Wir weichen nicht, wir bleiben

Afghanistan Verteidigungsminister de Maizière schickt dem getöteten KSK-Soldaten Durchhalteparolen hinterher. Zugleich will er die deutsche Präsenz am Hindukusch, verlängern
Ausgabe 19/2013
Wir weichen nicht, wir bleiben

Foto: Johannes Eisele / AFP / Getty

Thomas de Maizière dürfte als bürgerlicher Politiker wert darauf legen, dass ihm ein großer Freiheitsdurst bescheinigt wird. Man kann es sich gar nicht anders denken. Ein Minister mit seinem Weltbild und Selbstverständnis will frei in seinen Entscheidungen und nur dem eigenen Gewissen verpflichtet sein, sobald sich das meldet. Warum ist er dann ein Gefangener seiner Afghanistan-Politik und nicht frei davon, den bornierten Verantwortungsethiker und Durchhalte-Strategen zu geben, der einem getöteten Bundeswehr-Soldaten Jetzt-erst-recht-Parolen hinterher ruft?

Es ist keine drei Wochen her, dass de Maizière mitteilte, über den NATO-Ausstieg 2014 hinaus 600 bis 800 Mann am Hindukusch halten zu wollen. So gefällig, so präzise, so vorschnell hat sich bislang kein Verbündeter ins Zeug gelegt. Nicht einmal die USA. Aus dem Pentagon heißt es lediglich, man könne sich nach 2014 ein Restkontingent von etwa 8.000 Mann vorstellen. Großbritannien erwägt, sein Afghanistan-Korps vollends aufzulösen. Sicher ist das kein letztes Wort, aber auch kein leichtfertiges: Wir bleiben auf jeden Fall. Für andere – Niederländer, Kanadier, Franzosen, Spanier – hat sich die Frage erledigt. Sie sind weg und hoffen, jeder Rückkehr zu entgehen.

Im Berliner Bendler-Block aber wird nicht lange gefackelt und ein bisschen Krieg-Führen zum Normalzustand deutscher Politik erklärt. Dass auch die nach 2014 am Hindukusch stehenden Soldaten einen Kampfauftrag haben, dürfte außer Zweifel stehen. Wie sonst sollen die Taliban oder andere Aufständische aufgehalten werden, wenn sie ernst machen? Aus einer Nationalarmee, die von ihren externen Paten seit über zehn Jahren ausgebildet wird und trotzdem ein unsicherer Kantonist bleibt, wird kein wirsamer Stabilitätsfaktor mehr.

De Maizières Wille zum Ausharren erinnert an die Umstände, unter denen die Afghanistan-Mission Ende 2001 begann. Es waren die seinerzeit regierenden Sozialdemokraten und Bündnisgrünen, die den USA bei ihrem stupiden Feldzug gegen den Terror gehorsam folgten. Im Bundestagsprotokoll, das den Moment nach der entscheidenden Abstimmung vom 16. November 2001 schildert, ist zu lesen. „Anhaltender Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/die Grünen ...“ Dass man sich dazu durchgerungen hatte, einer US-Regierung zur Hand zu gehen, die schlicht Rache übte, um sich für 9/11 schadlos zu halten, verdiente eben Applaus. Es schien egal, auf welch geistigem Niveau der damalige US-Präsident Bush mit seiner „Achse des Bösen“ unterwegs war.

Wenn mit dem Tod des KSK-Mannes am 5. Mai mittlerweile 53 Bundeswehr-Angehörige in Afghanistan und Hunderte Afghanen durch den Einsatz deutscher Waffen starben, darf man das Urheberrecht für diese Bilanz der rot-grünen Regierung von einst nicht bestreiten. Sie hat angestoßen, wovon sich Charakterköpfe wie de Maiziere nicht mehr lösen wollen, um eine militarisierte deutsche Außenpolitik voranzutreiben. Sei es durch die Aufrüstung mit US-Drohnen, massenhafte Waffenexporte oder neue Auslandsmissionen wie in Mali. Die Gewöhnung daran gerät in Deutschland nur leicht aus dem Takt, wenn eigene Soldaten ihr Leben verlieren. Doch ist die Beunruhigung schnell ausgestanden, wenn Leute wie de Maizière erklären, dass man sich durch nichts beirren lasse.

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