Würde und Respekt

Atomverhandlungen An der Donau wird derzeit über mehr als ein Nuklarprogramm verhandelt. Die iranische Regierung will sich ihre Souveränität nicht beschneiden lassen – und das zu Recht
Die Außenminister des Iran und der USA bei einem Treffen Anfang November in Oman
Die Außenminister des Iran und der USA bei einem Treffen Anfang November in Oman

Foto: Nicholas Kamm / AFP - Getty Images

Zeit kann man sich erkaufen. Es käme teuer, darauf zu verzichten. Dass die Wiener Iran-Diplomatie davon Gebrauch macht, erscheint unumgänglich. Schließlich verhandeln die Emissäre der Islamischen Republik, allen voran Außenminister Dschwad Sarif, nicht nur über den Umgang mit einem Nuklearprogramm, das ihrem Land als Unterzeichnerstaat des Kernwaffensperrvertrages zusteht, sofern es friedlichen Zwecken dient.

Kommt in Wien ein Ergebnis zustande, muss es der Würde des persischen Volkes und der Souveränität seines Staates gerecht werden. Mit einem Wort, es darf den Geist der Islamischen Revolution von 1979 nicht verleugnen, die einen despotischen Monarchen zu Fall brachte und einen pro-amerikanischen Vasallen-Status gleich mit.

Das Atomprogramm ist insofern ein Versprechen, errungene Selbstbestimmung nicht preiszugeben. Es kann daher kein Abkommen geben, das dem Iran den Status eines Atomstaates grundsätzlich verweigert (was nicht mit einem Atomwaffen-Staat gleichzusetzen ist). Geregelt muss werden, in welchem Umfang und bis zu welcher Stufe Uran angereichert werden darf, wie robust das Überwachungsregime der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO sein soll, und in welchem Zeitintervall die noch geltenden Sanktionen gegen den Öl- und Finanzsektor aufgehoben werden. Nach dem Interimsabkommen vom November 2013 war diese Blockade bekanntlich nur gelockert, nicht aber beseitigt worden. Das Land konnte auf eingefrorene Guthaben von 4,2 Milliarden Dollar aus seinen Ölverkäufen zugreifen, petrochemische Erzeugnisse exportieren sowie Zubehör für Flugzeuge importieren, mit Gold und Edelmetallen handeln. Mehr war nicht drin.

Vehikel zum Regime change

An diesem 24. November nun ist die Frist für ein umfassendes Abkommen ausgelaufen – es wird weiter verhandelt. Darauf zu verzichten, hieße kapitulieren, was einer Region schwer zusetzen würde, in der die Kriegsfurie grast wie seit 100 Jahren nicht mehr. Iran grenzt an einen Irak, auf dessen Territorium ein gelähmter Staat, dafür aber ein sehr dynamisches Kalifat unter dem Patronat des Islamischen Staates (IS) Macht und Menschen sammelt. Die Landnahme des IS erfasst gleichsam das seit bald vier Jahren vom Bürgerkrieg verheerte Syrien. Dort behauptet sich Präsident Bashar al-Assad mit einem Kern- oder Rumpfstaat unter anderem deshalb, weil er den Iran als Schutzmacht an seiner Seite weiß.

Geht man in Wien mit leeren Händen auseinander, kann die Chance auf eine Verständigung für Jahre vertan sein. Gleiches gilt für eine Aussöhnung zwischen Amerikanern und Iranern, die sich trotz aller Annäherung weiter hinter einer Fassade erbitterter Feindschaft verschanzen.

Was nicht eben von Vorteil scheint – in Washington regiert ein einsamer Präsident ohne belastbaren parlamentarischen Unterbau. Die republikanischen Mehrheiten im Kongress werden Barack Obama auch bei der Iran-Politik vor sich hertreiben und den postkolonialen Patron geben, der den Iran als Paria-Staat schmäht und gern einem militärischen Strafgericht unterwerfen würde, wenn er nur könnte. Allein, die Risiken sind zu hoch.

Unter Obamas Vorgänger George W. Bush galt die Nuklearfrage als Vehikel zum Regime change – frei nach dem Motto: Lässt sich die Islamische Republik nicht zur Räson bringen, darf man sie hart, notfalls militärisch anfassen. Bei einer Intervention sollten das atomare Potenzial wie theokratische Personal – sprich: das Regime – getroffen werden. Kompromisslosigkeit in der Atomfrage schien der Königsweg zu sein, um die Spannung mit dem Iran hochzuhalten.

Präsident Obama hielt solcherart imperiale Egomanie für destruktiv und überholt. Als vor einem Jahr in Genf der „Aktionsplan“ als interimistisches Agreement unterschrieben wurde, sprach er von einem Zeitgewinn, der es ermögliche zu überprüfen, „ob das iranische Nuklearprogramm friedlich ist und keine Kernwaffen hervorbringen kann“. Das klang viel versprechend, spiegelte aber eine unrealistische Option.

Atomprogramm ohne Bombe

Auch wenn sich Teheran an die Auflagen des „Aktionsplanes“ hielt und unter anderem für sechs Monate auf die Anreicherung von Uran jenseits der Fünf-Prozent-Grenze verzichtet, wurde aus solcher Vertragstreue in den Augen seiner Gegner noch lange kein Vertrauensbeweis. Es lässt sich nun einmal nicht aus der Welt schaffen, dass in einem brisanten regionalen Umfeld von geostrategischer Dimension ein iranisches Atomprogramm per se unter Verdacht steht, auch militärisch gefärbt zu sein. Und das aus einem einfachen Grund, seit 1979 ist der iranische Staat ein Anwalt seiner und nicht länger fremder Interessen.

Daran werden die penibelsten Checks durch die IAEO nichts ändern. Der Iran hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten als eine Regionalmacht etabliert, die es den USA bestreitet, ihren regionalen Ambitionen zu folgen als sei damit ein Naturrecht verbunden.

Das heißt, aus Sicht von Amerikanern und Israelis würde es das strategische Kalkül eigentlich verbieten, dem Iran nur einen Hauch von atomarer Forschung und Praxis zuzubilligen. Da solcher Maximalismus nur durchsetzbar ist, wenn die Islamische Republik Iran unterworfen oder zerstört wird, muss ein Modus vivendi gefunden werden, der ein Atomprogramm ohne Atombombe, aber genauso dessen Fortschreibung garantiert.

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen.

Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zur Wochenzeitung Freitag. Dort arbeitete es von 1996-2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

Lutz Herden

Die Vielfalt feiern – den Freitag schenken. Bewegte Zeiten fordern weise Geschenke. Mit dem Freitag schenken Sie Ihren Liebsten kluge Stimmen, neue Perspektiven und offene Debatten. Und sparen dabei 30%.

Print

Für 6 oder 12 Monate
inkl. hochwertiger Weihnachtsprämie

Jetzt sichern

Digital

Mit Gutscheinen für
1, 6 oder 12 Monate

Jetzt sichern

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden