Verstaatlichung der Verluste

Interview Die Teilverstaatlichung der Commerzbank ist ein Schritt zur Gründung einer „Bad Bank“, bei der Privatbanken künftig ihre schlechten Papiere abladen werden

War der Einstieg des Bundes bei der Commerzbank ein „Befreiungsschlag“, wie es vielfach heißt?
Es kommt darauf an, wer da befreit wurde. Ein Befreiungsschlag für die Commerzbank war es sicherlich, die sich bei der Übernahme der Dresdner Bank verkalkuliert hat, weil bei beiden Instituten so viele kontaminierte Papiere lagern …

Sie meinen faule Kredite.
Genau. Die haben sich als eine solche Last erwiesen, dass es an Eigenkapital fehlte, um noch weiter operieren zu können. Wenn da nun der Staat einsteigt, um das Eigenkapital aufzustocken, dann ist das sicher ein Befreiungsschlag. Ob es eine Befreiung für die Beschäftigten ist, wage ich zu bezweifeln, denn das Geschäftsmodell der Fusion sieht vor, einige tausende Arbeitsplätze abzubauen, also Arbeitskräfte – um im Bild zu bleiben - freizusetzen.

Bei beiden Banken gleichermaßen.
Hauptsächlich bei der Dresdner, aber auch bei der Commerzbank. Das sind die bei Fusionen immer bewusst herbei geführten „Synergie-Effekte“, die dazu führen, dass immer einige Leute daran glauben müssen .

Zeigt der Einstieg des Staates bei einer Privatbank ein neues Stadium der Finanzkrise an?
Wir erleben eine neue Dimension der Sozialisierung der Verluste, denn inzwischen hat die Leitung des SoFFIN, des Sonderfonds für die Finanzmarktstabilisierung, angeregt, eine so genannte Bad Bank zu gründen, die mit den schlechten Papieren des gesamten deutschen Bankensystems vollgestopft und von der öffentlichen Hand getragen werden soll. Der Staat würde schlechte Papiere übernehmen und dafür gutes Geld geben. Wenn der SoFFIN das vorschlägt und zugleich der Bund bei der Commerzbank einsteigt, damit die überhaupt weiter existieren kann, ist das schon ein sehr, sehr deutliches Alarmzeichen

Wer wäre Eigentümer einer Bad Bank?
Vermutlich der Bund. Die Privatbanken werden alles tun, ein solches Institut nicht selbst zu gründen. Denn erstens lässt sich damit nichts verdienen, und zweitens will niemand die faulen Papiere haben, man will sie dort abladen, soll doch die öffentliche Hand, letztlich also der Steuerzahler für die Spekulationsverluste der Banken gerade stehen. Dieses Bubenstück ist von Herrn Ackermann in Konsultationen mit der großen Koalition schon im Dezember ventiliert worden – da wurde das noch empört zurückgewiesen. Nun aber kommt die Bundesbehörde für das Sondervermögen offenbar zu der gleichen Auffassung und sagt, wir brauchen eine solche Bad Bank, um die privaten Banken mit viel gutem Geld auszustatten, für das der Steuerzahler aufkommt.
Das Empörende daran ist, Es werden Papiere übernommen, von denen niemand weiß, wie viel oder ob sie überhaupt noch etwas wert sind. Niemand weiß, zu welchem Preis sie eventuell wieder abgegeben werden können.

Der Börsenwert der Commerzbank lag zuletzt noch bei 3,8 Milliarden Euro, gleichzeitig wird jetzt ein Kapitalzuschuss von zehn Milliarden in Anspruch genommen …
Noch mehr, es sind 18 Milliarden öffentliche Gelder, wenn man berücksichtigt, dass schon im Oktober und November über acht Milliarden in diese Bank gesteckt wurden.

Aus dem Finanzmarktstabilisierungsfonds?
So ist es. Nach dieser ersten Aufstockung hat der Bund jetzt 295 Millionen Aktien übernommen zu einem Kurs von sechs Euro pro Stück. Am Tag der Übernahme, am 9. Januar, war dieser Kurs schon unter fünf Euro gefallen, so dass dem Bund an nur einem Tag ein Verlust von annähernd 300 Millionen Euro entstanden ist.

