Wer es nicht Kotau nennen will, sollte es mit Kehrtwende versuchen. Bei den jüngsten deutsch-französischen Ministergesprächen war Präsident Macron verklausuliert, aber vernehmbar auf Deeskalation bedacht. Was er sagte, klang so, als wolle seine Regierung auf weitere Störmanöver gegen das deutsch-russische Pipeline-Projekt verzichten. Das sei „jetzt fast abgeschlossen“. Dazu solle „nichts ohne eine ganz enge Abstimmung zwischen Deutschland und Frankreich gesagt werden“. Mit anderen Worten, wenn die Regierung Merkel an Nord Stream 2 festhält, wird das mit Paris „abgestimmt“ sein. Kurz vor dem Arbeitsgipfel hatte Europastaatssekretär Clément Beaune wegen des Falls Nawalny noch einen Stopp des Vorhabens verlangt, obwohl daran auch der französische Staat als Miteigentümer und Kapitalgeber des Energiekonzerns Engie beteiligt ist. Wird eingelenkt, weil man ein Einsehen mit sich selbst hat?
Auf alle Fälle bestätigt Emmanuel Macron, worauf bei seiner Außenpolitik stets Verlass ist – den Hang zur Wendigkeit. Sich darin auch bei Nord Stream 2 treu zu bleiben, hat Vorteile, für sein Land allemal. Je länger die Trasse – von wem auch immer – zur Disposition gestellt ist, desto mehr wird sie für Deutschland und sein Prestige in Europa zum Politikum. Man stelle sich vor, unter dem Druck der USA, der Ukraine, Polens, der baltischen Staaten und – ausgerechnet – Frankreichs müsste die Regierung Merkel kapitulieren. Für Deutschlands Autorität in der EU wäre das fatal, wenn nicht katastrophal. Ein Imageverlust ohnegleichen. Als seriöser Vertragspartner infrage gestellt, nicht vertrauenswürdig, ohne Durchsetzungsvermögen, regresspflichtig obendrein. Das ließe Frankreich nicht unberührt. Als europäische Kernmacht ist es nur im Einvernehmen mit Deutschland auch EU-Führungsmacht.
Wäre es anders, hätte sich Macron mit alldem, was er der Staatenunion seit fast vier Jahren an reformerischer Katharsis abringen will, nicht am hingebungsvollen Stoizismus in Berlin wundgescheuert. Ob sich daran nach dem Abgang der Kanzlerin Merkel viel ändert, erscheint zweifelhaft. Denn eines muss das Élysée schon jetzt zur Kenntnis nehmen. Es hat auf den Stellenwert der deutsch-französischen Beziehungen Einfluss, wenn das transatlantische Verhältnis unter der neuen US-Führung restauriert wird. Zumal die Regierung in Berlin wild entschlossen wirkt, die Gunst der Stunde zu nutzen, um die NATO zu stärken und sich für Europa als transatlantische Garantiemacht in Stellung zu bringen. In der Konsequenz hieße das: Merkels strategische Allianz mit den USA stutzt Macrons Idee von der strategischen Autonomie Europas zum wiederholten Mal. Schickt sie auf den Weg von der Utopie zur Fantasie.
Sich dafür durch die politische Unterwanderung einer fast vollendeten Erdgastrasse zu revanchieren, wäre naheliegend, ist aber selbstmörderisch. Vernünftig, dass Macron verzichtet. Allemal ist ohne moralischen Kredit, wer sich in die Energieexporte anderer Länder einmischt und selbst bis zu 70 Prozent des eigenen Energiehaushalts mit Atomstrom bestreitet. Seit mittlerweile 40 Jahren beutet der Staatskonzern Areva dafür die Uranvorkommen in Niger aus, in einem der ärmsten Länder. Arbeiter sterben, Landschaft bleibt für lange, wenn nicht unwiderruflich, verseucht zurück: Anderen Menschenrechte predigen und selbst die Menschheit schädigen.
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