Dieser 28. Juni hatte für die deutsche Kanzlerin auch etwas Tröstliches. Er war nicht nur ein Tag der Niederlage in Brüssel – er hat ihr auch einen Sieg beschert. Sie verdankt ihn der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Die steht nicht im EM-Finale von Kiew und damit Angela Merkel am 1. Juli todsicher nicht neben dem ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch in der Stadionloge. Die erzieherische, weil menschenrechtsbewehrte deutsche Osteuropa-Politik bleibt makellos – die gleichfalls erzieherische, aber nicht unbedingt Vernunft bewehrte Euro-Politik muss Federn lassen. Deren Dogmen haben den Brüsseler Gipfel nicht eben unbeschadet überstanden. Sicher, es gibt bis auf weiteres keine direkten Eurobonds, doch jede Menge Spielarten einer gemeinschaftlichen Haftung des gesamten Währungsraumes für Zahlungsverpflichtungen seiner Mitgliedsstaaten.
Bad Bank ESM
Zunächst einmal darf der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM nun doch selbst am Kapitalmarkt aktiv werden und angeschlagenen Banken durch seine Kredite vor dem Bankrott bewahren. Das heißt, der Umweg über die betroffenen Euro-Staaten entfällt. Diese Modus kommt einem indirekten Eingeständnis gleich: Bei der Eurokrise handelt es sich eben nicht vorrangig um eine Haushaltskrise – verschuldet durch zügellose Ausgabensucht –, sondern eine Krise systemrelevanter Banken, deren prekärer Zustand und Rekapitalisierungsbedarf die staatlichen Budgets über Gebühr belastet.
Vergessen wir nicht, nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brother im September 2008 und dem Ausbruch einer Weltfinanzkrise retteten Regierungen weltweit, nicht zuletzt in Deutschland, mit Staatsgeld Banken, Versicherungen und andere Unternehmen, sie legten zudem teure Konjunkturprogramme auf, die selbstverständlich die Verschuldungsquoten nicht unberührt ließen.
Endlich wird dieser Teufelskreis der Abhängigkeit zwischen privaten Geldhäusern und souveränen Staaten durchbrochen. Dies geschieht dank erweiterter Kompetenzen des ESM. Hier hatte die Merkel-Position ebenso wenig Bestand wie bei einer anderen Gipfelentscheidung, die den ESM in die Lage versetzt, künftig Staatsanleihen schwer unter Zinsdruck stehender Euroländer aufzukaufen darf, wie das die Europäische Zentralbank (EZB) bei Griechenland vorexerziert hat. Der ESM empfiehlt sich damit quasi als Bad Bank der Währungsunion. Da alle Eurostaaten für diesen Kapitalstock mit unterschiedlich hohen Einlagen und Bürgschaften, aber eben kollektiv haften – Deutschland mit immerhin 310 Milliarden Euro, wie eben der Bundesrechnungshof bilanziert hat – kann die Existenz einer Haftungsunion nicht bestritten werden. Der Schritt zur Fiskal-Union ist nicht eben groß.
Noch nicht gerettet
Als gäbe es damit nicht schon genug Konzessionen, die Deutschland abgetrotzt wurden, hat das Brüsseler Treffen gleich noch den Anfang vom Ende der „Memoranden“ eingeläutet. Die wurden bisher mit den Staaten vereinbart, die Hilfen aus dem Krisenfonds EFSF erhielten. Wer demnächst Mittel aus den Kapitaldepots des ESM beantragt, der wird weder gesonderten Auflagen unterworfen noch eine Überwachung durch die Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF hinnehmen müssen.
Es braucht nicht lange gerätselt zu werden, wer hier seinen Willen durchgesetzt hat. Es sind Italien und Spanien, die sich gegen das griechische Muster verwahrt haben. Ob damit ein Präzedenzfall geschaffen wird, bleibt abzuwarten. Es sieht jedoch ganz danach aus. Schwer vorstellbar, dass nun die neue Regierung in Athen mit ihren Wünschen nach moderateren Diktaten der Troika völlig abgeschmettert werden kann. Was zählt, ist der Umstand – es gibt einen erleichterten Zugang zum Rettungsfonds.
Derartiges birgt natürlich Risiken, lässt aber die Eurostaaten weiter zusammenrücken, weil es sich um gemeinsame Risiken handelt. Dieser Gipfel hat den Euro noch längst nicht gerettet, aber doch verhindert, dass Europa leichtfertig aufgegeben und die deutsche Kanzlerin zur Totengräberin der Gemeinschaftswährung werden kann.
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