Wieder bei George W. Bush

US-Nahostpolitik Israels Premier Netanjahu wird am Sonntag in Washington erwartet. Gelegenheit, im Gespräch mit Obama auszuloten, ob es bei der US-Nahostpolitik einen Kurswechsel gibt

Lässt sich einem Ertrinkenden ein Bekenntnis über die Vorzüge des Wassers abringen? Kann ein palästinensischer Präsident gezwungen werden, über Palästina zu verhandeln, wenn davon immer weniger übrig bleibt, weil sich die Israelis immer mehr davon nehmen? Die US-Außenministerin hält das offenbar für möglich. Hillary Clinton reiste am vergangenen Wochenende als Vermittlern in den Nahen Osten und kehrte als Parteigängerin Benjamin Netanjahus zurück. Allerdings nicht, ohne vorher den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas zu Verhandlungen ohne Vorbedingungen – ohne israelischen Siedlungsstopp – aufzufordern.

So etwas nennt man einen Kurswechsel. Da Clinton dabei sicher keinen Alleingang riskiert hat, gilt der wohl für die gesamte US-Administration und besagt: Die Regierung Obama fügt sich der Unnachgiebigkeit der regierenden israelischen Rechten, die in der Westbank weiter siedeln lässt, wi es ihr passt – oder sie hat in Wirklichkeit nie ernsthaft versucht, dem Einhalt zu gebieten. Und jetzt – kurz vor dem nächsten Besuch des israelischen Regierungschefs im Weißen Haus – ist die Zeit gekommen, das öffentlich einzugestehen.
Barack Obamas mutmaßlich neue Nahostpolitik, die beiden Seiten – Israelis und Palästinensern – Gerechtigkeit widerfahren lässt, indem sie deren Interessen als gerechtfertigt ansieht, gerät damit in ein schiefes Licht und läuft Gefahr, wieder bei George Bush anzukommen – bei einer Politik der einseitigen Parteinahme für Israel, dem Bollwerk ohne Wenn und Aber, das die Palästinenser das Fürchten lehrt und ihnen die Zukunft bestreitet.

Wer von Mahmud Abbas verlangt, er solle sich in einem solchen Augenblick mit Netanjahus Unterhändlern an den gleichen Tisch setzten, tut nichts Anderes, als ihm den politischen Selbstmord nahe zu legen. Da dieser palästinensische Präsident schwach, aber nicht lebensmüde ist, hat er sich Clintons Verhandlungsorder beim Gespräch am 31. Oktober in Abu Dhabi widersetzt. Die für den 24. Januar 2010 in der Westbank anberaumten Wahlen ließen ihm keine andere Wahl. Er dürfte zudem wissen, dass die Institution Autonomiebehörde nicht vollends zum Handlanger der Israelis herabsinken darf, der Gehorsam gegenüber jedermann – mit Vorliege aber im Umgang mit den Besatzern – walten lässt.

So hat Abbas die ausgestreckte Hand ausgeschlagen, die sich ihm um den Hals legen und in inniger Zuneigung fest zudrücken wollte. Als Reaktion werden die Israelis zur Politik der harten Hand zurückkehren und mit den Palästinensern Tacheles reden. Wer so uneinsichtig bleibt und kein Volk zweiter Klasse sein will, der soll bekommen, was er verdient. Einen Staat auf jeden Fall nicht. Es sei denn, Barack Obama kann Benjamin Netanjahu davon überzeugen, den Palästinensern ein Verhandlungsangebot zu machen, das die ohne Gesichtsverlust annehmen können.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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