Was sagt die Differenz zwischen dem Börsenwert der Commerzbank und dem Umfang der Kapitalaufstockung über den realen Unternehmenswert aus?
Das kann ich nicht beantworten, weil das unter strengster Geheimhaltung verhandelt wird. Wenn man sich freilich den Kurswert ansieht, so fiel der von 17 Euro pro Aktie noch im Oktober auf jetzt unter fünf Euro. Ein Indiz dafür, dass die Anleger das Unternehmen auf Talfahrt wähnen.

Rechnen Sie damit, dass es weitere Teilverstaatlichungen dieser Art gibt?
Teilverstaatlichungen – ja oder nein, das ist eine Frage für sich. Aber das Modell der Bad Bank ist hochaktuell, es wird nicht ohne Grund ins Spiel gebracht vom Sondervermögen Finanzmarktstabilisierung ebenso wie von Herrn Ackermann und dem Verband der Privatbanken. Man kann davon ausgehen, es gibt noch eine Reihe anderer Banken, die sich in einer ähnlichen Lage wie die Commerzbank befinden.

Ist eine Bad Bank quasi eine Form der Verstaatlichung?
Eine Verstaatlichung der Verluste auf jeden Fall.

Es heißt, im Bundesfinanzministerium gäbe es eine Liste mit den Namen von zehn weiteren Banken, bei denen der Staat gleichfalls einsteigen werde.
Da sehen Sie, wie es rumort im Keller. Ob es noch bei anderen Instituten so läuft wie bei der Commerzbank, dass sich der Staat einen Anteil beim Bankkapital und damit eine Sperrminorität verschafft, das wird man sehen. Herr Müntefering hat bereits sehr deutlich erklärt – und dabei mit Sicherheit nicht nur für die SPD, sondern auch im Namen der CDU gesprochen –, dass die Staatsbeteiligung nicht darin bestehen soll, Staatseinfluss auszuüben. Man will es also den Privatbanken überlassen, ihre Geschäfte weiter zu betreiben.

Was geschieht in diesen Fall mit Gewinnen, sollte es die trotz der niedrigen Verzinsungen derzeit geben?
Da wird man den Staat erst recht draußen halten.

Unterstützen Sie die Position, es wäre besser gewesen, die Commerzbank vollends zu verstaatlichen?
Das wäre zumindest transparenter, ehrlicher und effizienter,und die Rolle des Staates würde der Aufgabe entsprechen, die er mit dem sehr teuren, ja überteuerten Erwerb der Sperrminorität übernommen hat.

Was halten Sie in diesem Zusammenhang von Rettungsschirmen, die jetzt außerhalb des Bankensektors über Unternehmen aufgespannt werden sollen? Ist der Staat damit überfordert?
Die Gefahr besteht. Es kommt darauf an, welchen Umfang dieser Deutschland-Fonds haben wird. Sie wissen, es sind 100 Milliarden Euro im Gespräch, das wären etwa vier Prozent des Bruttoinlandsprodukt. Verkraftbar wäre das allemal. Die Frage lautet eher, wofür wird dieser Deutschland-Fonds eigentlich verwendet? Etwa für Steuersenkungen? Dann sind das Entlastungen für diejenigen, die bisher auf Finanzmärkten und nicht in der „realen Wirtschaft“ investierten. Das bliebe ohne konjunkturelle Effekte und würde vermutlich nur die finanzielle Spekulation unterstützen, wenn die entsprechenden Märkte wieder in Gang kommen.


Das Gespräch führte Lutz Herden

Elmar Altvater ist Politikwissenschaftler, emeritierter Professor am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin und Leitungsmitglied bei attac.

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Mit Lust am guten Argument

Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen.

Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zur Wochenzeitung Freitag. Dort arbeitete es von 1996-2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

Lutz Herden

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