Vorerst nur Schall und Rauch

Syrien-Diplomatie Internationale Konferenzen entscheiden in der Regel, was schon vorentschieden ist, wenn sie zusammentreten. Das wird beim Fall Syrien nicht anders sein
Die nordvietnamesische Delegation auf der Pariser Konferenz, der Auftakt im Januar 1969
Die nordvietnamesische Delegation auf der Pariser Konferenz, der Auftakt im Januar 1969

Foto: AFP Archiv

Es gab 1954 die Genfer Indochina-Konferenz, um sich nach dem Sieg der Barfußsoldaten aus Annam und Tonkin (den Vietminh) über Frankreichs Kolonialarmee bei Điện Biên Phủ auf ein postkoloniales Indochina zu einigen.

Ab 1969 trafen sich im Pariser Konferenzzentrum an der Avenue Kleber Abordnungen aus den USA, aus den beiden vietnamesischen Staaten in Nord und Süd sowie der Befreiungsfront FNL, um über Modalitäten eines Abzugs der US-Truppen aus Südvietnam zu befinden. Ähnliches beschäftigte 1987/88 – wieder in Genf – Diplomaten der USA, der UdSSR, Pakistans, Afghanistans und der UNO. Diesmal hatte die Führung in Moskau erkannt, dass ihre Armee dem Land am Hindukusch keinen Frieden bringen konnte. Man verhandelte über den Ausstieg und die Zeit danach.

Diese Treffen als Sternstunden der Diplomatie zu erinnern, wäre übertrieben. Die politischen Agreements überstanden den Praxistext in der Regel nur für ein paar Jahre. Wenn überhaupt. Dennoch gelten die drei Konferenzen bis heute als erfolgreich. Sie erbrachten Resultate, mit denen Kriege beendet werden konnten. Nicht auf Dauer, aber zunächst schon. Doch fiel die Entscheidung darüber außerhalb der Verhandlungssäle.

Wann ist es soweit?

Das französische Kolonialheer kann sich von der Schlacht um Điện Biên Phủ nicht erholen, ist man 1954 in Paris überzeugt. Die US-Armee wird den Krieg in Südvietnam nur gewinnen, wenn sie enorme Opfer in Kauf nimmt, weiß die Nixon-Administration Anfang der siebziger Jahre. Das lässt sich politisch nicht durchhalten – Amerika ist kriegsmüde. Und der neue KPdSU-Generalsekretär Michail Gorbatschow will 1988/89, dass sein Land in Afghanistan nicht länger moralisch und ökonomisch verblutet. Also muss man raus und sich in Genf einigen.

Welche vergleichbaren Einsichten begünstigen eine Internationale Syrien-Konferenz? Mit anderen Worten, welche Vorentscheidungen sind gefallen, um eine politische Lösung zu erleichtern? Hat Präsident Assad erkannt, mit seinen Streitkräften den Bürgerkrieg verloren zu haben und deshalb eine Waffenruhe wie die Modalitäten eines Regimewechsels aushandeln zu müssen? Oder ist das eher nicht der Fall?

Sind die Rebellenformationen der Auffassung, sie könnten trotz etlicher Rückschläge in den vergangenen Wochen das Assad-Regime militärisch schlagen und brauchen nichts weniger als einen Kompromiss? Oder sind sie am Ende ihrer Kräfte und müssen politisch erreichen, was ihnen militärisch verwehrt bleibt?

Wer nimmt teil?

Wenn beide Seiten die Überzeugung beseelt, sie werden den jeweils anderen früher oder später zur Kapitulation zwingen, hat eine internationale Syrien-Konferenz wenig Sinn. Damit lässt sich höchstens Zeit schinden. Nur für wen?

Am ehesten für die externen Alliierten und Sponsoren der Konfliktparteien, die inzwischen begriffen haben, der Diplomatie eine Chance geben zu müssen, um den großen regionalen Schlagabtausch zu vermeiden, der neben Syrien den Libanon, Iran, Israel und die Türkei erfassen kann. Die USA und Russland plädieren vor allem deshalb für ein internationales Forum der Verständigung – allerdings haben sie sich bisher weder über die Agenda noch den Ablauf noch die Teilnehmer einer Syrien-Konferenz geeinigt.

Völlig ungeklärt ist beispielsweise die Frage, wer aus dem Anti-Assad-Lager gebeten werden soll. Kaum anzunehmen, dass sich die dschihadistische Al-Nusra-Front von der Nationalkoalition, dem Dachverband der Exil-Opposition, vertreten lässt. Es erscheint gleichsam schwer vorstellbar, dass sich US-Diplomaten mit Al-Qaida-Anhängern und Islamisten an einen Tisch setzen. Oder mit der Hisbollah. Damit wäre sofort die nächste Frage aufgeworfen: Was wird mit den mehr oder weniger direkt in den Syrien-Konflikt involvierten Staaten – mit dem Iran, dem Libanon, Katar und Saudi-Arabien? Kann die Arabische Liga als überparteilicher Mediator zugelassen sein, wenn sie doch Syrien bereits ausgeschlossen hat?

Und so ganz ist das Argument von Präsident Assad nicht von der Hand zu weisen, dass Syrien an keinem Treffen teilnehmen werde, dass seine nationale Souveränität verletzt. Über die politische Führung des Landes werde bei den Präsidentenwahlen 2014 entschieden, sagte Assad gerade der argentinischen Zeitung Clarin.

Aus alldem lässt sich erkennen: Die Zeit für eine Internationale Syrien-Konferenz ist reif, die in Frage kommenden Teilnehmer sind es nicht. Solange sich daran nichts ändert, bleibt alle Diplomatie Schall und Rauch.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

Lutz Herden

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