Verstoßen und vogelfrei

Tod in Pakistan Acht deutsche Staatsbürger sollen bei einem US-Drohnen-Angriff im Nordwesten Pakistans gestorben sein. Die Bundesregierung scheint das nicht weiter zu stören

Wer oder was hindert die Regierung in Berlin eigentlich daran, ihrer Obhutspflicht gegenüber eigenen Staatsbürgern nachzukommen? Das Mindeste wäre eine Erklärung der Art – es werde und müsse Nachforschungen geben, ob es sich bei den Opfern eines US-Drohnen-Angriffs in der pakistanisch-afghanischen Grenzregion vom 3. Oktober wirklich um Deutsche handelt. Jede andere Reaktion ist nicht nur befremdend, sie bezeugt eine Verluderung der Sitten und legt den Schluss nah, wer auch nur in die Nähe des Verdachts gerät, sich dem vorwiegend islamischen Widerstand gegen die US-Präsenz in Pakistan oder Afghanistan anzuschließen, verliert die deutsche Staatsbürgerschaft. Der ist zum Paria erklärt – verstoßen und vogelfrei. Dabei ist es nicht nur zweitrangig, ob ist sich bei den mutmaßlich Getöteten um Islamisten oder nicht handelt – es ist für das Sorgfaltsgebot der Bundesregierung vollkommen belanglos. Alles sonst würde unter anderem bedeuten, dass vergessen oder verdrängt wurde, durch wen, wann und aus welchem Grund Deutsche für unwürdig erklärt wurden, deutsche Staatsbürger zu sein.

Und überhaupt, der Aufenthalt in einer pakistanischen Grenzprovinz ist per se kein strafbarer Akt – die Präsenz oder Ausbildung in einem Camp der dortigen islamischen Guerilla kein todeswürdiges Vergehen. Auch wenn die deutschen Gesetze die Verbindung zu terroristischen Strukturen unter Strafe stellen – Todesurteile sind es nicht, die Richter in diesen Fällen verhängen dürfen. Wenn sich die Amerikaner mit ihren Drohnen-Angriffen zu Vollstreckern der Höchststrafe ermächtigen, müsste die Bundesregierung wenigstens alarmiert, wenn nicht brüskiert sein, genau genommen Willkür und Rechtsbruch beklagen. Ganz nebenbei dürfte sie auch fragen, ob sich Deutschland und die Vereinigten Staaten in einem kriegerischen Konflikt befinden, bei dem es legitim ist, dass einer die Bürger des anderen liquidiert.

In Berlin wird zu dieser Anmaßung vornehm geschwiegen, als sollte der Beweis erbracht werden, welches Schattendasein das Recht im Anti-Terror-Kampf doch fristen kann. Sehr dünn ist zuweilen die Glasur der Zivilisation, wenn es darauf ankommt, die zivilisatorische Überlegenheit zu zeigen. Innenminister de Maizière bringt es bestenfalls zu einem verlegenen Hüsteln wegen der banalen und vordergründigen Kausalität, die jetzt von amerikanischer Seite bemüht wird: Der Drohnen-Angriff in Pakistan hat zum Tod deutscher Islamisten geführt – folglich besteht jetzt in Deutschland eine erhöhte Anschlagsgefahr. Diesem Terror der Hysterie kann Thomas de Maizière erkennbar wenig abgewinnen – so unter Druck setzen lassen, will man sich dann doch nicht. Was nachvollziehbar und konsequent erscheint, aus Rechtsschutz und Sorgfaltspflicht gegenüber eigenen Bürgern erwächst schließlich auch keinerlei Handlungsdruck.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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