Vier Jahreszeiten des Peronismus

Argentinien Alt-Peronismus - Juan Perón (1946 - 1955) ...

Alt-Peronismus - Juan Perón


(1946 - 1955)

Als General, den ein autokratisches Staatsverständnis und ein kapitales Machtbewusstsein prägen, wird Juan Domingo Perón im Frühjahr 1946 zum ersten Mal Präsident Argentiniens, hinter sich eine Offiziersjunta, die Peronistische Partei (Partido Justicialista/PJ), Teile der Gewerkschaften sowie Basisbewegungen wie die Descamisados (wörtlich: die "Ohne Hemden") - sie alle überzeugt Peróns undogmatisches Sozialprogramm. Dessen Ziele sind vom korporatistischen Modell des autoritären Ständestaates inspiriert, bei dem Parallelen zu Franco in Spanien und zum italienischen Faschismus nicht zu übersehen sind. Von Anfang an braucht der Peronismus Massenbewegung und Massensuggestion gleichermaßen. Als die geschürten Erwartungen nicht erfüllt werden, und das Land einer Hyperinflation verfällt, gerät Perón immer mehr unter Druck, wird im September 1955 schließlich durch einen Putsch gestürzt und muss für Jahrzehnte ins Exil (ab 1958 in Spanien).


Post-Peronismus - Juan und Isabel Perón


(1972 - 1976)

Im November 1972 kehrt Juan Perón nach mehreren vergeblichen Anläufen in einer politischen Krisensituation nach Argentinien zurück und löst einen Aufschwung des peronistischen Partido Justicialista (PJ) aus. Mit einem wirtschaftsreformerischen Programm wird jedoch im März 1973 zunächst Peróns enger Mitarbeiter Hector Cámpora zum Staatschef gewählt, der aber bald zugunsten des Caudillo demissioniert. So wird im September 1973 Juan Perón noch einmal als Präsident vereidigt, seine Frau Isabel als Vizepräsidentin an seiner Seite - doch die Erwartungen vorzugsweise der Linksperonisten auf soziale Reformen erfüllen sich nicht. Perón stirbt am 1. Juli 1974, Isabel Perón kann ungehindert die Nachfolge antreten, wird innenpolitisch zermahlen und im März 1976 durch die Junta des Generals Jorge Videla gestürzt, der in Argentinien eine brutale Militärdiktatur errichtet.


Pseudo-Peronismus - Carlos Menem


(1989 - 1999)

Als der Peronist Menem als zweiter Politiker nach dem erzwungenen Abgang der Obristen die Präsidentschaft übernimmt, tritt er mit dem Versprechen einer "produktiven Revolution" an, er entschließt sich zu einer auf massiven Privatisierungen beruhenden Anti-Inflationspolitik, mit der die Gewerkschaften als traditionelle Alliierte der Peronisten ebenso düpiert werden wie die peronistische Basis. Menem transformiert den Partido Justicialista zu einer marktwirtschaftlich geprägten Volkspartei der Mitte und verfolgt zugleich eine proamerikanische Außenpolitik, die in jener Zeit auf dem Subkontinent ihresgleichen sucht. Zunehmend mit Korruptionsaffären belastet und durch einen überzogenen Populismus diskreditiert, sinkt Menems Stern Ende der neunziger Jahre rasant. Die peronistische Partei hält nach anderen Galionsfiguren Ausschau und findet sie, auch wenn Menem kurz vor Ende seiner Präsidentschaft selbstgewiss erklärt: "Gleich wer an der Regierung sein wird, Carlos Menem behält die Macht ..."


Neo-Peronismus - Néstor Kircher


(ab 2003)

Nach seiner Wahl zum Präsidenten will der erklärte (Links-)Peronist Néstor Kirchner "eine Abkehr vom Neoliberalismus ohne Kontrolle" und favorisiert dazu einen neokeynesianischen Plan, der vor allem auf öffentlich geförderte Wirtschaftsvorhaben zielt. Entscheidender aber ist der erkennbare Wille Kirchners, trotz der hohen Auslandsverschuldung und des unter Menem betriebenen nationalen Ausverkaufs von Unternehmen und Ressourcen die wirtschaftliche Souveränität Argentiniens wiederherzustellen. Neben einer effizienten Staatsintervention belebt Kirchner alte sozialpartnerschaftliche Modelle des Peronismus, die sozialen Protest kanalisieren und den autoritären Wohlfahrtsstaat Juan Peróns zwar nicht kopieren, aber in Ansätzen aktivieren.


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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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