitischen Bevoelkerung, die in den letzten Jahren nicht viel gutes von der sogennanten syrischen Opposition erlebt haben (trotz aller medialen Gegendarstellungen).
"wer in Berlin oder Paris hat ein Interesse daran, dass die Al Nusra Brigaden die Macht in Syrien erringen. Keiner."--------Keiner? Da waere ich mir nicht sicher. Einige hatten schon ihre Bauche fuer die lekeren Wiederaufbaugewinne gerieben!
"Insbesondere, dass der Konflikt ganz wesentlich ein Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und Iran ist gerät hier gerne in Vergessenheit."-----Vielmehr scheint in diesem Krieg durch die fuehrerstaaten der Nato, Assad dafuer bestraft zu werden, dass Syrien im kalten Krieg an der "falschen" Seite stand. Der Konflikt zwischen Iran und Saudi-/Arabien scheint mir nicht der ausschlaggebende Grund gewesen zu sein.
Was die Syrien-Politik der EU betrifft, haben sich ihre Führer nicht nur in eine Sackgasse hineinmanövriert die komplett zugeparkt wurde, sondern auch in die Bedeutungslosigkeit.
Inhalt und Zweck des aktuellen Gekeifes ist ausschließlich die Lautstärke, die ihre Macht- und Hilflosigkeit übertönen helfen soll.
Ganz im Gegensatz zum Beginn ihres Krieges gegen Syrien, wo so ein Gekreische noch den hoffnungsfrohen Zielen unmittelbarer Kontrolle und Zugriffsmacht auf die Ressourcen dieser Weltregion diente.
Wer gestern das öffentlich-staatliche Verlautbarungsorgan Tagesschau gesehen hat, konnte sich darüber selbst überzeugen. Eine aberwitzige aber denkwürdige Selbstinszenierung abstürzender Imperialisten, die scheinbar nur noch fähig sind, ihre blutbesudelten Finger in Richtung Syrien strecken. Und sich nicht entblödeten, einen Schauspieler aus dem Hut zu zaubern, den sie als „Bürgermeister von Ost-Aleppo“ (hüstel) vorstellten. Der hat dann auch brav seinen Text über die angeblichen Gräueltaten der syrischen Armee aufgesagt und sein mit den EU-Häuptlingen geteiltes Bedauern über das Ende der islamistischen Terror- und Geiselherrschaft in Ost-Alleppo mitgeteilt.
Eine Kabarettreife Leistung über die weltpolitische Bedeutungslosigkeit der EU und ihr asylpolitisches Problem mit den ungeklärten Status der syrischen Kriegsflüchtlinge.
PS
Einen neuen wirklich fiesen PR-Begriff aus der dunkelsten Alkove im Wahrheitsministeriums habe ich dabei auch gelernt: Migrationspartnerschaft (mit Afrika).
Das überlagert sich. Aber denken sie an die Hochphase des Krieges vor dem russischen Eingreifen, als es noch so aussah, als könne die syrische Regierung absehbar militärisch besiegt werden. Was hätte sich da geändert wenn sich die USA und Russland auf einen Friedensplan geeinigt hätten? - Sehr wenig.
Die Aufständischen hätten weiter Waffen erhaten, aus Saudi-Arabien, der Türkei oder Katar. Der Westen neigt hier dazu, seine Rolle zu überschätzen.
Auch die letzten Friedensbemühungen sind daran gescheitert, dass die USA NULL Einfluss darauf hat, "moderate" von dschihadistischen Gruppierungen zu trennen - wie das zugesichert wurde.
Zugrunde liegt dem Konflikt einer zwischen Regionalmächten. Im Irak ist er zudem zum offenen Konfessionskrieg eskaliert, mit selbsternannten Gotteskriegern auf beiden Seiten.
Man denke auch an die kläglichen Versuche der USA, einheimische Bodentruppen zu organisieren. Die eigens ausgebildeten und bewaffneten Gruppen sind sofort zu Dschihadistengruppen übergelaufen oder wurden gestellt und entwaffnet.
Jetzt kooperiert man zwar mit den eigens so benannten "SDF", aber der Einfluss auf diese ist gering, beziehungsweise endet dort, wo der Nutzen durch US-Unterstützung für die Kurden aufhört.
warum nur erzählt niemand die geschichte von anfang an?! es war einmal einmal eine Condoleezza Rice, die wollte im nahen osten ein kreatives chaos schaffen.
was sie nicht mehr zu vollenden vermochte, führte ihre amtskollegin Hillary Clinton fort. dieses kreative chaos hat mittlerweile Aleppo erreicht, ist aber noch längst nicht zu ende ...
frage an unseren guten freitag: ist das eisen zu heiß ?! warum wird die strategie des "großen nahen ostens" verschwiegen? der "Freitag" gehört doch hoffentlich noch nicht zu den "leitmedien", oder ?
Wer weiß schon, wem Präsident Assad seinen Sieg in Aleppo alles zu verdanken hat. Russland und Syrien werden gewusst haben, warum sie die dschihadistischen Rebellen in auswegloser Lage sahen und seit Monaten immer wieder zur Kapitulation aufforderten.
Es ist ein Etappensieg.
Ein lesenswertes Interview gibt es hier :
http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-12/sadik-al-azm-syrien-krieg-russland-iran?
Leider wird die Bevölkerung Syrien's noch lange unter den divergierenden Machtinteressen zu leiden haben.
Obama rechnet mit Putin ab:
"Russland kann uns nicht ändern. Es ist ein kleineres Land, es ist ein schwächeres Land. Die Wirtschaft produziert nichts, was irgendjemand kaufen möchte."
Hackerangriffe während des US-Wahlkampfs.
Vielen Dank für Ihre Antwort. Da haben Sie natürlich Recht. Was die Formulierung von den "dschihadistischen Rebellen" angeht, habe ich etwas gefunden, was meine "Bauchschmerzen" damit begründet bzw. bestätigt:
"... Unabhängig von einem etwaigen Vorgehen gegen die saudische Mission im eigenen Land intensiviert die Bundesregierung ihre politisch-militärische Kooperation mit Riad; zuletzt wurde sogar die Ausbildung saudischer Offiziere und die Kooperation mit einer saudisch geführten islamischen Militärallianz in Aussicht gestellt.[9] Dies geschieht, obwohl die jihadismusfördernde saudische Mission in aller Welt weiter ausgebaut wird. In jüngster Zeit mehren sich etwa Berichte über das Erstarken salafistisch-jihadistischer Milieus in Indonesien, das - wie einst Afghanistan oder Mali - einen traditionell als friedlich geltenden Islam aufweist. Dass gerade saudische Kleriker das salafistisch-jihadisitsche Milieu Indonesiens seit Jahren systematisch fördern, haben deutsche Experten exemplarisch aufgezeigt (german-foreign-policy.com berichtete [10]). Während Berlin dies schlicht ignoriert, stärkt es in Syrien salafistisch-jihadistischen Milieus, die es im eigenen Land energisch bekämpft, weiterhin sogar den Rücken: Bis zuletzt hat die Bundesregierung im Bestreben, die Regierung von Bashar al Assad zu stürzen oder zumindest weiter zu schwächen, versucht, in Ost-Aleppo einen Waffenstillstand zugunsten der dortigen Aufständischen zu erwirken, obwohl diese längst von salafistisch-jihadistischen Milizen - darunter der Al Qaida-Ableger Jabhat Fatah al Sham - dominiert werden. In deutschen Medien ist bis heute schlicht von "Rebellen" in Ost-Aleppo die Rede. Dass dieselben Medien formulieren würden, aus dem Syrien-Krieg heimgekehrte Jihadisten betätigten sich nun hierzulande als "Rebellen", ist schwer vorstellbar. Außenpolitische Interessen bringen die berüchtigten doppelten Standards der Berliner Politik mit sich." (German Foreign Policy, 14.12.16)
Vielleicht haben Sie nur versucht, die erwähnten Doppelstandards zusammenzubringen ...
Und natürlich gilt weiterhin: Enzelkritik mindert nicht, dass ich froh bin, dass Sie weiter Politikredakteur des Freitag sind. Aber das dürfte klar und bekannt sein.
>>…es war einmal eine Condoleezza Rice, die wollte im nahen osten ein kreatives chaos schaffen.<<
So einfach funktioniert kaputtalistische Politik nicht. Es war nicht die Einzelperson Condoleezza Rice, sondern war und ist der industriell/militärische Komplex, dessen Strategien von Politikern ausgeführt werden.
Das ist auf der Gegenseite genau so. Putin alleine wäre nicht stark genug, die Politik durchzusetzen, den Kommunismus, oder heute den Sozialismus, in den muslimischen Ländern dort einzuführen oder fortzuführen.
Wieviel Versuche gab es, Nasser, Arafat, Sukarno, Saddam, Gaddafi und Assad.
Liegt es an den Menschen, wie oft und gerne behauptet wird ? Der arabische Frühling und die grüne Revolution im Iran zeugen eher davon, dass auch Muslime lieber in Freiheit und selbstbestimmt leben wollen.
Leider waren bzw. sind die "säkularen" islamischen Staaten Beispiele dafür, dass die jeweiligen Herrscher Diktatoren waren / sind, die einzig und alleine ihre persönlichen Interessen im Auge haben.
Wenn ich als sunnitischer Syrer dann die Wahl hätte, zwischen einem weiter so wie bisher, syrisch-säkular, oder doch mehr mit russischem oder iranisch/schiitischen Einfluss, würde ich versuchen, in die Emirate ( irgendwie scheint der Weg versperrt zu sein ) oder nach Deutschland zu fliehen.
Das kreative Chaos ist durchaus gewollt, denn die Supermächte wollen oder können nicht, und niemand weiß, ob die Araber den arabischen Frühling oder doch lieber streng muslimisch bleiben wollen.
Die Mullahs in Tehran spielen kräftig mit in diesem Spiel, und tragen ihren Teil zum Chaos bei.
Als positiv empfinden die global player sicher, dass das für die Energiepreise eher günstig ist, weil sie sonst noch tiefer im Keller wären.
Ergo, Sie haben Recht, es ist der industriell/militärische Komplex.